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Reinhard Heinrich (CSU) hält die anvisierte B13-Ortsumfahrung für ein "ökologisches Wahnsinns-Projekt". Er bezieht damit auch Gegenposition zu Landrat und Parteifreund Martin Wolf, der die niedrige Priorität des Vorhabens für "unverantwortlich" hält.    

Von Tobias Zell 

Reinhard Heinrich (60), ist wahrlich nicht das, was man einen politischen Anfänger nennt. Er sitzt seit 20 Jahren im Pfaffenhofener Kreistag, ist da seit 17 Jahren Sprecher der CSU-Fraktion. Ebenfalls seit 17 Jahren sitzt er im Vorstand des Kreisverbands seiner Partei. Vor allem aber ist er seit mehr als 21 Jahren Bürgermeister der Gemeinde Reichertshausen und damit der dienstälteste Rathaus-Chef im gesamten Landkreis. 

Landrat Martin Wolf (CSU) würdigte seinen Parteifreund unlängst zum 60. Geburtstag als erfolgreichen Bürgermeister und „Kreispolitiker der ersten Reihe“. Man darf jedenfalls getrost davon ausgehen, dass einer wie Heinrich ganz genau weiß, wie das politische Geschäft läuft. Dass er, wie man sagt, die gesamte Klaviatur beherrscht. Dass er nicht nur auf den weißen, sondern auch auf den schwarzen Tasten spielt. Um es abzukürzen: Einer wie Reinhard Heinrich, der sagt nicht aus Versehen was – schon gar nicht in dieser Deutlichkeit.

 

Am Dienstagabend hat er Claudia Stamm, Landtagsabgeordnete der Grünen, im Reichertshausener Rathaus empfangen. Danach referierte sie im hiesigen Gasthaus Fuchs über grüne Haushaltspolitik. Auch die Presse war zu dem Gespräch im Rathaus geladen. Gekommen war nur ein Vertreter unserer Zeitung, die anderen haben etwas verpasst. Damit sind nicht die Butterbrezen und der Kaffee gemeint, sondern eine bemerkenswerte und durchaus überraschende Aussage von Reinhard Heinrich – die durchaus für Zündstoff sorgen könnte. Er ließ nämlich recht unmissverständlich wissen, dass er wenig bis gar nichts von einer Umgehungsstraße für Reichertshausen hält. 

Stamm, die haushaltspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, und Heinrich, seit seinem 60. Geburtstag als König von Reichertshausen apostrophiert, plauderten über dieses und jenes. Über die finanzielle Stärkung der Kommunen durch den Freistaat, über Mobilität im ländlichen Raum, über sozialen Wohnungsbau, Asylbewerber und den Familien-Nachzug, über kommunale und bayerische Haushaltspolitik sowie Pendler. Irgendwann war man halt auch beim Straßenverkehr.

Archiv-Foto: Ortstermin auf der B13 in der Umbau-Phase.

Im Schnitt rollen Tag für Tag um die 13 500 Fahrzeuge auf der B 13 durch Reichertshausen. Mitten im Ort münden die Staatsstraße 2337 und die Angerhofstraße in die vielbefahrene Bundesstraße, die auch als Ausweich-Strecke für die A9 gilt. Dieser kritische Kreuzungsbereich war für rund 620 000 Euro vor wenigen Monaten umgestaltet worden; Ende April feierte man den Abschluss dieser Maßnahme. Viel Prominenz war damals gekommen – und die Redner schwangen sich zu Hymnen auf, die einen glauben machen mussten, hier sei mindestens die schönste Kreuzung im Landkreis, vermutlich von ganz Oberbayern, entstanden. 

Die Reichertshausener waren sogar zu einem Fest geladen. Für den kirchlichen Segen der neuen Kreuzung zeichneten die evangelische Pfarrerin Doris Arlt und die katholische Gemeindereferentin Christiane März verantwortlich, die musikalische Umrahmung übernahm die hiesige Jugendblaskapelle. Während die politische Prominenz zur symbolischen Eröffnung des Verkehrs-Knotenpunkt-Upgrades die üblichen Bänder durchschnitt, freuten sich die Bürger über Freibier und kostenlosen Leberkäs mit Brezen und Kartoffelsalat. Die Schlangen an der Essens- und Getränke-Ausgabe waren zeitweise 20 Meter lang.

Auch Landrat Wolf war damals ans Redner-Pult getreten. Er beglückwünschte die Gemeinde zur Fertigstellung dieser zentralen Baumaßnahme, die den Landkreis keinen Cent gekostet hatte, und stellte deren Bedeutung für die Verkehrssicherheit heraus. Doch der Kreis-Chef dachte schon weiter. „Die B13 müssen wir aus den Ortschaften rausbringen“, betonte er mit Blick auf mehrere ersehnte und geplante Umgehungsstraßen in der Region. Konkret hoffte er dabei nicht zuletzt auf den Fürspruch des zuständigen Staatlichen Bauamts Ingolstadt, um auch eine Umfahrung für Reichertshausen in absehbarer Zeit umsetzen zu können.  

Danach sah und sieht es allerdings nicht aus. Denn in der inzwischen beschlossenen, aktualisierten Version des so genannten Bundesverkehrswegeplans hat die Umfahrung für Reichertshausen nicht die Priorität, die eine Realisierung vor dem Jahr 2030 wahrscheinlich macht. „Unverantwortlich“ sei das, hatte Wolf damals – noch vor dem Beschluss – klargestellt. Ziel müsse es sein, mit dem Vorhaben um eine Dringlichkeits-Stufe nach oben zu rücken, damit man zumindest schon mal mit den Planungen beginnen könne.

So kam es nicht. In dem in Berlin beschlossenen „Bundesverkehrswegeplan 2030“ wird das Projekt „Ortsumfahrung Reichertshausen an der Ilm“ unter der Rubrik „Neue Vorhaben – Weiterer Bedarf“ gelistet. Die Länge der Strecke ist mit 3,1 Kilometern angegeben, die Kosten werden auf stolze 27,9 Millionen Euro beziffert. Für die Umsetzung sieht es indes bis auf weiteres eher schlecht aus, denn unzählige andere Projekte in Bayern werden als viel, viel wichtiger eingestuft. Oder anders gesagt: Auf Basis dieses „Bundesverkehrswegeplans 2030“ erscheint eine Realisierung der Umgehungsstraße für Reichertshausen in den nächsten beiden Jahrzehnten im Grunde unrealistisch.

 

Und während Landrat Wolf diese Priorisierung eben „unverantwortlich“ findet, hat bemerkenswerterweise ausgerechnet Bürgermeister Heinrich damit überhaupt kein Problem. Wenn es nach ihm geht, dann sollte diese Umfahrung eigentlich gar nicht gebaut werden. Ja, erklärte er am Dienstagabend im Gespräch mit der Abgeordneten Claudia Stamm, eine Umgehungsstraße brächte natürlich Entlastung vom Verkehr – zur Erinnerung: Wir reden von im Schnitt 13 500 Autos täglich. Andererseits, prophezeit Heinrich, hätte sie auch „Schattenseiten“, würde den Ortskern schwächen. Vor allem aber sagt Heinrich: Eine B13-Umfahrung für Reichertshausen wäre ein „ökologisches Wahnsinns-Projekt“. Mit dieser Sichtweise rennt er freilich bei den Grünen offene Türen ein. 

Und, so versicherte Heinrich auf Nachfrage unserer Zeitung, das will er nicht nur in Butterbrezen- und Kaffeelaune so dahingesagt wissen, nur weil gerade eine Grünen-Abgeordnete zu Besuch war. Das meint er genau so. Er sei keinesfalls gegen Umgehungsstraßen, im Gegenteil. Aber im konkreten Fall von Reichertshausen, seiner Gemeinde, wären auf Grund der topografischen Gegebenheiten der Eingriff in die Lanschaft und der Aufwand so massiv, dass Heinrich eben für sich zu dem Schluss kommt, dass es ein „ökologisches Wahnsinns-Projekt“ sei.

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