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Gegen den Mann wurde heute Unterbringungsbefehl erlassen. Damit ist seine Schuldfähigkeit zumindest in Zweifel gezogen.

Von Tobias Zell

Der 28-Jährige, der gestern am Pfaffenhofener Jugendamt eine 31-jährige Sachbearbeiterin als Geisel genommen und über Stunden in seiner Gewalt hatte, ehe er vom SEK überwältigt worden war, sitzt jetzt in der Psychiatrie. Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern-Nord gegenüber unserer Zeitung erklärte, wurde der Beschuldigte heute dem Haftrichter vorgeführt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde ein Unterbringungsbefehl gegen ihn erlassen, daraufhin brachte man den Mann in eine psychiatrische Klinik. Seine Schuldfähigkeit ist damit zumindest in Frage gestellt.

 

Wolfram Herrle von der Ingolstädter Staatsanwaltschaft hatte bereits gestern mitgeteilt, dass man klären müsse, ob der 28-Jährige schuldfähig sei. Nachdem der Mann nun heute nicht per Untersuchungshaftbefehl ins Gefängnis geschickt, sondern auf der Grundlage eines erlassenen Unterbringungsbefehls in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde, kann man daraus schließen, dass seine Schuldfähigkeit zumindest in Zweifel gezogen wird. Herrle sprach gestern von einer „psychischen Problematik“ bei dem 28-Jährigen. Unabhängig von der Frage der Schuldfähigkeit, so Herrle, laute der Vorwurf gegen ihn aber auf Geiselnahme. 

Für die Polizei und die Justiz war der 28-Jährige bereits vor der Geiselnahme kein Unbekannter. Der Mann war in der Vergangenheit schon wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, wie gestern bei einer Pressekonferenz erklärt wurde. Außerdem sei er bereits mehrfach auf Basis des Unterbringungsgesetzes in Gewahrsam genommen worden. 

 

Mehr als fünf Stunden lang befand sich die Sachbearbeiterin des Jugendamts an der Pfaffenhofener Kreisbehörde gestern in der Gewalt des Geiselnehmers. Ein Fluchtversuch endete für die Frau bereits am Morgen blutig: Der Beschuldigte, ein 28-jähriger Ingolstädter mit kasachischen Wurzeln, hatte ein Messer bei sich. Gegen 13.40 Uhr sah die Polizei dann – wie berichtet – einen günstigen Moment, das SEK griff zu und überwältigte den Mann. Bei dem SEK-Einsatz kam auch ein so genannter Taser, eine Elektroschock-Pistole, zum Einsatz. Der 28-Jährige wurde festgenommen.

Die 31-jährige Behörden-Mitarbeiterin, die das Drama körperlich leicht verletzt überstanden hatte, befindet sich nach heutigen Angaben aus dem Polizeipräsidium "weiter auf dem Wege der Besserung". Psychisch hat die Frau der stundenlange Nervenkrieg freilich sehr mitgenommen. Die körperlichen Verletzungen hatte sie nach bisherigem Stand bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Geiselnahme erlitten. Laut Polizei trug sie zwei Schnittwunden davon, als sie offenbar einen Fluchtversuch unternahm, den der 28-Jährige mit einem Messer unterband. Die Polizei berichtete gestern von leichten Schnittverletzungen am Hals und an der rechten Handfläche. Eine der Verletzungen wurde von den Rettungskräften mit einem Pflaster versorgt, die andere musste genäht werden.  

 

Bei der Tatwaffe soll es sich um ein Messer mit zirka zehn Zentimeter langer Klinge handeln, das der Mann nach bisherigen Informationen bereits bei sich hatte, als er das Pfaffenhofener Jugendamt am Hofberg betrat. Die Ermittler gehen derzeit davon aus, dass der 28-Jährige das Messer zielgerichtet mitgebracht hatte. Das könnte auch bedeuten: Dass er möglicherweise die Tat geplant hatte.

Hintergrund der Geiselnahme dürfte eine Entscheidung des Pfaffenhofener Jugendamts sein, mit welcher der Mann nicht einverstanden war – und die er nicht akzeptieren wollte. Der 28-Jährige ist Vater einer kleinen Tochter, die auf Betreiben des Jugendamts hin bei einer Pflegefamilie untergebracht worden ist. Der Deutsch-Russe und die Mutter des Kindes leben nach Angaben des Landratsamts zeitweilig zusammen, trennen sich wieder, sind dann wieder zusammen. Der Entzug des Sorgerechts für die Tochter gilt nach wie vor als Motiv der Geiselnahme.

Bisherige Beiträge zum Thema:

Dramatische Stunden in Pfaffenhofen: Chronologie der Geiselnahme

Nach der Geiselnahme in Pfaffenhofen: Die Pressekonferenz im Video

Pfaffenhofener Geiselnehmer wurde mit Hilfe eines Tasers vom SEK überwältigt

Geiselnahme im Pfaffenhofener Jugendamt beendet


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