Maria Weibl bietet Führungen zum Ort des ungeklärten Verbrechens von 1922 an, wo alle Bewohner des Einödhofs bestialisch ermordet wurden. Unter dem Motto "Dinner und Grusel" gibt es dazu ein Vier-Gänge-Menü
Audiopodcast: Maria Weibl erzählt
(ty) Sechs Tote. Auf grausamste Art und Weise wie im Blutrausch hingeschlachtet. Täter unbekannt. Der Tatort, heute eine Wiese, auf der in den grünen Monaten duftende Kräuter sprießen, hieß früher einmal Hinterkaifeck. Es gibt ihn nicht mehr, der Einödhof wurde bald nach der Tat abgerissen. An diesem Ort war eines der bis in unsere Tage mysteriösesten Verbrechen in der deutschen Kriminalgeschichte geschehen. Hinterkaifeck – dieser Name jagt noch heute vielen Menschen einen kalten Schauer über den Rücken. Landkreisführerin Maria Weibl kennt die Geschichte des ungeklärten Mehrfachmordes aus dem Jahr 1922 und bietet für Unerschrockene immer wieder nächtliche Laternenwanderungen zum Tatort des mysteriösen Verbrechens an. Die Termine finden Sie am Ende dieses Beitrags.
Ausgangspunkt der Touren ist das Gasthaus Bogenrieder in Waidhofen, wo auf die Teilnehmer zunächst ein leckeres Vier-Gänge-Menü wartet. „Dinner und Grusel“ sozusagen. Nach der kulinarischen Stärkung folgt der Fußmarsch bei Dunkelheit durchs Paartal. Über Felder, Wiesen und dunkle Wälder geht es bis nach Hinterkaifeck, an den Ort der Verbrechen. Und Unterwegs erfahren die Teilnehmer Hintergründe über den unheimlichen Mordfall in der Nacht auf den 1. April 1922.
Nachbildung der Tatwaffe (Foto: Maria Weibl).
Mitten auf der wohl weniger als ein Viertel eines Fußballfeldes messende Magerrasenfläche steht Maria Weibl regelmäßig mit den Teilnehmern, denen allesamt schaudert, wenn sie die dramatische Geschichte von Andreas und Cäzilia Gruber, ihrer Tochter Viktoria Gabriel und deren Kinder Cäzilia und Josef, sowie der Dienstmagd Maria Baumgartner, zu hören bekommen. Die Gäste haben gerade einen über zwei Kilometer langen Fußmarsch von Waidhofen aus – der auch dem Schulweg der siebenjährigen Cäzilia ziemlich genau entspricht – hinter sich. Dann stehen sie genau an der Stelle, wo der in der Nacht auf den 1. April 1922 der grausame Mehrfachmord verübt worden war.
Zuvor allerdings stärkt sich der Trupp mit einem Vier-Gänge-Menü. Blattsalat mit gebratenem Speck, Lebernockerlsuppe und Schweinefilet im Kräutermantel gab es zum Beispiel bei einer der Touren. Die Nachspeise ist als Belohnung nach insgesamt viereinhalb Kilometer bewältigter Feldwege bei der Rückkehr zum Gasthof Bogenrieder versprochen.
Ausgestattet mit nostalgisch anmutenden Laternen geht es vom Hof des Gasthauses aus los. Erste Station, die Pfarrkirche Mariä Reinigung. Mordopfer Viktoria Gabriel, die auch im Kirchenchor sang, soll eine so schöne Stimme gehabt haben, dass sie die „Lerche von Hinterkaifeck“ genannt wurde.
„Manchmal habe ich auch über 50 Teilnehmer“, erzählt Weibl, während es in stockfinsterer Nacht am örtlichen Friedhof vorbei in Richtung Tatort geht. Die Teilnehmer an den Führungen kommen nicht nur aus der Region. „Es war auch schon eine Gruppe aus Savannah im US-Bundesstaat Georgia hier", sagt Weibl, die bereits seit rund sieben Jahren diese makabere Tour anbietet. Eine 98-jährige Dame war bislang die älteste Teilnehmerin, Schülern serviert Weibl eine um viele grausige Details abgespeckte Erläuterung der damaligen Bluttaten.
Bild der Münchner Kriminalpolizei von 1922 vom Tatort.
Merkwürdig still war es seinerzeit auf dem Einödhof Hinterkaifeck. Die Nachbarn Lorenz Schlittenbauer, Jakob Sigl und Michael Pöll wollten dieser unnatürlichen Ruhe am 4. April 1922 auf den Grund gehen. Sie waren es, die die sechs übelst zugerichteten Leichen entdeckt hatten. Vier von ihnen lagen im Stall, zwei im Haus. Ihnen waren vermutlich mit einer so genannten Reuthaue die Schädel eingeschlagen worden. Manchmal stockt Weibl fast unmerklich die Stimme, wenn sie davon erzählt. Besonders nahe geht ihr das Schicksal der Siebenjährigen. Sie soll sich vor Schmerz im über mehrere Stunden dauernden Todeskampf büschelweise die Haare vom Kopf gerissen haben – die sie bei der Obduktion noch in ihren Händen hielt.
Neben der eigentlichen Tat gibt es in diesem Fall bekanntlich viele Merkwürdigkeiten. Von Schuhabdrücken im Schnee, die zum Bauernhof hin, aber nicht mehr zurückführten ist die Rede. Verschobene Dachziegel und versorgtes Vieh deuten auf eine sich noch über Tage nach der Tat dort versteckt haltende Person hin. War das der Täter?
Es ist die Rede von Blutschande, einem für damalige Verhältnisse immensen Vermögen Grubers, etwaigen ominösen Geschäften und vielen anderen Dingen, die für sich genommen eine an Spannung kaum zu überbietende Romanvorlage liefern. Hinzu kommt eine seinerzeit völlig überlastete Dorfpolizei, der die Münchner Kripo – damals in ihrer Aufbauphase – in nichts nachstand. So soll sie nicht einmal über ein eigenes Fahrzeug verfügt haben; und von einem „Profiling“ war man seinerzeit so weit entfernt wie vom Flug zum Mond.
Maria Weibl kennt die Geschichte des ungeklärten Mehrfachmordes aus dem Jahr 1922; sie bietet Führungen an.
Etliche Meter neben dem früheren Anwesen steht ein Marterl. „Wir beten hier, singen ein Lied oder gedenken still der Toten“, berichtet Weibl. Gleich neben diesem Marterl ragt eine imposante Fichte mit fünf Wipfeln in die Höhe. „Für jeden Kaifecker steht ein Wipfel. Der Baum, so erzählt man hier, hat alles gesehen“, sagt Weibl. Zwar waren es sechs Tote. Aber die Magd Maria Baumgartner sei ja – frisch angestellt – erst einige Stunden auf dem Hof gewesen und werde von daher nicht mitgezählt.
Auf dem Rückweg zum Gasthaus bohren sich aufgeblendete Scheinwerfer in die Augen der Nachtwanderer. Fahrzeuge sind auf dem Weg zum Ort der Morde. Dieser Fleck scheint eine mystische Anziehungskraft zu haben. Das bestätigt auch Weibl, die von einem regelrechten Tourismus spricht: „Immer mehr und in letzter Zeit auch überraschend viele junge Leute interessieren sich für Hinterkaifeck“, sagt sie. Tag und Nacht könne man im Umfeld des Tatorts auf Besucher treffen.
Maria Weibl hat mittlerweile ihre eigene Theorie zu den Hintergründen des grausigen Verbrechens. Davon erzählt sie dann am Ende der Führung und jeder kann sich auf dem Weg zurück nach Waidhofen so seine eigenen Gedanken machen. Nach über vier Stunden nächtlichem Grusel-Abenteuer steht zum Abschluss die Nachspeise auf dem Programm.
Die spannende, rund vierstündige Führung inklusive Menü kostet pro Person 35 Euro. Die Anmeldung erfolgt bei Maria Weibl unter der Telefonnummer (0 82 52) 34 22 oder per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Firmen, Vereine oder Gruppen ab zehn Personen haben die Möglichkeit, individuelle Termine für die Laternenwanderung zu vereinbaren. An folgenden Terminen sind noch Plätze für die "Dinner und Grusel"-Tour frei: Freitag, 31. Juli (ab 19 Uhr), und Samstag, 29. August (ab 18 Uhr). Treffpunkt ist jeweils eine Viertelstunde vor Beginn am Gasthaus Bogenrieder in Waidhofen.
Weitere Beiträge zum Thema:
„Mir stellt es immer noch die Haare auf“