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In dem Reichertshofener Ortsteil sollten auf einer ökologischen Ausgleichsfläche zwei feuchte Senken angelegt werden: Die Bürger liefen wegen der befürchteten Mückenplage Sturm – jetzt wurde in ihrem Sinne umgeplant

Von Tobias Zell

Im beschaulichen Reichertshofener Ortsteil Gotteshofen ging die Angst um. Die Angst vor schrecklichen Mückenplagen. Denn nur einen Steinwurf entfernt vom Wohngebiet sollten am Ortsrand zwei ökologische Ausgleichsflächen geschaffen werden, in denen mitunter das Wasser steht. Nun hat zwar niemand etwas gegen Ausgleichsflächen an sich, doch die im konkreten Fall geplante Ausgestaltung derselben sorgte bei manchem schon vor der Umsetzung für gehörigen Juckreiz.

Denn auf der 0,87 Hektar großen Wiese, um die es geht, sollten zwei jeweils 20 auf 20 Meter große und zehn Zentimeter tiefe Seigen, sprich: Bodensenken, angelegt werden. Im Landratsamt sprach man von einer „wesentlichen Aufwertung“ im Sinne des Naturschutzes. Unter Anwohnern nannte man es eine Anlage zur Mücken-Aufzucht und befürchtete nicht weniger als den Verlust von Lebensqualität – durch die drohende Teufelsbrut von Gotteshofen.

Doch nun dürfen die Gotteshofener Erdenbürger dem Herrgott danken. Und ihrem Bürgermeister Michael Franken (JWU). Und der Unteren Naturschutzbehörde am Pfaffenhofener Landratsamt, die doch noch umgeschwenkt hat. Denn die Gefahr scheint gebannt, die Teufelsbrut muss woanders nisten. Entwarnung darf zwar noch nicht offiziell gegeben werden, weil das Ganze ist noch nicht in trockenen Tüchern – aber so gut wie. Denn im Gespräch mit der Kreisbehörde wurden zwei Alternativ-Lösungen gefunden, wie der Rathauschef heute gegenüber unserer Zeitung sagte. Und mit beiden dürften die Anwohner gut leben können. Wenn nun am Dienstag, 24. Februar, der Gemeinderat zustimmt, ist das leidige Thema vom Tisch, der Dorffriede kann wieder einkehren und der nächste Sommer kommen.

Auf dieser Wiese sollen die beiden Senken angelegt werden; im Hintergrund das Wohngebiet.

Die beiden Alternativen erklärt Franken wie folgt. Variante 1: Man lässt die Mulden einfach weg und macht dafür die Ausgleichsflächen um 800 Quadratmeter größer. Dann wäre der Ausgleichsbedarf, der sich nach einem Punkte-System errechnet, auch wieder erfüllt. Diese Ausdehnung wäre ohne Probleme möglich, weil die Gemeinde an dieser Stelle über genügend Grund verfügt. Variante 2: Statt durch Mulden erfolgt die naturschutzmäßige Aufwertung mittels Pflanzung einer Baumreihe.

Franken selbst favorisiert Version 1, wie er unserer Zeitung heute sagte – und diese Lösung werde die Gemeindeverwaltung dem Ratsgremium in der nächsten Sitzung auch zur Beschlussfassung vorschlagen. Aber egal, ob Alternative 1 oder 2 – die Mulden kommen so gut wie sicher zu den Akten. Denn beide Alternativen seien bereits mit dem Landratsamt abgestimmt, weshalb von dort keine Hürden mehr zu erwarten sind. Es wird also doch noch alles gut in Gotteshofen.

Hintergrund der ganzen Aufregung sind Baumaßnahmen im Gewerbegebiet Ronnweg II, für die ökologische Ausgleichsflächen nötig sind. Das ist soweit keine große Sache, weil ein ganz normaler Vorgang. Wenn zum Beispiel durch die Ausweisung eines neuen Gewerbegebiets Naturflächen verloren gehen, dann müssen andernorts so genannte Ausgleichsflächen geschaffen werden. Im vorliegenden Fall geht es um insgesamt 1,4 Hektar, die es nachzuweisen gilt. 0,87 Hektar davon will die Gemeinde auf den beiden in ihrem Besitz befindlichen Wiesen ausweisen, um die es bei dem ganzen Wirbel ging. 

Unverständnis herrschte bei den Gotteshofener Bürgern über die geplanten Bodensenken, die für sie nicht mehr als eine Mücken-Aufzucht wären.

Dass die besagten 8700 Quadratmeter als naturnahe Ausgleichsfläche genutzt werden sollen, war indes nichts Neues. Bürgermeister Franken verwies schon vor Monaten im Gespräch mit unserer Zeitung auf einen entsprechenden Gemeinderats-Beschluss aus dem Juli 2012 und war deshalb „mehr als verwundert“, woher auf einmal – weit über zwei Jahre später – die ganze Aufregung kam. Zumal, wie er erinnerte, diese Ausgleichsflächen damals nicht nur in einem eigenen Tagesordnungspunkt behandelt, sondern auch ohne Gegenstimme abgenickt worden seien.

Möglicherweise hatten sich die Kommunalpolitiker aber damals gar nicht so genau angeschaut, wofür sie da eigentlich die Hand hoben. „Die meisten waren sich eben nicht bewusst, dass sie darüber abstimmen“, wurde CSU-Gemeinderat Johann Felber in einem Medienbericht zitiert, als das Thema damals plötzlich hochkochte. Ins Bewusstsein gerückt war die umstrittene Ausgleichsfläche nämlich erst so richtig, als dort durch das Einrammen von Pflöcken in den Boden dokumentiert worden war, wo – und dass – diese beiden Seigen entstehen sollen: zwei je 20 auf 20 Meter große, zehn Zentimeter tiefen Senken mit flach auslaufenden Ufern.

Im Sinnes des Naturschutzes solle das Areal durch diese kleinen Boden-Abschürfungen „wesentlich aufgewertet“ werden. So erklärte Landratsamt-Sprecher Karl Huber Anfang Dezember gegenüber unserer Zeitung die Intention der Unteren Naturschutzbehörde. Ziel des ökologischen Ausgleichs sei es, wieder den Zustand herzustellen, der vor der intensiven Bewirtschaftung vorgeherrscht habe. Und das sind hier, in den Paar-Auen, halt feuchte Wiesen, die nicht intensiv bewirtschaftet werden, sondern lediglich einmal im Jahr gemäht.

Emotional ging es damals zu bei einem Ortstermin im Dezember.

Bei der Unteren Naturschutzbehörde habe man, so wurde weiter erklärt, auch nicht die Erfahrung gemacht, dass in diesen Seigen Tümpel entstehen. In den Mulden werde nicht das ganze Jahr über Wasser stehen, sondern nur bei höherem Pegelstand der Paar. Ansonsten prophezeit man von Seiten der Kreisbehörde eher „Pfützen“, in denen heimische Vögel natürliche Nahrung finden. Und die Bedenken der Anwohner bezüglich drohender Mückenplagen teilte man auch nicht. Erfahrungsgemäß käme das – mit wenigen Ausnahmen – nicht vor. 

In Gotteshofen sah man das grundlegend anders. Rund 80 Bürger hatten Mitte November einen offenen Brief an den Bürgermeister unterschrieben, in dem sie ihrem Unmut Luft verschafften. Sie fanden nämlich, dass die geplante Maßnahme sie „besonders hart“ treffen würde, und sahen ihre Wohnqualität erheblich beeinträchtigt: „Durch den Abtrag von Erdreich und damit der Vertiefung wird bei Paar-Austritt, der häufig ist, eine verstärkte Brutstätte für Mücken und andere Insekten geschaffen.“ Dabei habe man doch jetzt schon mit Mückenplagen extrem zu kämpfen. Zudem verwiesen die Bürger darauf, „dass der Markt Reichertshofen für Gotteshofen und seine Bürger bisher keinerlei Maßnahmen für Hochwasserschutz getroffen hat“.

 

Damals, beim Ortstermin mit Bürgermeister Michael Franken und Carmen Kiefer von der Unteren Naturschutzbehörde.

Gebeten wurde in dem Schreiben damals zudem um einen öffentlichen Ortstermin. Der fand im Dezember auch statt, sorgte allerdings bloß für noch mehr Aufregung. Denn wenn fast schon missionarischer Naturschutz-Eifer auf die pragmatischen Befindlichkeiten von Otto Normalbürger trifft, dann kracht es mitunter. Dann prallen die Interessen nicht selten wie Fronten aufeinander, scheinbar unversöhnlich und hochemotional. Dann bekommt man manchmal geradezu den Eindruck, als würde von einem einzigen Tümpel das naturschutzfachliche Heil der Welt abhängen, zumindest aber das des Landkreises. Wie in Gotteshofen bei dem besagten Ortstermin deutlich wurde.

Ihren Höhepunkt erreichte die Empörung der gut 30 erschienenen Bürger, als die Vertreterin der Unteren Naturschutzbehörde, Carmen Kiefer, ihnen angesichts der befürchteten Mücken-Plage entgegenhielt: „Dann müssen Sie nach München in ein Hochhaus ziehen.“ Spätestens nach dieser recht unglücklichen Äußerung schien klar: Mit einem Entgegenkommen der Unteren Naturschutzbehörde ist wohl nicht zu rechnen. Umso mehr wird es die Gotteshofener freuen, dass man im Landratsamt nun doch noch umgedacht hat. Zugunsten der Menschen und zu Ungunsten der Mücken. Aber Mücken hat man bislang eher selten Sturm laufen sehen gegen Pläne aus dem Landratsamt.

Bisherige Artikel zum Thema:

"Dann müssen Sie nach München in ein Hochhaus ziehen"

Die Teufelsbrut von Gotteshofen


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