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Der Pfaffenhofener Stadtrat hat sich laut Erklärung aus dem Rathaus in Klausur darauf verständigt, dass die Straßenausbau-Beitragssatzung bleibt. Von Einigung kann aber keine Rede sein – die CSU hält ihre Forderung nach Abschaffung aufrecht und will eine Abstimmung darüber

Von Tobias Zell

Die angebliche Verständigung erfolgte bei der Klausurtagung des Pfaffenhofener Stadtrats am Freitag und Samstag am Chiemsee. Die umstrittene Straßenausbau-Beitragssatzung soll demnach vorläufig bestehen bleiben. Dafür habe sich „die große Mehrheit“ des Gremiums „trotz unterschiedlicher Ansicht ausgesprochen“, heißt es in einer heute veröffentlichten Mitteilung aus der Stadtverwaltung im Nachgang der Klausur. Wobei „verständigen“ und „mit großer Mehrheit“ hier große Worte scheinen für das, was Fakt ist. Denn von einem Stimmungsumschwung innerhalb der CSU, die sich ja für die Abschaffung der Satzung stark macht, kann sicher keine Rede sein.

„Wir stellen einen Antrag und wir wollen das Thema nach wie vor im Stadtrat behandelt wissen“, bekräftigte Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) heute auf Anfrage unserer Zeitung. „Auch wenn wir bei der Abstimmung dann wohl einhellig gegen die Wand laufen.“ Dann werde man sich dieser demokratischen Entscheidung eben beugen – von einem Rückzieher der CSU kann aber keine Rede sein. Das bestätigt CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann auf Anfrage. Die CSU sei nach wie vor für die Abschaffung der Beitragssatzung und wolle das Thema im Stadtrat zur Abstimmung gestellt wissen, sagt er. Bei der Fraktionsbesprechung am Mittwochabend wird man diesbezüglich wohl Nägel mit Köpfen machen und dann höchstwahrscheinlich den Antrag stellen.

Von Verständigung also keine Spur. Es hat sich wohl vielmehr so zugetragen, dass das, was die städtische Pressestelle heute als „Verständigung“ verkauft, im Klartext bedeutet: Es hat sich gezeigt, dass die CSU für ihren Vorstoß schlicht keine Mehrheit im Stadtrat bekommt. Und weil die Christsozialen dann nach Informationen unserer Zeitung bei der Abschluss-Runde ihre Forderung zur Abschaffung der Satzung auch nicht mehr explizit wiederholt haben, ging der Rest offenbar davon aus, man habe sich „verständigt“. Hat man sich aber nicht, daran lässt die CSU keinen Zweifel.

Die offizielle Lesart aus dem Rathaus zum Klausur-Ergebnis in dieser Sache lautet jedenfalls: „Nach rechtlicher Würdigung durch den Stadtjuristen verständigten sich die Stadträte trotz unterschiedlicher Ansichten über die städtische Ausbau-Beitragssatzung mit großer Mehrheit darauf, die Satzung vorläufig nicht anzutasten, bevor nicht der bayerische Landesgesetzgeber durch eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes überhaupt die rechtlich zulässige Grundlage für ein anderes Abrechnungssystem geschaffen hat.“ Mit dem Zusatz: „Die Verwaltung soll aber verstärkt über die verschiedenen Zahlungsmodalitäten informieren, die in berechtigten Fällen eine Streckung der Beitragszahlung auf bis zu zehn Jahre ermöglichen.“

Zum Hintergrund

Die Pfaffenhofener CSU unterstützt den Vorstoß des hiesigen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümervereins, die Straßenausbau-Beitragssatzung abzuschaffen, und forderte – wie berichtet – Bürgermeister Thomas Herker (SPD) auf, das Thema baldmöglichst auf die Tagesordnung zu setzen. Man sei der Ansicht, dass eine Diskussion über die Abschaffung der Satzung notwendig ist, schrieben der CSU-Ortsvorsitzende Florian Schranz und CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Hintergrund des Antrags der Christsozialen ist die so genannte Straßenausbau-Beitragssatzung (ABS), die der Stadtrat im Jahr 2004 – damals unter CSU-Bürgermeister Prechter – beschlossen hat. Die Satzung regelt, vereinfacht gesagt, dass die Grundstückseigentümer, die Anlieger sind, zum Beispiel bei der Herstellung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen anteilsmäßig zur Kasse gebeten werden. Im Volksmund sagt man: Die Kosten werden zum Teil umgelegt. Und im Prinzip ist es so: Je mehr Nicht-Anwohner eine Straße nutzen, desto geringer ist der Kostenanteil, der auf die Grundstücks-Eigentümer umgelegt wird. Bei reinen Anwohner-Straßen kann es also durchaus teuer werden. 

Solche Straßenausbau-Beitragssatzungen gab und gibt es in zahlreichen Kommunen, das ist an sich nichts Besonderes. Neu ist allerdings, dass inzwischen einige Städte und Gemeinden sie wieder abgeschafft haben – zum Beispiel München, Hallbergmoos oder Paunzhausen – oder mit dem Gedanken spielen. Und in Pfaffenhofen soll die ABS, zumindest wenn es nach den Christsozialen geht, ebenfalls bald der Vergangenheit angehören.

Ins Rollen gebracht hatte die öffentliche Debatte über diese Satzung der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein für Pfaffenhofen und Umgebung (HWG). Dem ist zu Ohren gekommen, dass auch einige Gemeinden hier im Landkreis bereits darüber nachdenken, „die ABS abzuschaffen beziehungsweise die Beitragssätze für die Bürger gewaltig zu reduzieren“, wie es in einem Schreiben des Vereins an Bürgermeister Herker heißt. In dem Brief richten der HWG-Vorsitzende Georg Schaipp und sein Vize die Bitte an den Rathauschef und die Stadträte, auch für Pfaffenhofen „ähnliche Schritte in die Wege zu leiten, um damit eine unsägliche Abgabe abzuschaffen“.

Und der Vize-Vorsitzende des HWG ist kein geringerer als Altbürgermeister und CSU-Stadtrat Hans Prechter – und just in dessen Amtszeit als Stadtoberhaupt war einst die städtische Straßenausbau-Beitragssatzung ins Leben gerufen worden. Jetzt, gut ein Jahrzehnt später, ist ausgerechnet er ganz vorne mit dabei bei denen, die die Abschaffung fordern.

Für Prechter allerdings hat das mit einer Kehrtwende nichts zu tun. „Schon meine Bürgermeister-Vorgänger Schranz und Hobmeier haben sich jahrelang gegen die Einführung der ABS gewehrt – und ich wurde, entgegen meiner persönlichen Überzeugung, mehr oder weniger genötigt, sie zur Einführung vorzuschlagen“, sagte er unserer Zeitung. Das sei für ihn damals „beileibe keine Liebesheirat, sondern eher eine Zwangsehe“ gewesen, betonte Prechter – und somit gelte hier auch nicht der Grundsatz: „Bis der Tod euch scheidet.“ Und nachdem nun zahlreiche Gemeinden über eine Änderung nachdenken und München die Satzung sogar bereits abgeschafft habe, gehöre diese Diskussion auch in Pfaffenhofen geführt. 

Und genau das fordern Prechters Parteifreunde Rohrmann und Schranz nun vom Bürgermeister: Herker möge das Thema auf die Tagesordnung setzen. Der wird dem zwar nicht gerne nachkommen, aber angesichts des vorliegenden Antrags schlicht müssen. Herker jedenfalls hält nicht viel von der Abschaffung der ABS, das hat er signalisiert. Der Rathauschef verweist auf die Einnahmen, die der Stadt ohne die Ausbau-Beiträge verloren gehen würden – und dieses Geld müsse man sich dann möglicherweise über eine Erhöhung der Grundsteuer wieder holen. Zu einer solchen Kompensations-Idee kam von den Christsozialen aber sicherheitshalber schon ein klares Nein: „Eine Anhebung der Hebesätze für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer steht für die CSU Pfaffenhofen derzeit ebenfalls nicht zur Debatte.“

Aus Sicht von Rohrmann, Schranz & Co. braucht es nämlich keine weiteren Gebühren- und Steuererhöhungen. „In den vergangenen Jahren wurden bereits genug Abgaben erhöht“, erklärten sie mit Verweis auf Kindergarten-, Friedhofs, Wasser- und Kanalgebühren. „Pfaffenhofen schwimmt derzeit im Geld und verfügt über sehr hohe Steuereinnahmen. Daher sieht die CSU hier keine Notwendigkeit zur Diskussion.“

Zudem ist eine Grundsteuer-Erhöhung aus Sicht der CSU „keine soziale Politik“. Damit treffe man besonders den kleinen Mann, denn am Ende werde die Grundsteuer von den Eigentümern ja wieder auf den Mieter umgelegt. „Dies widerspricht auch der Forderung nach günstigem Wohnraum, wenn hier die Nebenkosten seitens der Stadt indirekt angehoben werden.“  Und außerdem fordert die CSU den Bürgermeister auf, „nicht nur an der Gebührenschraube zu drehen, um die Einnahmen des Stadthaushalts zu erhöhen, sondern auch die Ausgabenseite der Stadt in die Kalkulation mit einzubeziehen und zu prüfen, in welchen Bereichen Einsparpotenzial besteht“. 

Noch zwei weitere Gründe für die Abschaffung der ABS führten Schranz und Rohrmann aus. Erstens: Es sei nicht jedem Grundstückseigentümer möglich, in kurzer Frist eine große Geldsumme zur Begleichung der durch die ABS anfallenden Beträge bereitzustellen. Diesbezüglich könnte nun möglicherweise Abhilfe geschaffen werden. Erinnert sei an das heutige Statement aus dem Rathaus: „Die Verwaltung soll verstärkt über die verschiedenen Zahlungsmodalitäten informieren, die in berechtigten Fällen eine Streckung der Beitragszahlung auf bis zu zehn Jahre ermöglichen.“

Zweitens werden die Anwohner laut CSU zwar über die Ausbau-Beitragssatzung einerseits zur Kasse gebeten, haben aber andererseits nur ein geringes Mitspracherecht über die Art und Weise des Ausbaus – auch wenn ihnen bei Info-Veranstaltungen von Herker etwas anderes „weisgemacht werden soll“. Und außerdem entscheide am Ende immer der Stadtrat, ob er den Wünschen der Anlieger entspreche oder nicht, erinnert die CSU mit Verweis auf die jüngsten Fälle in Sachen Auenstraßen-Quartier und Schlachthofstraße. 

Ganz konkret verwiesen die Christsozialen bezüglich der angestrebten ABS-Abschaffung auf Artikel 5 des Kommunalabgabengesetzes, wonach alle Gemeinden angehalten seien („sollen“), Satzungen für den Straßenausbau zu erlassen. Aus dieser Formulierung geht jedoch nach Einschätzung der CSU keine rechtliche Verpflichtung hervor. Außerdem hätten momentan auch nur etwa drei Viertel der gut 2000 Gemeinden in Bayern eine solche Satzung erlassen.

Im Rathaus verteidigte man indes die Straßenausbau-Beitragssatzung. Und Stadtjurist Florian Erdle vertritt in Bezug auf die Auslegung des besagten Artikels 5 aus dem Kommunalabgabengesetz, wonach die Gemeinden eine solche Satzung erlassen „sollen“, auch eine ganz andere Sichtweise – und die erläuterte er auch am Wochenende auf der Klausur. Der Begriff „sollen“ sei in juristischer Diktion als „grundsätzlich verbindlich“ anzusehen, so Erdle. Ein „ausnahmsweises Absehen“ sei „nur für atypische Situationen möglich“. Demnach würde es laut Erdle lediglich ein besonderer Umstand – wie eine herausragende Finanzlage der Gemeinde – rechtfertigen, von einer Beitragserhebung abzusehen.

Von einer herausragenden Finanzlage aber will man im Rathaus keinesfalls sprechen. Erdle führte dazu gegenüber unserer Zeitung aus: „Nach den in der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung der kommenden Jahre anstehenden notwendigen Investitionen (man denke nur an das größte städtische Bauprojekt der letzten Jahrzehnte, den Neubau der Mittelschule für zirka 27 Millionen Euro), die zu einer abgeschmolzenen Rücklage und einem deutlich steigenden Schuldenstand der Stadt führen werden, ist diese Ausnahmesituation für Pfaffenhofen nicht gegeben.“ 

Außerdem wollte Erdle betont wissen, dass die Stadt Ausbaubeitragsmaßnahmen stets verantwortungsvoll im Sinne der Anlieger und des Gesamthaushalts durchführe. Zum einen werde nicht „auf Verdacht“ grundsaniert, sondern dort, wo es fachlich erforderlich sei. Und zum andern werde möglichst viel im Rahmen des allgemeinen Straßenunterhalts erledigt, für den jährlich große Haushaltsposten angesetzt seien. Und dass die Bürger, wie die CSU findet, nur ein recht geringes Mitspracherecht haben, sieht man im Rathaus freilich auch anders: „Sind ausbaubeitragspflichtige Maßnahmen nötig, werden die Pfaffenhofener seit Jahren bereits im Vorfeld in die Planungen einbezogen und ihre sinnvollen Anregungen werden, wo möglich, auch kostenreduzierend berücksichtigt“, sagt Erdle. 

Diese Argumentation findet sich auch in dem Antwortschreiben wieder, das Bürgermeister Herker dem Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverein zukommen ließ. In dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt, teilte der Rathauschef zudem mit, dass man sich bei der Klausur mit dem Thema befassen werde – und schloss mit den Worten: „Nach aktuellem Stand kann ich Ihnen jedoch nicht viel Hoffnung für ihren Aufhebungswunsch machen.“

Und daran hat sich auch nach der Klausur nichts geändert. Denn die CSU, die die Abschaffung der Straßenausbau-Beitragssatzung beantragt, stellt zwar die größte Fraktion – eine Mehrheit hat sie aber nicht.  Und so wird dann wohl die oben genannte „große Mehrheit“ gegen die Abschaffung der Satzung votieren – und die CSU wird, wie Prechter prognostiziert, „einhellig gegen die Wand laufen“. 

Weiterer Artikel zur Klausurtagung: Parkhaus am Bahnhof soll kommen


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