Leserbrief von Annette Hartmann zum Artikel "Klima-Aufstand in Pfaffenhofen", über "Fridays For Future"-Demos und mögliche Ansatzpunkte für die Region.
"Danke, dass Ihr Jugendlichen für unser aller Zukunft auf die Straße geht! Nur das Rädchen, was quietscht, bekommt Öl. Karl Straub steht vor der jungen Generation und "kann heute nicht viele Versprechungen machen" – warum nicht? Kann nicht oder will nicht? Bitte nach vorne schauen und handeln! Hier konkrete Ansatzpunkte für die Klimawende und zwar für unsere Region.
Unser einziges Mittel gegen Klimaerwärmung sind Bäume – allerdings helfen uns jetzt nur die älteren Exemplare: Mit wachsender Laubfläche steigt die Leistung um den Faktor 1:2000. Die Regel, einen gefällten Großbaum durch einen einzigen Winzling zu ersetzen, ist fürs Klima nur ein Feigenblatt. Die kürzlich in Ingolstadt verschenkten eine Millionen Jungbäume werden erst in Jahrzehnten klimawirksam werden, falls genug von ihnen anwachsen und stehen bleiben (von früheren Verschenk-Aktionen sind Überlebensraten von zehn Prozent bekannt).
Das Gebot der Stunde: Große, leistungsfähige Bäume bewahren, damit es überhaupt ein Morgen geben kann! Die grünen Riesen werden jedoch traditionell von gegenläufigen menschlichen Interessen bedroht. Hier sollten wir aus meiner Sicht dringend die Prioritäten überdenken und in folgende fünf Maßnahmen investieren:
1) Baumkataster: Es würde uns helfen zu erfassen, welche grünen Schätze wir überhaupt haben und erleichtert die Zustands-Kontrolle sowie Pflege. Ausgebildete Baumkontrolleure (FLL) schauen regelmäßig nach ihren Schützlingen und arbeiten systematisch Bauhof oder Baumpflegern zu, damit Bäume aller Altersklassen gesund heranwachsen und uns allen möglichst lange erhalten bleiben.
2) Bäume stärker gesetzlich schützen: Ein Baum ist kein Einrichtungsgegenstand wie ein Sofa. Es kann in unseren Zeiten nicht länger eine rein private Entscheidung bleiben, ob ich einen großen Baum auf meinem Grund erhalte oder nicht. Je stärker bebaut das Umfeld, desto wichtiger der Baum. (Wald brauchen wir natürlich trotzdem, aber auch statt hektischer Massenaufforstung lieber die Fällung alter Mischwälder wie Steigerwald verhindern und den Wald aus der Nutzung als Holzfabrik befreien, vgl. BundesBürgerInitiative WaldSchutz und Peter Wohlleben). Dass mit Ankündigung einer Baumschutz-Verordnung vorbeugend Bäume gefällt würden, hat eine Studie des Bund Naturschutz 2018 widerlegt.
Der Schwachpunkt sei vielmehr ein Mangel an Kontrolle und Bestrafung – das ließe sich ja ändern mit Personal-Aufstockung und höheren Strafen. Abneigung gegen die Gängelung des Bürgers? Früher nannte man sowas 'Gesetz'. Landrat Martin Wolf bevorzugt Anreize. Herr Wolf: Wann kommt Ihre 'Baumerhaltungsprämie' – je dicker der Baum, desto größer die Summe? Die bislang nicht ausgesprochene Gießkannenidee ließe sich sinnvoll begrenzen und kanalisieren: Es soll die Gemeinschaft dem einzelnen Baumbesitzer mit einem Zuschuss helfen, wenn er eine zum Beispiel eine aufwändige Kronensicherung einbauen lassen muß, um den Baum im Sinne der Allgemeinheit zu erhalten.
3) Der Gemeinwohl-Gedanke des Baumerhalts strahlt auch aufs Baurecht aus. Bisher werden bei jedem Neubau sofort Stellplätze fürs Auto gefordert. Künftig sollte vor allem Platz für Bäume nachgewiesen und die Umsetzung kontrolliert werden. Außerdem: Schluss mit quasi automatischen Rodungen bei Grundstücks-Verkäufen und -Erschließungen. Wenn man nur will, kommen die Baufahrzeuge sehr wohl mit Bäumen am Grundstücksrand zurecht. So wohnt die Familie nicht jahrelang wie eine Ratte im voll einsehbaren und von praller Sonne überhitzten Versuchslabor, umringt von mickriger Architekten-Petersilie.
Auch Kommunen müssten hier umdenken und ihren Beitrag leisten, damit Bauprojekte nicht länger auf Kosten unsere pflanzlichen Klimaschützer gehen. Aktuelles Beispiel auf dem Foto: Der vitale, zirka 80 Jahre junge Bergahorn mit seiner prächtigen klimaschützenden Krone steht im Osten von Wolnzach und wird seit Jahren immer wieder durch Pläne für den Bau eines Radwegs bedroht. So ein Baum hat eine Lebenserwartung von 500 Jahren. Appell an die zuständigen Beamten und an die Grundstücksbesitzer seitlich der Straße nach Niederlauterbach: Beenden Sie alle miteinander beherzt das Ping-Pong-Spiel, erhalten Sie diesen wertvollen grünen Riesen bitte für uns und als Erbe für unser aller Nachkommen.
4) Haftungsrecht ändern: Sobald Bäume den Menschen um ein Mehrfaches überragen, kommt bei bestimmen Personen Angst ins Spiel. Im Wald gehören Astabbruch oder umkippende Bäume zu den 'waldtypischen Gefahren', der getroffene Spaziergänger bekommt in der Regel nichts. Auf freiem Feld oder im besiedelten Gebiet haftet der Eigentümer. Möge doch der Gesetzgeber aufgrund des Klimawandels die Haftung für Bäume abschaffen und die Rechtslage unter dem Motto 'allgemeines Lebensrisiko' vereinheitlichen!
Bei Sturm und Hagel zahlt die Elementar-Versicherung doch auch? Das derzeitige Haftungsrecht kostet vielen gesunden ausgewachsenen Bäumen das Leben. Vor allem bei Wasserwirtschafts- und Straßenverkehrsamt fallen Bäume gleich reihenweise, nur allein aufgrund ihrer Größe, die ja mit ökologischer Leistungskraft einhergeht. Ein Plakat 'Baumbesitz haftungsfrei stellen – rettet unsere besten Klimageräte!' auf der nächsten Demo fände ich toll.
5) Zu guter Letzt bin ich für den Aufbau von mehr Baumkompetenz in den Stadtverwaltungen und dazu passend eine aktive Öffentlichkeitsarbeit 'Pro Baum'. Dieser Aspekt gefällt mir an der Ingolstädter Aktion: Beratung zur passenden Art für den jeweiligen Standort. Eine solche Baumberatung vor allem auch zu Pflege und Erhalt müsste in jeder Kommune dauerhaft verfügbar sein, professionell, kostenlos, frei von Eigeninteressen, mit Organisation von Nachbarschaftshilfe beim Pflegen.
Und bevor die Motorsäge droht, könnte das bereits erfolgreich arbeitende Notruftelefon vom Baumnetzwerk des Bund Naturschutz angerufen und vor Ort kompetente Baumhelfer mobilisiert werden. In diese Richtung würden die Städte und Kommunen sinnvoll investieren und das schafft gleichzeitig noch Arbeitsplätze. Wer konkret etwas für die Klimawende tun will, gießt gnädig auch mal den dürstenden Straßenbaum vor der Tür. Und setzt sich öffentlich für die Rettung unserer Bäume ein."
Annette Hartmann, Geisenfeld
Mitglied Bund Naturschutz und Baumnetzwerk des Bund Naturschutz
Mitglied der BundesBürgerInitiative WaldSchutz
Freie Umwelt-Aktivistin
Beitrag, auf den sich dieser Leserbrief bezieht:
Klima-Aufstand in Pfaffenhofen
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