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Anerkannte Asylbewerber müssten aus den ihnen gestellten Unterkünften ausziehen. Zugleich dürfen viele ihre Familie nachholen. Doch wo sollen sie hin angesichts des angespannten Wohnungsmarkts? Für Obdachlose sind jedenfalls die Gemeinden zuständig. Der Landkreis Pfaffenhofen rechnet, dass im Rahmen des Familiennachzugs weitere 500 bis 650 Personen untergebracht werden müssen

Update: „Das wird uns an den Rand der Katastrophe führen“

(ty) Der Landkreis Pfaffenhofen ist bekanntlich schon jetzt händeringend auf der Suche nach ausreichend Plätzen zur Unterbringung von Flüchtlingen. Dabei haben sich auch die Kommunen bereiterklärt, mitzuhelfen. Im Rahmen einer Selbstverpflichtung wollen sie jeweils zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl an Flüchtlingen aufnehmen – und dafür notfalls mit eigenem Geld und auf eigenem Grund Gebäude errichten. Doch während man in fast allen Kommunen noch alle Hände voll zu tun hat, die entsprechenden Plätze zu generieren oder zu akquirieren, droht schon das nächste Problem – und das könnte noch deutlich massiver werden als die derzeitige Herausforderung. Es geht um den Familiennachzug von anerkannten Asylbewerbern sowie um so genannte Fehlbeleger. 

Auf den Punkt gebracht: Es fehlen vermutlich Hunderte von bezahlbaren Wohnungen im Landkreis. Und demzufolge droht Hunderten von anerkannten Asylbewerbern die Obdachlosigkeit. Das könnte wiederum zu einem riesigen Problem für die Gemeinden werden. Denn während die Unterbringung von Flüchtlingen keine kommunale Aufgabe ist, liegt die Zuständigkeit für Obdachlose in erster Linie bei den Gemeinden. Doch die wissen schon kaum mehr, wo sie noch Plätze für Flüchtlinge herkriegen sollen – und nun drohen ihnen auch noch unzählige obdachlose Familien. 

Asylbewerber, die anerkannt sind, müssten eigentlich aus den ihnen zur Verfügung gestellten Unterkünften ausziehen und sich selbst auf dem freien Wohnungsmarkt eine Bleibe suchen. Aber angesichts des angespannten Immobilienmarkts finden viele natürlich keine – oder zumindest keine bezahlbare – Wohnung. Damit sie nicht auf der Straße stehen, werden sie in den Asyl-Unterkünften geduldet – und heißen dann Fehlbeleger. Verschärften wird sich diese Situation, weil den anerkannten Asylbewerbern zunehmend Familienangehörige nach Deutschland folgen dürfen – und die haben freilich auch keine Wohnung, wenn sie ankommen.

Nur geduldet in den Unterkünften

„Verhältnismäßig viele Asylbewerber und Flüchtlinge in Asyl-Unterkünften sind Fehlbeleger“, heißt es aus dem Pfaffenhofener Landratsamt, wo man noch einmal verdeutlich: „Das heißt, sie sind nach ihrer Anerkennung nicht mehr berechtigt, in diesen Unterkünften zu wohnen, sondern nur noch geduldet, weil sie sich als Empfänger von Hartz-IV-Leistungen eigentlich eine eigene Wohnung suchen müssten.“ 

Diese Duldung wird angesichts des nicht abreißenden Zustroms von Flüchtlingen aber möglicherweise bald an ihre Grenzen stoßen: „Die Plätze in den Unterkünften werden dringend für neu ankommende Asylbewerber und Flüchtlinge benötigt“, bestätigt Landratsamt-Sprecher Karl Huber im Gespräch mit unserer Zeitung. Gleiches gelte für die nachziehende Familie, die sich ja nicht in einem Asylverfahren befinde und demzufolge auch nicht berechtigt sei, in einer Asylbewerber-Unterkunft zu wohnen. 

156 Flüchtlinge im Landkreis dürfen aktuell Familiennachzug beanspruchen

Im Landkreis Pfaffenhofen gibt es nach Angaben von Huber derzeit 156 Asylbewerber mit Flüchtlings-Anerkennung, die einen Familiennachzug beanspruchen können. 123 weitere Personen stehen seinen Worten zufolge in laufenden Asylverfahren mit hinreichender Aussicht auf Anerkennung als Flüchtling. Insgesamt rechnet die Kreisbehörde – angesichts von Erfahrungswerten – damit, dass im Rahmen des Familiennachzugs im Landkreis Pfaffenhofen 500 bis 650 weitere Personen untergebracht werden müssen. Nur wie und wo?

Weder bei der Erteilung des Einreise-Visums durch die deutschen Botschaften oder Konsulate noch bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde werde im Rahmen des Familiennachzugs die Sicherung des Lebensunterhalts geprüft, betont Landratsamt-Sprecher Huber. „Personen, die  im Familiennachzug zu anerkannten Asylbewerbern im Visumsverfahren nachziehen, können sofort, ohne selbst ein Asylverfahren betreiben zu müssen, eine Aufenthaltserlaubnis bei der örtlichen Ausländerbehörde beantragen.“

"Vom Tag der Einreise an obdachlos"

Auch diese nachziehenden Familienangehörigen seien – wie die Fehlbeleger selbst – weder verpflichtet noch berechtigt, in dezentralen Unterkünften oder in Gemeinschafts-Unterkünften zu wohnen, da sie eben selbst kein Asylverfahren durchlaufen müssen. Deshalb werden diese Personen auch nicht auf die Quote der Flüchtlinge angerechnet, die der Landkreis Pfaffenhofen unterzubringen hat. Vor allem aber bedeutet das: „Somit sind diese Personen vom Tag der Einreise ins Bundesgebiet an obdachlos.“

Das Landratsamt verzichtet derzeit nach eigenen Angaben darauf, diesen Personenkreis an die nach dem Gesetz zuständige Obdachlosenbehörde – also die jeweilige Gemeinde – zu verweisen. „Die Regierung von Oberbayern hat jedoch schon mehrfach angekündigt, eine Unterbringung in staatlichen Asylbewerber-Unterkünften nicht auf Dauer hinnehmen zu wollen“, sagt Huber. Aber was tun? „Weder der Bund noch der Freistaat Bayern fühlen sich für dieses Problem zuständig“, sagt er. Deshalb werde mittelfristig eine andere Lösung zu suchen sein. „Wobei es dem Landkreis an sich gesetzlich verwehrt ist, dauerhaft und in großem Umfang selbst eine Obdachlosen-Unterbringung zu organisieren“, wie Huber betont. 

"Stark zunehmendes Problempotenzial"

Unterm Strich sieht man beim Landkreis „eine Situation, mit stark zunehmendem Problempotenzial“, wie Huber es formuliert. Nicht zuletzt, da man beim Familiennachzug von Asylbewerbern erst ganz am Anfang der Entwicklung stehe. Dabei sei insbesondere zu bemerken, dass im Landkreis und in der gesamten Region ohnehin bereits ein großer Wohnungsmangel herrsche.

„Der Landkreis versucht derzeit, unkomplizierte und pragmatische Lösungen zu finden, damit die Menschen zumindest ein Dach über dem Kopf haben“, sagt Huber. Es werde aber erheblicher Anstrengungen auf allen Ebenen bedürfen, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Dieser zusätzliche Wohnraumbedarf „darf keinesfalls unterschätzt werden“, betont man beim Landratsamt. Hier sehe man insbesondere den Bund und den Freistaat gefordert, den Kommunen zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, um die Wohnungsproblematik entschärfen zu können. 

Landrat Martin Wolf (CSU) diskutiert dieses Thema heute im Rahmen der Dienstbesprechung mit den 19 Bürgermeistern im Landkreis. Lesen Sie dazu auch: „Das wird uns an den Rand der Katastrophe führen“

Hillenbrand warnte schon im September

Christoph Hillenbrand, der Regierungspräsident von Oberbayern, hat bereits im September auf dieses Problem hingewiesen. Den damaligen Prognosen zufolge kommen heuer alleine 30 000 syrische Flüchtlinge nach Oberbayern. Die werden schnell anerkannt und dürfen/müssten dann aus ihren Asyl-Unterkünften ausziehen. „Sie suchen dann nach Wohnraum in Oberbayern“, prophezeite Hillenbrand. Und weil in der Regel die Familien nachgeholt werden dürfen, müsse man die Zahl der Personen mit drei oder vier multiplizieren. Hillenbrand veranschaulichte damals: „Eine Großstadt wie Ingolstadt ist dann allein in Oberbayern auf Wohnungssuche.“

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