Bundestags-Kandidaten im Interview: Thomas Neudert (FDP) aus Wolnzach. Das Gespräch zum Nachlesen und Anhören.
(zel) Einst war er Mitglied der CSU, am Sonntag will er für die FDP den Einzug in den Bundestag schaffen: Thomas Neudert aus Wolnzach tritt im hiesigen Wahlkreis als Direkt-Kandidat an. Er ist 41 Jahre alt, ein gebürtiger Oberpfälzer, studierter Betriebswirt, hat einen Bachelor-Abschluss in Jura. „Zeit für Veränderungen“ lautet sein Wahlkampf-Motto. „Wir treten dafür ein, dass die große Koalition beendet wird“, proklamiert er. Als große Themen der Liberalen nennt er Digitalisierung und Bildung. Zudem findet er, „dass wir die einzige Partei sind, die wirklich in die Zukunft blickt“.
Neuderts Zeit bei den Christsozialen ging zu Ende, nach dem er in Wolnzach heimisch geworden war. „Nicht inhaltliche Differenzen“ seien der Grund für seine Abkehr von den Schwarzen gewesen, versichert er im Interview mit pfaffenhofen-today und Radio Ilmwelle. Vielmehr habe sich herausgestellt, „dass die Wolnzacher CSU nicht zur Integration neigt“ und gegenüber Neuen beziehungsweise Neuem „nicht so offen ist“. Seiner Schilderung zufolge wollten die hiesigen Parteifreunde offenbar nichts von ihm wissen. Seit 2014 ist Neudert Mitglied nun bei der FDP, deren Kreisvorsitzender er inzwischen auch ist – und „glücklich“ damit.
Sollte er den Einzug in den Bundestag schaffen, wolle er „für alle Bürger da sein“, auf sie zugehen, sagt Neudert. Doch dazu müsste er den CSU-Abgeordneten Erich Irlstorfer aus Freising, der sich zur Wiederwahl stellt, vom Thron stoßen. Kann Neudert es besser als der politische Platzhirsch? Er denke, sagt er über sich selbst, dass er von der Ausbildung, von der Lebenserfahrung und vom Alter her „eine sehr gute Alternative“sei. „Ich bin Quer-Einsteiger und kein Karriere-Politiker.“
Hier hören Sie das Interview mit Thomas Neudert.
Die zwei großen Themenbereiche, die sich die FDP auf die Fahnen geschrieben hat, sind Digitalisierung und Bildung – und beides gehört mitunter zusammen. So gilt es laut Neudert etwa, die Infrastruktur deutlich auszubauen, aber auch die Lehrer in Sachen 2.0 besser auszubilden. Den Veränderungen in der Arbeitswelt, welche die Digitalisierung mit sich bringt, muss man seiner Meinung nach unter anderem mit Aus- und Weiterbildung begegnen.
Neudert macht sich stark für einen Freibetrag in Sachen Grunderwerb-Steuer beim Erstimmobilien-Kauf. Jede Vorschrift im Baubereich solle auf ihre Effizienz hin geprüft werden: Was kostet sie und was bringt sie? Er ist überzeugt davon: Viele Vorschriften könnten rausfliegen.
In Sachen Pflege sei zuletzt einiges passiert, räumt er ein. Doch die Zusammenlegung der Ausbildung sieht er skeptisch. Vor allem aber findet er, dass Menschen in Pflegeberufen mehr verdienen sollten. In das Gesundheits-System müsse man grundsätzlich mehr Geld stecken, „da wird man nicht drumherum kommen“.
Als Kreisvorsitzender der FDP betont er in diesem Zusammenhang: „Wir stehen zur Ilmtalklinik in kommunaler Hand. Aber das Defizit ist zu hoch.“ Im vergangenen Jahr schrieb die Krankenhaus-GmbH mit ihren beiden Standorten in Pfaffenhofen und Mainburg ein Minus aus dem laufenden Betrieb von fünf Millionen Euro. „Das sind hausgemachte Probleme“, es gebe „keine vernünftige Kostenrechnung“, kritisiert er. „Die Klinik weiß ja nicht einmal in welchen Bereichen sie Geld verdient und wo sie Geld verliert.“ Für ihn stellt sich ferner die Frage, ob man den Klinik-Aufsichtsrat, in dem ja viele Politiker sitzen, nicht lieber stärker professionalisieren sollte.
Defizite sieht Neudert in der Bildungspolitik. Zwar stehe Bayern im Ranking der Bundesländer gut da. Aber er wirbt dafür, dass man sich lieber dem internationalen Vergleich stellt. In der Region Pfaffenhofen sei die Abiturienten-Quote relativ niedrig, für den FDP-Politiker ein Ansatzpunkt: Man müsse versuchen, die Schüler in einen höheren Bildungsweg zu bekommen. Außerdem glaubt er, dass die beiden Gymnasien im Landkreis durch die Rückkehr zum G9 Kapazitäts-Probleme kriegen werden und „dass wir ein drittes Gymnasium brauchen“. Dafür will er sich einsetzen.
Gegen E-Autos hat Neudert nichts, im Gegenteil: Er denkt selbst darüber nach, sich eines zuzulegen. Ein Problem sei aber, dass man ja nicht wisse, woher der Strom komme, den man tankt – außer er stammt aus der eigenen Photovoltaik-Anlage. Betreibt man aber sein Elektro-Mobil etwa mit Kohle-Strom, dann sehe die Öko-Bilanz schon wieder anders aus, gibt er zu bedenken. Den Verbrennungsmotor sollte man nach derzeitigem Stand für die Zukunft „nicht ausschließen“, betont er – dafür ist es seiner Meinung nach zu früh.
Der Diesel-Skandal ist „eine Sauerei“, stellt Neudert klar. Als einer, der sich aus Umwelt-Aspekten einst selbst bewusst für ein Diesel-Auto entschieden habe, fühle er sich „über den Tisch gezogen“. Man dürfe aber die Händler nicht vergessen sowie nicht außer Acht lassen, dass die Auto-Branche mitsamt den Zulieferern eine Schlüssel-Industrie in Deutschland sei – mit sehr vielen Arbeitsplätzen. Die Verantwortlichen der Diesel-Krise sollen bestraft werden, unterstreicht Neudert, die Auto-Hersteller sieht er zudem in der Pflicht. Aber es dürfe nicht soweit kommen, dass es existenzgefährdend für die Auto-Industrie werde – „weil wir einfach zu sehr davon abhängen“.
Die in diesem Zusammenhang kürzlich von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen seien „wahrscheinlich unzureichend“, vermutet er. Trotzdem möge man diesen Schritten eine Chance geben. Wenn sich herausstellten sollte, dass ein Nachjustieren bei der Software nicht reicht, sagt er sinngemäß, dann müssten die Auto-Hersteller auch an die Hardware ran und andere Technologien einbauen. Ungeachtet dessen müsse man alternative Antriebsformen stärker fördern und Speicher-Technologien verbessern.
Die Europäische Union bezeichnet Neudert für sich als „Herzensangelegenheit“. Es werde oft vergessen, dass in Europa seit 72 Jahren Frieden herrscht. Die EU sei eine Wertegemeinschaft, „wir sollten enger zusammenrücken“. Er bedauert, dass Europa oft als Sündenbock herhalten müsse für das, was national nicht laufe. Dennoch hält er es für „unumstritten“, dass bei der EU Reformbedarf herrscht. Er sieht vor allem zwei große Baustellen: Man müsse die demokratischen Elemente stärken. Und es gelte, Bürokratie abzubauen. Letzteres ist ohnehin eine zentrale Forderung der Liberalen, auf allen Ebenen.
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