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Im Interview spricht der 62-Jährige unter anderem über seine Beamten-Laufbahn, die mit einer Katastrophe begann, und über sein neues Engagement bei der Bürgerliste, das für Zündstoff sorgt. 

Von Tobias Zell 

Die einen kennen ihn als Dauer-Bürgermeister von Ernsgaden, die anderen als langjährigen Büro-Leiter des Pfaffenhofener Landrats und Pressesprecher am Landratsamt. Heute endete seine Tätigkeit bei der Kreisbehörde: Karl Huber geht in die passive Phase seiner Altersteilzeit. Von Ruhestand kann aber wohl keine Rede sein. Zumal er, ausgerechnet als CSU-Mitglied, seit kurzem als Frontmann einer neuen politischen Gruppierung für Gesprächsstoff sorgt, die unter dem Namen Bürgerliste die Kommunalwahl im kommenden Frühjahr noch interessanter machen und in den Kreistag einziehen will. Der 62-jährige Huber wird dabei sogar als Landrats-Kandidat gehandelt. Wir sprachen mit ihm auch darüber.

Herr Huber, fühlen Sie sich jetzt wie ein Rentner?

Karl Huber: Überhaupt nicht. Wer rastet, der rostet. Das gilt, so habe ich gelesen, vor allem über 60. Ich habe jede Menge Arbeit, Projekte und verschiedenste Aufgaben, die noch anstehen. Einiges habe ich bewusst geschoben, weil ich ab September mehr Zeit habe für manche Dinge – meine ich zumindest. Das ist zwar normalerweise nicht meine Art, aber ich habe das einfach mal riskiert.

Ihre Zeit als Büroleiter des Landrats und Pressesprecher am Landratsamt ist jetzt zu Ende. Und damit auch eine durchaus lange, stolze Beamten-Laufbahn. Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge als Staatsdiener?

Huber: Das war der 2. Mai 1986. Die Tage zuvor hatte es radioaktive Niederschläge aufgrund des Reaktor-Unfalls in Tschernobyl gegeben. Es war ein Freitag, ein Journalist rief gegen Mittag an und fragte mich, wo die Leute den radioaktiv verseuchten Grasschnitt hinbringen können, ob man die Milch von Kühen noch trinken darf, die belastetes Gras gefressen haben, und ob die Kinder noch im Sandkasten spielen dürfen. Der Dienst begann also gleich mit einer Katastrophe.

Über die Jahre hat sich einiges verändert. Nicht zuletzt hat auch in den Amtsstuben die Technik Einzug gehalten und heute ist viel mehr von Dienstleistung und Bürgerservice die Rede. Welche Entwicklungen aber sind es, die Ihnen als besonders markant in Erinnerung bleiben?

Huber: Als ich 1986 am Landratsamt Pfaffenhofen begann, standen in einigen Büros noch mechanische Schreibmaschinen, bei der Zeitung gab es noch den Bleisatz, Fotos waren im Pressewesen schwarz-weiß und mussten entwickelt werden und in der Medienwelt ging es noch etwas ruhiger und beschaulicher zu. Kaum zu glauben, dass es E-Mails und Internet im geschäftlichen Bereich erst seit ungefähr 20 Jahren gibt, Facebook ist vor etwas über zehn Jahren so richtig in Fahrt gekommen ist. Ich meine, es war im Jahr 1996, da kam Jörg Bucher auf mich zu und wollte mir eine neue elektronische Übermittlungstechnik für Nachrichten, E-Mail genannt, zeigen. Wir brauchten dazu eine Telefonbuchse zum Anschließen und unsere EDV-Abteilung war damals sehr skeptisch. Das war schon eine spannende Zeit.

Hat sich Ihrer Meinung nach die Rolle des Beamten in den vergangenen Jahrzehnten gravierend gewandelt?

Huber: Zum einen: Es gibt immer weniger Beamte. In vielen Fällen werden Stellen von Beamten durch Tarifbeschäftigte ersetzt. Ferner kommt es ganz auf die Struktur und den Geist in einer Behörde an. Ich meine, dass Beamte wie tariflich Beschäftigte wissen, dass sie im Fokus der Öffentlichkeit stehen, und deshalb sind viele Bereiche dienstleistungs-orientierter geworden. Und es gibt den Behörden auch wirklich viel zu tun. Ich habe zugegebenermaßen in einem sehr von Terminen und Gestaltung geprägten, produktiven Bereich gearbeitet. Da gibt es immer viel zu tun. Mir war im Landratsamt keinen Tag langweilig.

Mitunter genießen Behörden-Mitarbeiter nicht gerade den allerbesten Ruf. Können Sie das nachvollziehen? Klischees fallen ja oft auch nicht einfach vom Himmel...

Huber: Ich kann das nachvollziehen. Aber wie überall gibt es im Leben immer mindestens zwei Seiten.

Kennen Sie den? Kommt ein Beamter in die Zoohandlung und sagt: Es tut mir wirklich leid, aber ich muss den Goldfisch wieder zurückgeben – er hat einfach zu viel Hektik ins Büro gebracht. Wie geht Ihr liebster Beamten-Witz?

Huber: Geht ein Beamter zur Arbeit.

Da fällt mir auch noch einer ein: Fragt ein Bürger den Landrat: Wie viele Beamte arbeiten hier eigentlich? Sagt der Landrat: Höchstens die Hälfte. Aber Spaß beiseite! Was war für Sie in den Jahren am Landratsamt die größte Herausforderung, was waren die schwierigsten Situationen?

Huber: Außergewöhnliche Ereignisse und Unglücksfälle waren immer wieder Herausforderungen. Ich kann mich zum Beispiel noch gut an die Hochwasser-Ereignisse im April 1994, an Pfingsten 1999 sowie im Juni 2013 und die Geiselnahme im Jugendamt im Jahr 2017 erinnern. Und natürlich an die Explosion bei Bayernoil am 1. September vergangenen Jahres. Da waren alle Kräfte gefordert. Es gab viele turbulente Situationen, es würde zu weit gehen, alle aufzuzählen. Schwierige Zeiten waren auch, wenn die Landräte, deren Familien-Angehörige oder die Kolleginnen oder Kollegen ein besonderer Schicksals-Schlag getroffen hat oder wenn sie schwer krank waren. Das hat mich immer besonders mitgenommen.

Im Rahmen der Volkshochschule, deren Geschäftsführer Karl Huber (Mitte) zuletzt war, dankten ihm Landrat und Kuratoriums-Chef Martin Wolf (links) sowie Peter Sauer für die geleisteten Dienste.

 

Welche Nachricht hätten Sie als Pressesprecher gern mal verkündet?

Huber: Eine Umfrage bei der Landkreis-Bevölkerung hat ergeben: 100 Prozent sind mit der Arbeit des Landratsamts zufrieden (lacht).

Haben Sie eigentlich Ihr Büro schon ausgeräumt? Schließlich war heute tatsächlich Ihr letzter Tag hier.

Huber: Alte Akten, die wirklich niemanden mehr interessieren und sich dennoch über die Jahre und Jahrzehnte angesammelt haben, wer kennt das nicht, habe ich aussortiert. Die persönlichen Sachen aus dem Rollcontainer sind in der Umzugskiste verpackt, der Nachfolger ist nach bestem Wissen und Gewissen eingearbeitet. Das Büro steht zur Verfügung.

Möglicherweise kehren Sie ja schon in ein paar Monaten zurück, dann in ein viel größeres und repräsentativeres Büro und als Chef der Behörde. Sie werden zumindest als Landrats-Kandidat der neuen Bürgerliste gehandelt. Treten Sie an?

Huber: Ich werde mich jetzt etwas zurückziehen und mir überlegen, was ich nach einer arbeitsreichen, interessanten und erfüllenden Dienstzeit am Landratsamt mit meiner bevorstehenden Freizeit und Freiheit anstellen werde. Das Weitere wird sich dann ergeben. Auf jeden Fall werde ich jetzt mal für die nächsten Monate wieder mehr Zeit haben für die vernachlässigten Hobbys wie Kochen, Malen, Schreiben und Radeln im Feilenforst. Und der Garten wartet ja auch schon zur Generalüberholung. Ich bin selbst gespannt, an welchen neuen – oder vielleicht auch vertrauten – Ufern ich anlegen werde.

Sie sind ein vielseitig interessierter Mensch, der nicht die ganze Zeit nur über Politik reden muss, und haben das Pensions-Alter erreicht. Warum denken Sie überhaupt darüber nach, sich eventuell um den Posten zu bewerben? Sie könnten diese Amtsperiode als Bürgermeister abschließen, sich dann tatsächlich in den größtmöglichen Ruhestand verabschieden und einfach das tun und lassen, was Sie wollen. Stattdessen, ich formuliere es mal provokativ, drohen Sie sich selbst mit sechs langen Jahren in einem Full-Time-Job bei einer 100-Stunden-Woche.

Huber: Das ist eine interessante Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Es gibt darauf mehrere Antworten. Zum einen ist die Kommunalpolitik in vielerlei Hinsicht wie ein Virus: Wenn er Sie mal gepackt hat, dann lässt er Sie so ohne weiteres nicht mehr los. Da bin ich im Kollegenkreis nicht alleine. Gerade im kommunalen Bereich, sowohl auf der gemeindlichen als auch auf der Landkreis-Ebene, gibt es einen unglaublich großen Gestaltungs-Spielraum, wenn Sie mit den Räten in den kommunalen Gremien und der Bevölkerung einen Konsens finden. In meiner Heimat-Gemeinde Ernsgaden haben wir in der Vergangenheit partei-übergreifend ständig angeschoben, neue Einrichtungen gebaut und die Infrastruktur verbessert. Es gibt er immer was zu tun. Schließlich ist es auch ein Stück weit Verantwortung und die Herausforderung, selbst etwas bewegen zu können. Es gibt bestimmt Menschen, die können das gut nachvollziehen, und andere, die diese Einstellung überhaupt nicht verstehen können. Aber Sie haben Recht, irgendwann muss man auch mal aufhören – können. Die Frage ist, ob es bei mir schon so weit ist und ich mich mehr den soften Freizeit-Themen widmen möchte.

Ungeachtet dessen, wie Sie und gegebenenfalls freilich vor allem die Wähler sich am Ende entscheiden: Sie gelten als eine, wenn nicht als die Schlüsselfigur der neuen Bürgerliste. Zugleich sind sie langjähriges Mitglied der CSU. Eigentlich passt das nicht. Ist das ein interner Aufstand?

Huber: Zur Bürgerliste bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Es begann alles Ende letzten Jahres, als wir uns im Kollegenkreis der Bürgermeister über die Kreisumlage unterhalten haben, deren Senkung bevorstand. Die Frage war, wie hoch diese ausfallen sollte. Beim zweiten zufälligen Gespräch über das Thema, das phasenweise unbefriedigend diskutiert wurde, stand dann auf einmal die neue Kreistags-Liste im Raum. Das waren Bürgermeister aller möglichen politischen Couleur, nicht nur aus der CSU. Von einem Aufstand innerhalb der CSU kann man also nicht sprechen.

Sind Sie denn unzufrieden mit der CSU im Allgemeinen oder gefällt Ihnen die Politik der Christsozialen im Landkreis nicht? Sie könnten mit Ihrer Erfahrung doch auch der CSU helfen.

Huber: Ich knüpfe an Ihre letzte Frage an: Im ersten Quartal dieses Jahres stieg dann einer der Kollegen aus der Verwirklichung der Idee aus und der zweite war länger krank. Was war die Folge? Die Medien haben immer wieder mich angerufen, wie es mit der Bürgerliste weitergeht. Und gleichzeitig stieg die Zahl der Interessenten und Anhänger relativ schnell auf zirka 20 bis 25 Personen an. Das ist seither ein interessanter Prozess und es begann, mir Spaß zu machen. So direkt mit der CSU hat das eigentlich nichts zu tun. Es ist der Reiz am Neuen und die Tatsache, dass man etwas eigenständig und unabhängig entwickeln kann. Das hat mehr mit Neugierde denn mit Protest zu tun. Und es ist immer eine Frage, wie man offen und lösungsorientiert an Themen herangeht. Das ist insofern bei der Bürgerliste eine interessante Erfahrung.

Dem Vernehmen nach hat es ja durchaus konkrete und intensive Versuche seitens der CSU gegeben, Sie – ich sag es mal so – nicht an die Bürgerliste zu verlieren. Konnten die Ihnen denn nichts anbieten, was Sie hätte halten können?

Huber: In dem Zeitpunkt, in dem die CSU mit mir gesprochen hat, war bei der Bürgerliste eine dynamische Entwicklung in Gang gesetzt. Der Zug war aufs Gleis gesetzt und hatte den Bahnhof verlassen. Da ist es eine Frage der Haltung und der Verantwortung, dass der Lokführer nicht abspringt.

Die Bürgerliste tritt im Frühjahr also wohl bei der Kreistags- und womöglich auch bei der Landrats-Wahl gegen die CSU an. Und Sie sind mutmaßlich ganz vorne mit dabei. Müssten Sie vor diesem Hintergrund nicht eigentlich ihren Austritt aus der CSU erklären?

Huber: Ich habe das nicht vor. Die CSU ist eine weltoffene, für alle gesellschaftlichen Veränderungen aufgeschlossene und tolerante Partei. Die politischen Strukturen sind nicht in Stein gemeißelt, da ist immer mal Bewegung drin. Und diese Entwicklung im Landkreis Pfaffenhofen ist ja kein Einzelfall. Die CSU ist eine große und stolze Partei. Sie wird das aushalten.


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