Logo
Anzeige
Anzeige

Die einst einhellig beschlossene und viel bejubelte Windkraft-Planung im Landkreis Pfaffenhofen sorgt bei der konkreten Umsetzung für Konflikt-Potenzial – Das zeigt sich am aktuellen Fall von Ilmmünster und Reichertshausen

Von Tobias Zell 

Zur Bewältigung der Energiewende soll die Windkraft im Landkreis Pfaffenhofen eine durchaus gewichtige Rolle spielen. Alle 19 Gemeinden haben unter großem Aufwand einen so genannten Teilflächennutzungsplan (kurz: Positiv-Planung) erstellt und abgesegnet. Will sagen: Man hat genau die Flächen festgelegt, auf denen Windkraft-Anlagen errichtet werden können. Denn die 10H-Regelung, das hatte Landrat Martin Wolf (CSU) erst kürzlich wieder betont, hätte zur Folge gehabt, dass im Landkreis kein einziges Windrad möglich wäre.

Jedenfalls segneten alle Kommunen diese Positiv-Planung ab. Nicht wenige Lokal- und Kreispolitiker unterstrichen immer wieder, wie bedeutsam dieser Schritt sei und wie gut man hier an einem Strang ziehe – für die Energiewende und gegen Atomkraft. Man lobte sich gegenseitig über den grünen Klee. Jetzt aber scheint der eine oder andere – plötzlich – zu realisieren, dass es auf den ausgewiesenen Positiv-Flächen ja tatsächlich zur Errichtung von Windrädern kommen kann. Und siehe da: Auf einmal findet man die ausgewiesenen Flächen zum Teil gar nicht mehr so toll. Der Wind scheint sich zu drehen. Die Positiv-Planung sorgt für Negativ-Schlagzeilen.

Einst ließ man sich loben, jetzt leistet man Widerstand 

Im März vergangenen Jahres war Ilse Aigner (CSU), die bayerische Superministerin für Wirtschaft, Medien, Energie und Technologie, im Wolnzacher Rathaus zu einem Pressegespräch erschienen – Thema war auch die Windkraft im Landkreis. Was die Ministerin denn von der hiesigen Windkraft-Planung halte, wollte ein Journalist damals wissen. Sie zeige, „dass man mit den Bürgern zusammen Lösungen finden kann“, befand Aigner und lobte: Es sei „sehr gut, wie das hier gemacht worden ist und gemacht wird“. 

Diese anerkennenden Worte ließ man sich gerne gefallen, das ging runter wie Öl. Mit dabei war damals auch Reinhard Heinrich, seines Zeichens Bürgermeistermeister von Reichertshausen und Chef der CSU-Fraktion im Kreistag. Jetzt, rund ein Jahr später, ist es genau dieser Reinhard Heinrich, der angesichts der Windkraft-Pläne im Wittelsbacher Forst bei Ilmmünster – auf einer dieser Positiv-Flächen – einen Brief an die Nachbarkommune geschickt hat, in dem gar von Entsetzen und Enttäuschung die Rede ist.

 

Mit dieser Grafik veranschaulicht die Gemeinde Reichertshausen die Abstände zwischen den vier möglichen Windrädern im Wittelsbacher Forst und zur Entwicklungsfläche des Baugebiets Reichertshausen-Ost. 

Man hat nämlich in Reichertshausen festgestellt, dass eines der vier Windräder, die hier geplant sind, „unmittelbar an der Grenze zu unserer Gemeinde“ aufgestellt werden soll. Diese Anlage, so schreibt Heinrich an den Ilmmünsterer Bürgermeister Anton Steinberger (CSU) und dessen Gemeinderat, liege nur etwa 980 Meter von der Entwicklungsfläche des Baugebiets Reichertshausen-Ost entfernt. Im geltenden Flächennutzungsplan habe man im Kernort lediglich zwei Flächen, auf denen größere Baugebiete ausgewiesen werden können, so Heinrich. Eine davon sei der Bereich im Anschluss an das bestehende Baugebiet Reichertshausen-Ost. Und vom jetzigen Baugebiet aus würde man zwei der geplanten Windräder „sehr massiv“ sehen.

Angesichts dieser Erkenntnis hatte der Reichertshausener Gemeinderat bereits im Februar einhellig den Wunsch geäußert, dass man doch bitte in Ilmmünster „im Interesse eines auch weiterhin gut nachbarschaftlichen Miteinanders“ den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan zum Windpark im Wittelsbacher Forst abändern möge. Und zwar so, dass zumindest die Planung der beiden Windräder, welche die Siedlungen in der Nachbargemeinde Reichertshausen „nachhaltig beeinträchtigen“, aufgegeben wird. Zukunftsprojekte für alternative Energiemaßnahmen seien selbstverständlich richtig, so Heinrich. „Noch wichtiger ist aber das Wohl der Bürger, die hier seit vielen Jahren zufrieden leben beziehungsweise im Bewusstsein des großen Erholungswertes ihr persönliches Nest gebaut haben.“

"Kasperltheater" und "Heuchelei" 

Der Widerstand aus Reichertshausen gegen die Windkraft-Pläne aus Ilmmünster ist auch dem Paunzhausener Bürgermeister Hans Daniel (FW) nicht entgangen. Paunzhausen ist eine Nachbargemeinde, liegt aber im Kreis Freising. Daniel wundert sich jedenfalls über Heinrich und dessen Gemeinderat. Erst habe man in Reichertshausen die Positiv-Planung ohne Widerworte abgesegnet – und jetzt, da die direkten Folgen vor der Tür stünden, wolle man diese nicht mittragen, sagte er in einem Interview, sprach von „Kasperltheater“ und „purer Heuchelei“. 

Das gefiel wiederum Heinrich gar nicht, der sogleich einen Brief an seinen Paunzhausener Amtskollegen verfasste, um Klarstellung zu betreiben. „Es ist schade, wenn man sich über einen Nachbarn äußert, ohne sich vorher schlau gemacht beziehungsweise mit diesem gesprochen zu haben“, monierte Heinrich. „Hättest du mich nämlich gefragt, dann hätte ich dir gesagt, dass der gemeindeübergreifende Teilflächennutzungsplan lediglich reine Konzentrationszonen ausweist“, wird Daniel belehrt. Und das mit den Konzentrationszonen bedeute, so Heinrich, dass nur dort die Flächen ausgewiesen werden dürfen, auf denen Windräder „eventuell errichtet werden können“.

Reicherthausen bittet um Verlegung von zwei geplanten Standorten

Wenn dann aber, schrieb Heinrich weiter, von einem Interessenten ein konkreter Antrag auf Errichtung eines Windrads gestellt werde, müsse für den beabsichtigten Bereich ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Erst bei diesem Verfahren würden die konkreten Belange benannt und geprüft. So sei es auch bei dem jetzt vorliegenden Antrag zur Aufstellung von vier Windrädern im Wittelsbacher Forst. 

Der Reichertshausener Rathauschef macht noch einmal klar, worum es ihm geht: „Nachdem zwei von den vier geplanten Windrädern sehr nahe an unsere Baugebiet-Entwicklungsflächen heranreichen, haben wir darum gebeten, auf diese zwei Standorte zu verzichten beziehungsweise sie zu verlegen.“ Dieses Vorgehen, findet Heinrich, sei bei der Aufstellung von Bebauungsplänen „ein ganz normaler Vorgang“.

In Ilmmünster zeigt man sich nach Informationen unserer Zeitung eher unbeeindruckt von der Bitte aus Reichertshausen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, sehen die Ilmmünsterer Entscheidungsträger eher keine Notwendigkeit, an den Plänen im Allgeminen sowie an den vorgesehenen Windkraft-Standorten im Speziellen etwas zu ändern. 

Mit dieser Foto-Simulation regierte die Pfaffenhofener Bürgerenergie-Genossenschaft (BEG), die hinter dem Vorhaben im Wittelsbacher Forst steht, auf eine Grafik der Ilmmünsterer Bürgerinitiative. Im Vordergrund Herrnrast. Die Simulation soll zeigen, dass man aus diesem Blickwinkel drei der vier geplanten Anlagen gar nicht sehen könne. Projektant und Planer des Windparks ist die Regensburger Firma „Primus“. Weitergeführt und finanziert werden soll das Vorhaben von der BEG.

Der Ilmmünsterer Bürgermeister Anton Steinberger (CSU) will sich an dem öffentlich ausgetragenen Streit nicht beteiligen. Er verweist nur darauf, dass man sich auf der Grundlage der Positiv-Planung bewege. Man tue hier nichts anderes, als im konkreten Fall umzusetzen, was alle 19 Landkreis-Gemeinden beschlossen hätten. „Spätestens seit dem schrecklichen Reaktor-Unfall von Fukushima vor fünf Jahren wünschen sich viele Menschen Windkraft als eine sinnvolle Alternative zu Atomkraftwerken“, sagt Steinberger und erinnert damit an einen Auslöser der Positiv-Planung. 

Steinberger weiß aber auch: „Nicht wenige befürchten andererseits gesundheitliche Schäden durch Windräder, stören sich an deren Anblick oder beklagen massive Eingriffe in die Natur.“ Das Thema Windkraft werde momentan intensiv und teilweise sehr emotional diskutiert, „manchmal auch nicht ganz fair“. Es gebe leidenschaftliche Befürworter genauso wie leidenschaftliche Gegner. „Beide Seiten versuchen mit stichhaltigen Argumenten zu überzeugen und belegen gleichzeitig mit umfangreichen Gutachten von Sachverständigen, dass die Argumente der jeweiligen Gegenseite völlig falsch und unsinnig sind.“ 

Steinberger: Am Ende entscheiden die Bürger

Der Gemeinderat von Ilmmünster wolle und könne sich aber „nicht an einer polemischen allgemeinen Grundsatzdiskussion zum Thema Windkraft beteiligen“, erklärte Steinberger gegenüber unserer Zeitung. Man habe sich mit den unbestrittenen Fakten vor Ort verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen. „Unsere Absicht ist es, nicht vorschnell eine der beiden Sichtweisen mit Gewalt durchzusetzen“, so der Bürgermeister. „Wir haben die schwierige Aufgabe, sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Windenergie ernst zu nehmen und für unsere Gemeinde eine sinnvolle sowie verträgliche Lösung zu finden.“ Dabei wolle man die Bürger auf dem Weg zu einer Entscheidung einbinden. Dies sei aber nur möglich, „wenn wir die Vor- und Nachteile offen, transparent und sachgerecht abwägen“. 

Am Ende, so Steinberger, werde auch jeder Bürger für sich die Vor- und Nachteile abwägen und – in Form eines Bürgerentscheids – eine Entscheidung treffen müssen. Dieser nicht einfache Weg setze voraus, dass die Menschen umfassend informiert werden. Deshalb hat der Ilmmünsterer Gemeinderat den Beschluss gefasst, auf der Basis der von allen 19 Landkreis-Gemeinden einstimmig beschlossenen Positiv-Planung einen Bebauungsplan-Entwurf erstellen zu lassen, „um eine ganz konkrete realistische Grundlage für eine weitere Diskussion zu haben“. Nicht mehr und nicht weniger.

Heute wird der Entwurf vorgestellt

Heute Abend soll dieser Entwurf bei einer Bürgerversammlung erstmals vorgestellt werden. Der nächste Schritt wäre dann laut Steinberger die Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens, um nach einem umfangreichen Abwägungsprozess mit mehrfacher Bürgerbeteiligung, Beteiligung der Nachbargemeinden und mit Hilfe der Stellungnahme von über 100 Fachbehörden eine sachgerechte, objektive und konkrete Entscheidungsgrundlage zu haben. 

Dem Ilmmünsterer Gemeinderat ist es nach Worten des Rathauschefs sehr wichtig, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen, bevor zu diesem schwierigen Thema am Ende des Abwägungsprozesses eine endgültige Entscheidung durch die Bürger getroffen wird. „Diese Zeit sollten wir uns nehmen, das ist meines Erachtens der gerade und deshalb einzig richtige demokratische Weg“, sagt Steinberger und unterstreicht: „Eine Entscheidung gegen die Mehrheit unserer Bürger darf es nicht geben.“ Sein Appell: „Wir sollten ohne Polemik, offen und fair zu einer von einer breiten Mehrheit getragenen Lösung kommen, wie immer diese am Ende auch aussehen mag.“

Ab 19 Uhr Info-Veranstaltung in Ilmmünster

Die Gemeinde Ilmmünster lädt in Kooperation mit der Pfaffenhofener Bürgerenergie-Genossenschaft (BEG), die das Vorhaben im Wittelsbacher Forst unterstützt und den Windpark nach der Errichtung durch den Projektanten dann gerne betreiben würde, am heutigen Dienstag um 19 Uhr in der Aula der Grundschule alle Bürger zu einer Info-Veranstaltung ein. Die Besucher bekommen dabei sowohl Informationen zu den konkreten Planungen und Beteiligungsmöglichkeiten als auch technische und wirtschaftliche Erläuterungen zur Windenergie, wie es vorab heißt. An Info-Stationen stünden im Anschluss nicht nur Vertreter der BEG und der Gemeinde, sondern auch Experten für Forstwirtschaft, Naturschutz, Baurecht und technische Physik Rede und Antwort. Auch die Bürgerinitiative gegen den Windpark soll vertreten sein.

Bisheriger Beitrag zum Thema:

Auf dem Weg zum "Windpark Ilmmünster"


Anzeige
RSS feed