Vertreterin der Unteren Naturschutzbehörde sorgt für Empörung in Gotteshofen – Bürger befürchten durch ökologische Ausgleichsmaßnahme noch größere Mückenplage – Bürgermeister Michael Franken will nun Alternativen prüfen, notfalls muss ein Bebauungsplan geändert werden
Von Tobias Zell
Wenn fast schon missionarischer Naturschutz-Eifer auf die pragmatischen Befindlichkeiten von Otto Normalbürger trifft, dann kracht es mitunter. Dann prallen die Interessen nicht selten wie Fronten aufeinander, scheinbar unversöhnlich und hochemotional. Dann bekommt man manchmal geradezu den Eindruck, als würde von einem einzigen Tümpel das Heil der Welt abhängen, zumindest aber das des Landkreises. Wie heute in Gotteshofen bei einem Ortstermin deutlich wurde. Ihren Höhepunkt erreichte die Empörung der Bürger, die nicht weniger als eine schreckliche Mückenplage befürchten, als die Vertreterin der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt ihnen kurzerhand erklärte: „Dann müssen Sie nach München in ein Hochhaus ziehen.“
In dem Reichertshofener Ortsteil ist der Dorffrieden in ernster Gefahr. Aber nicht, weil man sich untereinander nicht grün ist. Nein, weil die Bürger durch kompromisslose Naturschutzpläne ihre Wohn-, wenn nicht gar Lebensqualität bedroht sehen. Denn am Ortsrand, zur Paar hin, soll aus einer Wiese eine ganz besondere ökologische Ausgleichsfläche entstehen. 0,87 Hektar groß, in Gemeindebesitz und unscheinbar – aber mit bestem Potenzial für einen ordentlichen Zoff.
Denn auf den besagten 8700 Quadratmetern sollen zwei jeweils 20 auf 20 Meter große und zehn Zentimeter tiefe Seigen, sprich: Bodensenken, angelegt werden. Im Landratsamt spricht man von einer „wesentlichen Aufwertung“ im Sinne des Naturschutzes. Unter Anwohnern nennt man es Anlage zur Mücken-Aufzucht – dabei fühlt man sich doch eh schon geplagt von den nervigen Insekten.
Auf dieser Wiese sollen die beiden Senken angelegt werden; im Hintergrund das Wohngebiet.
Hintergrund sind Baumaßnahmen im Gewerbegebiet Ronnweg II, für die ökologische Ausgleichsflächen nötig sind. Das ist soweit ein ganz normaler Vorgang. Wenn zum Beispiel durch die Ausweisung eines neuen Gewerbegebiets Naturflächen verloren gehen, dann müssen andernorts so genannte Ausgleichsflächen geschaffen werden. Im vorliegenden Fall geht es um insgesamt 1,4 Hektar, die es nachzuweisen gilt. Und 0,87 Hektar davon will die Gemeinde eben auf der Wiese zwischen der Paar und dem Wohngebiet ausweisen.
Nun hat von den Gotteshofenern, um Gottes Willen, ja keiner etwas gegen die Ausgleichsfläche an sich, wie auch heute beim Ortstermin noch einmal deutlich wurde. Was ihnen die Laune verdirbt, sind einzig und allein die beiden je 400 Quadratmeter großen Bodensenken, die da angelegt werden sollen. Denn die Bürger befürchten, dass in diesen Mulden gefühlt dauernd, aber zumindest sehr oft, das Wasser steht und sich die Mücken und anderes Insektengetier dann hier so richtig schön vermehren können. Und deshalb läuft man Sturm gegen die drohende Teufelsbrut von Gotteshofen.
Ortstermin mit Bürgermeister Michael Franken und Carmen Kiefer von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt.
Rund 80 Bürger hatten bereits Mitte November einen offenen Brief an Bürgermeister Michael Franken (JWU) unterschrieben, in dem sie ihrem Unmut Luft machten. Denn sie finden, dass die geplante Maßnahme sie „besonders hart“ trifft, und sehen ihre Wohnqualität erheblich beeinträchtigt: „Durch den Abtrag von Erdreich und damit der Vertiefung wird bei Paar-Austritt, der häufig ist, eine verstärkte Brutstätte für Mücken und andere Insekten geschaffen.“ Dabei habe man jetzt schon mit Mückenplagen extrem zu kämpfen, hieß es in dem Schreiben, in dem auch um einen öffentlichen Ortstermin gebeten wurde. Und der fand nun heute Vormittag statt und ließ die Emotionen hochkochen.
Neben Bürgermeister Franken war auch Carmen Kiefer von der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt gekommen, um die gut 30 erschienenen Bürger zu informieren. Der Rathauschef verwies noch einmal auf die entsprechenden, einhelligen Gemeinderatsbeschlüsse zur Schaffung der Ausgleichsflächen und betonte, er sei als Chef der Verwaltung nun schlichtweg verpflichtet, diese Beschlüsse umzusetzen. Bis Ende des Jahres, so sei ihm aus der Kreisbehörde signalisiert worden, sollten die Ausgleichsflächen geschaffen sein. Deshalb wurde kürzlich der Bereich, in dem die zwei Senken entstehen sollen, mit Pflöcken abgesteckt – und spätestens dadurch wurde auch dem Letzten klar, was hier geschehen soll.
"Die Leute wollen ein Ergebnis", sagte CSU Gemeinderat Johann Felber (links).
Die Ausgleichsfläche mit den beiden Seigen, sei „von langer Hand geplant“, betonte Carmen Kiefer von der Unteren Naturschutzbehörde, „nicht hopplahopp“. Das Anlegen der beiden Senken sei auch „nichts Unnatürliches“. Im Gegenteil: „Wir wollen den natürlichen Zustand wieder herstellen.“ Die Paar sei einer der schönsten Flüsse im Landkreis, sagte Kiefer und meinte an die Adresse der Bürger: „Sie profitieren ja auch davon, dass sie in einer so schönen Landschaft leben.“ Und da gehören halt, so Kiefer, Vögel ebenso dazu wie Mücken. „Wenn Sie das nicht wollen, dann müssen sie nach München ziehen“, befand die Behördenvertreterin und sorgte für Empörung und Kopfschütteln.
Spätestens nach dieser mehr als unglücklichen Bemerkung war klar: Von Seiten der Naturschutzbehörde ist hier offenbar mit einem Maß an Kompromissbereitschaft zu rechnen, das bei ziemlich genau null liegt. Die Bedenken und Ängste der Bürger hörte sich Kiefer zwar an, gelten ließ sie diese aber nicht. Sie bestritt schlichtweg, dass sich das Mückenaufkommen durch die Bodensenken erhöhen werde. Und Insekten seien ja auch Nahrungsgrundlage für Fledermäuse und Vögel.
"Jetzt lassen Sie mich mal ausreden, sonst geh ich gleich wieder“, drohte Carmen Kiefer von der Unteren Naturschutzbehörde.
„Ich werde ihnen beweisen, dass da immer das Wasser drinsteht, wenn zehn Zentimeter ausgeschoben werden“, wandte ein Bürger ein. „Wir müssen unsere Kinder jeden Tag mit Insektenschutzmittel einschmieren“, ergänzte eine Mutter und wollte damit dokumentieren, wie sehr man bereits jetzt unter den Mücken leide. Das schien die Frau von der Unteren Naturschutzbehörde aber nicht sonderlich zu jucken. Denn noch einmal verlieh sie im Laufe des Ortstermins ihrer Sichtweise unmissverständlich Ausdruck und empfahl: „Dann müssen Sie nach München in ein Hochhaus ziehen.“
Dass angesichts dieser recht eigenwilligen Interpretation von behördlicher Bürgernähe die Emotionen hochkochten und dass deshalb auch mal durcheinandergeredet wurde, ist nur menschlich. Doch Kiefer hatte dafür kein Verständnis: „Jetzt lassen Sie mich mal ausreden, sonst geh ich gleich wieder“, drohte sie. „Das macht gar keinen Spaß.“ Zumindest bezüglich der zweiten Einlassung herrschte Einigkeit. Aber es ging ja auch nicht um Spaß oder einen Ausflug ans romantische Paar-Ufer, sondern um die Frage, ob ein Kompromiss, eine Lösung möglich ist. Kiefer allerdings raubte diesbezüglich mit ihrem Auftritt heute den Bürgern die letzte Hoffnung. Von ihrer Seite – und man darf davon ausgehen, dass sie für ihre Behörde spricht – ist hier wohl keinerlei Entgegenkommen zu erwarten.
Unverständnis herrscht bei den Gotteshofener Bürgern über die geplanten Bodensenken, die für sie nicht mehr als eine Mücken-Aufzucht sind.
Wenn also Bürgermeister Michael Franken und der Gemeinderat für Frieden sorgen wollen, was stark anzunehmen ist, dann müssen sie das jetzt selbst in die Hand nehmen. Und zwar durch Änderung des Bebauungsplans und Ausweisung anderer Flächen für den ökologischen Ausgleich. Vereinfacht gesagt, geht es bei dem Ausgleich nach einem Bewertungssystem. Wenn man auf die Schaffung der beiden Senken verzichtet, dann werden diese Flächen naturschutzfachlich nicht so hochwertig eingestuft und man müsste dafür dann eben mehr Fläche zur Verfügung stellen. In diese Richtung denkt Franken auch bereits. Denn an dieser Stelle besitzt die Gemeinde mehr als die besagten 0,87 Hektar – da könnte man den Rest auch gleich noch dazunehmen.
Der Bürgermeister will sich jetzt jedenfalls noch einmal in aller Ruhe mit der Unteren Naturschutzbehörde zusammensetzen, wie er am Ende des Termins gegenüber unserer Zeitung sagte. Dabei möchte er erörtern, welche Möglichkeiten es gibt, die benötigten Ausgleichsflächen auch ohne die umstrittenen Senken zu realisieren. Diese neuen Erkenntnisse sollen dann über den Winter im Gemeinderat diskutiert werden. Eines versicherte Franken den Bürgern von Gotteshofen heute klipp und klar: Die geplanten Mulden werden erst einmal nicht angelegt. Und man darf schon mal vorsichtig davon ausgehen, dass sie vermutlich gar nicht angelegt werden.
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