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Shitstorm wegen eines umstrittenen Wagens beim heutigen Umzug in Reichertshausen – Staatsanwaltschaft informiert – Organisatoren bedauern Aufregung und distanzieren sich von rechtem Gedankengut – Panzer-Gruppe bekam Geld von der Gemeinde

Update: "Asylabwehr"-Panzer ist Fall für den Staatsanwalt – Ermittlungsverfahren eingeleitet

Von Tobias Zell 

Wo hört der Spaß auf? Wie weit reicht die Freiheit der Kunst und der Meinung? Wie weit darf man im Fasching gehen? Und wann ist – vielleicht auch ungeachtet der Frage nach dem rechtlich Erlaubten – eine Grenze überschritten? Der Faschingszug des OCV Steinkirchen, der heute Nachmittag stattfand, liefert Diskussionsstoff. Denn unter den zehn Wagen war ein Schützenpanzer-Nachbau – mit der Aufschrift „Ilmtaler Asylabwehr“ – das löste eine Welle der Empörung aus. Auch die Pfaffenhofener Polizei war vor Ort, hat das umstrittene Gefährt fotografiert und wird den Fall nun zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Ungeachtet dessen: Der Panzer rollte beim Umzug mit.

Tobias Winkelmeier, der Vorsitzende des OCV, unterbrach angesichts der teils heftigen Reaktionen in den sozialen Median das nachmittägliche Faschingstreiben in Steinkirchen für eine Durchsage von der Bühne aus: Der Verein sei weder rechtsradikal noch gebe es rechtsradikale Hintergründe, erklärte er den mehreren hundert Feierwütigen. Gemeinderat Konrad Moll (UWG), der Leiter des Umzugs, bedauerte im Gespräch mit unserer Zeitung die Aufregung um den Panzer – aber man habe ihn mit Blick auf die Meinungsfreiheit nicht von dem Gaudiwurm ausschließen wollen. Eine solche Zensur sei schwierig und problematisch, befand Moll. 

Zugleich räumte Moll ein, dass es für den Wagen – wie für alle anderen auch – heute einen Zuschuss von Seiten der Gemeinde gegeben hat. Über die Höhe der Summe konnte er keine offiziellen Angaben machen. Die Finanzspritzen für die Wagen betrugen seinen Worten zufolge aber jeweils zwischen 50 und 200 Euro und wurden heute vor Ort ausbezahlt. Dass die Kommune den umstrittenen Panzer gefördert hat, dürfte für zusätzlichen Wirbel sorgen. 

Der Reihe nach. Heute Nachmittag schlängelte sich der große Faschingszug des hiesigen OCV von Reichertshausen nach Steinkirchen. Nach Angaben des OCV-Vorsitzenden Winkelmeier waren zehn Wagen und 70 Fußgruppen dabei, insgesamt schätzt er gut 1000 Teilnehmer. Doch der Gaudiwurm war vermutlich noch nicht einmal ganz in Steinkirchen angekommen, da ging es im Internet schon rund. Der Fachbegriff lautet: Shitstorm. 

Denn einer der Wagen, die sich da von der Reichertshausener Ortsmitte über Grafing, Paindorf, Oberpaindorf, Lausham und Pischelsdorf bis Steinkirchen schlängelten, war im Stile eines Panzers gebaut. Um genauer zu sein, er erinnerte ziemlich deutlich an einen deutschen Wehrmachts-Panzer. Auch eine Beschriftung hatte er: „Ilmtaler Asylabwehr“ stand auf der einen Seite, „Asylpaket III“ auf der anderen. Über die Botschaft, die die Urheber damit vermitteln wollten, kann man spekulieren – erst recht in Tagen, da die AfD laut über den Schusswaffen-Einsatz gegenüber Flüchtlingen an den Grenzen nachdenkt. Man kann aber auch einfach unterstellen: Die Jecken präsentierten den Panzer eben als Vorschlag zur „Asylabwehr“. 

"Abscheulich", "ekelhaft", "menschenverachtend"

Die ersten Fotos machten in den sozialen Netzwerken schnell die Runde. Kommentare ließen nicht lange auf sich warten. „Ein Panzer als Asylpaket 3. Die ,Witzigkeit’ beim OCV Steinkirchen kennt offenbar keine Grenzen“, schrieb der Pfaffenhofener SPD-Kreisvorsitzende Markus Käser auf Facebook – inklusive Hashtag: „#duemmergehtsnicht“. Ein Panzer mit dieser Aufschrift sei „genau so ekelhaft wie das Erzählen von Judenwitzen im Dritten Reich. Voller Hass und Rassismus“, kommentierte ein anderer. „Dadurch legt Ihr die Lunte für den nächsten Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim.“ Wo da die Gaudi sei, wenn ein Panzer namens Asylabwehr mitfahre, fragte ein anderer. „Das ist nicht lustig, nicht ironisch und auch nicht sarkastisch, sondern einfach nur hasserfüllt und unterbelichtet!“ In diesem Stile geht es weiter: „Ihr habt den Schuss echt nicht gehört“, „Schämt Euch!“, „abscheuliches Fehlverhalten“, „ekelhaft und menschenverachtend“, so die fast einhellige Meinung. 

"Die Leute jubeln und applaudieren"

Noch deutlicher wurde der Reichertshausener SPD-Kreisrat Florian Simbeck. „Der lustige Faschingswurm schlängelt sich wieder durchs Ilmtal und offenbart die Dummheit, Niederträchtigkeit und menschenverachtende Gesinnung einiger Beteiligter“, schimpft er. Wochenlange akribische Arbeit und deutsche Gründlichkeit seien in die Erstellung dieses Scheusals – sprich: Panzers – gesteckt worden, „aber keine Sekunde Zeit, keine Gehirnwindung frei, kein Raum im Herzen, um die tiefe widerliche, moralische Verwerflichkeit dieser Monstrosität zu erkennen“. 
Und weiter kritisiert Simbeck: „Die Leute jubeln und applaudieren. Man hat sich längst davon verabschiedet, nur zuzusehen, man begrüßt es sogar.“ Er verstehe, dass Faschings- oder Karneval-Umzugswägen kritisch und überspitzt seien, aber hier ist seiner Meinung nach eine Grenze überschritten. 

Die Reaktionen im Internet blieben freilich auch in Steinkirchen nicht verborgen, wo nach dem Umzug schon das bunte Treiben tobte. OCV-Chef Winkelmeier sah sich deshalb veranlasst, für eine „wichtige Durchsage“ auf die Bühne zu gehen. Der OCV sei weder rechtsradikal noch gebe es rechtsradikale Hintergründe, versicherte er. „Auch unsere neuen Freunde sind herzlich Willkommen“, rief er in die Menge – und meinte damit Asylbewerber. Man kann man festhalten: Der OCV hat sich einigermaßen von dem Panzer distanziert. Mit der verantwortlichen Gruppe, werde man noch reden, ergänzte er gegenüber unserer Zeitung. 

Gemeinderat und Zugleiter Moll: "Niemand sollte verletzt werden"

Konrad Moll, Mitglied des Gemeinderats und Leiter des Faschingszugs, räumte auf Anfrage ein, dass die Sache mit dem Panzer ein „heikles Thema“ sei. Bei den dazugehörigen Leuten handle es sich um eine private Gruppe, die er persönlich kenne – von denen sei keiner rechts eingestellt, sagt Moll. Der Panzer sei nicht das erste Mal beim Faschingszug dabei gewesen; bislang habe es nie Ärger gegeben. Allerdings entzündet sich die aktuelle Empörung wohl auch weniger an dem Kriegsgefährt an sich, sondern an dessen Aufschrift. 

Moll bedauerte die Aufregung im Gespräch mit unserer Zeitung. „Niemand sollte durch den Faschingszug verletzt oder angegriffen werden“, sagt er und verweist darauf, dass ja sogar eine Gruppe von Asylbewerbern bei dem Umzug dabei gewesen sei. Insgesamt sei der Zug ordentlich abgelaufen, lautet sein Fazit.

Und was nun die umstrittene Aufschrift des Panzers angeht? Man wollte die persönliche Meinungsfreiheit nicht zu sehr einschränken, sagt Moll. Er erinnert in diesem Zusammenhang an die großen Rosenmontags-Umzüge, „die ecken auch manchmal an“. Außerdem verweist er darauf, dass die Polizei da war und die Teilnahme des Panzers an dem Umzug nicht untersagt habe. 

Bürgermeister Heinrich: "Dümmlich, bedenklich, gefährlich"

Auf Anfrage bestätigte man bei der Pfaffenhofener Inspektion, dass man vor Ort war. Man habe dabei auch den Panzer fotografiert. Die Angelegenheit werde nun zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Die – beziehungsweise möglicherweise sogar ein Gericht – wird letztlich zu entscheiden haben, ob der Panzer-Faschingswagen ein juristisches Nachspiel hat.

Der Reichertshausener Bürgermeister Reinhard Heinrich (CSU) war heute nach eigenen Worten krankheitsbedingt nicht bei dem Faschingszug und gibt sich deshalb zurückhaltend, was einen Kommentar angeht. Er habe die Fotos natürlich inzwischen auch gesehen, sagte er merklich irritiert von dem Panzer mit Aufschrift. Morgen werde er die Angelegenheit selbstverständlich umgehend prüfen. Soviel aber sagte er heute schon: Wenn die Botschaft auf dem Panzer tatsächlich für sich stand – etwa ohne satirische Einordnung oder nicht als Distanzierung zur AfD –, dann sei das „dümmlich, bedenklich und gefährlich“ sowie „eine völlig falsche Dimension“. Das wäre seinen Worten zufolge nicht tolerierbar – und auch tragisch, weil die Gemeinde in den kommenden Wochen 76 Flüchtlinge aufnimmt.


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