Die Corona-Krise bringt die Bewirtungs- und Beherbergungs-Branche in Not. Wir sprachen mit Sven Tweer, Pfaffenhofener Kreischef des Hotel- und Gaststätten-Verbands.
(ty) Vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen möglicherweise auch einige Hotels und Gaststätten im Landkreis wegen der massiven Einschränkungen, die dem Corona-Virus geschuldet sind. Vor einigen Tagen wiesen auch in der Kreisstadt viele Gastronomen bei der Aktion "Leere Stühle" auf dem Hauptplatz im stillen Protest auf ihre Situation hin. Ziel der bundesweiten Kampagne war es, Politik und Gesellschaft auf die extreme Lage aufmerksam zu machen. "Wir laufen Gefahr, einen großen Teil unserer ausgeprägten Gastro- und Hotel-Szene an den Virus zu verlieren – das fällt aber erst auf, wenn er nicht mehr da ist", warnt der Pfaffenhofener Hotelier Sven Tweer vom "Moosburger Hof" als hiesiger Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststätten-Verbands (Dehoga).
Nachdem zunächst das Öffnungs-Zeitfenster beschränkt worden sei, seien die Betriebe am 21. März auf einen Lieferservice reduziert worden, so Tweer. "Es gibt in der Gastronomie und Hotellerie keinen Nachhol-Effekt. Der Platz im Restaurant oder das Bett, das heute nicht verkauft ist, kann ich morgen nicht wieder verkaufen." Tweer zieht eine erste Corona-Krisen-Bilanz: "Hotels dürfen nur noch Reisende mit eindeutig wirtschaftlichem Interesse beherbergen. Durch Reisebeschränkungen der Firmen sind die Übernachtungszahlen auf fast null gesunken." Ausnahmen bildeten zwar Übernachtungen von Handwerkern, jedoch "auch nur im normalen Maße". Umsatz-Einbrüche bis zu 90 Prozent seien an der Tagesordnung.
"Liefer-Angebote machen auch nicht immer Sinn. So kommt es auch dazu, dass Betriebe gar keine Einnahmen mehr haben", weiß Tweer. "Wir wurden als nicht systemrelevant eingestuft, als erste geschlossen – und werden sicherlich als letzte vollständig öffnen dürfen." Wenngleich die bayerische Regierung bekanntlich auch diesbezüglich mittlerweile Lockerungen beschlossen beziehungsweise Termine dafür anvisiert hat – bis in der Gastronomie und in den Hotels im Freistaat wieder normaler, alltäglicher Betrieb herrscht, wird es wohl noch länger dauern. Lesen Sie dazu auch: Deutliche Lockerungen bei Corona-Beschränkungen in Bayern beschlossen
Gastronomie und Hotellerie hätten schon lange hohe Hygiene-Standards, unterstreicht Tweer. "Daher ist es auch kein Problem, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Tischreservierungen wie im österreichischen Modell ebenso wenig. Die Abstandsregeln können auch eingehalten werden." Problematisch sei es bei sehr kleinen Betrieben. "Hier sollte man auch dem Vorstoß der Stadt Pfaffenhofen folgen, ohne zusätzliche Kosten die Außenflächen erweitern zu können." (Pfaffenhofen: Gastro-Betriebe erhalten gratis zusätzliche Außen-Flächen)
Das Archivfoto zeigt Sven Tweer in seiner Küche im Hotel "Moosburger Hof".
Eine Lösung müsse außerdem noch für die Bars und Discotheken gefunden werden. "Ob das über eine Personenzahl-Beschränkung und eine Schließzeit-Regelung geregelt wird, sollten diese Betriebe selber erarbeiten", findet Tweer. "Da fehlt mir als Hotelier der konkrete Einblick."
Positiv sieht der Pfaffenhofener Dehoga-Kreischef das durch geänderte Einstiegs-Bedingungen auch der Gastronomie zugänglich gemachte Kurzarbeiter-Geld. "95 Prozent der sozialversicherungs-pflichtigen Mitarbeiter sind mittlerweile in Kurzarbeit, doch eine Kündigungswelle scheint jetzt anzulaufen." Die Arbeitslosenzahlen in der Branche seien im April um 208 Prozent höher ausgefallen – im Vergleich zum Vorjahres-Monat.
Zu bedenken gab Tweer vor einigen Tagen im Gespräch mit unserer Zeitung auch, dass Kurzarbeiter-Gelder in 85 Prozent aller Fälle bei den Betrieben noch nicht angekommen seien. "So mussten die Betriebe bereits den März sowie auch den April vorfinanzieren." Auch die Höhe des Kurzarbeiter-Geldes sei mit 60 Prozent sehr gering. "Daher wünschen wir uns einen früheren Termin zur Aufstockung als den von der Regierung verabschiedeten."
Soforthilfen seien von der Politik zwar versprochen worden, würden aber, bedingt durch die hohe Anzahl der Anträge und deren Bearbeitungszeit, nicht wirklich kurzfristig ausgezahlt. "Nachdem viele andere Branchen später schließen mussten und auch früher öffnen konnten, bedarf es weiterer finanzieller Unterstützung der Gastronomie durch den Staat", fordert Tweer. Einen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für die von der Corona-Krise finanziell gebeutelte Gastronomie bereits ins Gespräch gebrachten Rettungsfonds sieht er als dringend notwendig an, wenn die Einschränkungen noch länger andauern.
Kritisch steht Tweer zu der Möglichkeit, Steuern und Pachten zu stunden. "Hört sich im ersten Augenblick gut an", sagt er, "verschiebt aber die Zahlungs-Verpflichtungen lediglich um drei Monate nach hinten." Was dann folge, sei ein "Tsunami an Forderungen, der bedingt durch voraussichtlich zwei bis drei Monate Umsatz-Ausfall dann auch nicht bedienbar ist". Gestundete Pachten könnten obendrauf noch mit 8,12 Prozent verzinst werden. "Hier stellt sich die Frage, warum alle Kosten auch mit Verzinsung weiterberechnet werden dürfen, obwohl uns die Einnahmen von staatlicher Seite untersagt wurden."
Als längst überfällig stuft Tweer die – schon vor der Corona-Krise immer wieder geforderte – Reduzierung des Mehrwertsteuer-Satzes auf sieben Prozent bei Speisen ab dem 1. Juli ein. Im Wettbewerbs-Vergleich mit unseren Nachbarstaaten sei man dann gleichauf. Zum jetzigen Zeitpunkt sei das sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung – der Wermutstropfen dabei: "Betriebe die ausschließlich vom Getränke-Verkauf leben, wie Bars und Diskotheken, gehen hier leer aus." Eine Senkung der Steuer ab dem Tag der Öffnung hielte Tweer für den praktischeren Weg. "Dies hätte einen sofortigen Effekt. Doch bei einer Öffnung im Mai oder Juni dann erst noch 19 Prozent verlangen, das macht keinen Sinn."
Weitere Fragen werfe auf, warum die Steuer auf Getränke nicht ebenfalls gesenkt werde. "Wie wird ein Hotel-Frühstück demnächst zu versteuern sein?", fragt sich Tweer. "Der Grundsatz, die Nebenleistung folgt der Hauptleistung, wurde damals bei der Senkung der Logis-Besteuerung auf sieben Prozent schon ausgehebelt. Werden die Getränke zum Frühstück zukünftig extra veranschlagt, nur um die Steuer richtig zu berechnen?" Es werde einen extrem hohen Verwaltungs-Aufwand geben, der nicht in Relation stehe, prophezeit er. "Auch deshalb erscheint mir eine dauerhafte Senkung auf sieben Prozent für Speisen und Getränke sinnvoll."
Auch Katja Schillinger, die Betreiberin des "Café Flamingo" in der Kreisstadt (Katja Schillinger hat sich in Pfaffenhofen ihren Traum erfüllt), hatte an der "Leere Stühle"-Demo teilgenommen. "Für mich war es ein bewegender Moment. 120 leere Stühle, hinter manchen ein einzelner Gastronom. Als das Gruppenfoto gemacht wurde, herrschte eine Totenstille auf dem Hauptplatz", berichtet sie. "Gastronomie ist so vielfältig. Ob Boazn, Hotel, Café, Restaurant oder Disco – jeder Stuhl steht eben nicht nur für ein Lokal, sondern für Menschen, Existenzen und Arbeitnehmer." Die Passanten reagierten ihrem Eindruck nach sehr positiv auf die Protest-Aktion. "Sie haben viel Verständnis für die prekäre Lage der Gastronomie und fragen oft nach, wann es weitergeht." Die Unsicherheit, wie es weiter gehe, belaste.
Angestrebter Zeitplan
Das bayerische Kabinett hatte bekanntlich am 5. Mai beschlossen, dass eine schrittweise Öffnung der Gastronomie, Hotellerie und des Tourismus angestrebt werde. Für alle denkbaren Schritte gelten demnach aber strenge Auflagen, die insbesondere die Einschränkung von Öffnungszeiten, die Ausarbeitung von Hygiene-Konzepten durch die Betriebe, die Begrenzung von Gästezahlen und die Sicherstellung von Abstand umfassen. Die Gastronomie soll demnach schrittweise ab 18. Mai geöffnet werden – zunächst im Außenbereich (zum Beispiel Biergärten), Speisegaststätten im Innenbereich ab 25. Mai.
Das Pfingst-Wochenende (30. Mai) sei demnach der Zeitpunkt für eine mögliche Öffnung von Hotels (inklusive Ferienwohnungen und Camping) sowie weiterer Angebote im Tourismus – zum Beispiel Schlösser, Seen-Schifffahrt und Freizeitparks. Für die Öffnung von Hotels gelten den Angaben zufolge strenge Auflagen, die insbesondere umfassen: keine Öffnung von Angeboten mit gemeinschaftlicher Nutzung innerhalb von Hotels (insbesondere Wellness, Schwimmbad); verpflichtendes Hygieneschutz-Konzept wie in der Gastronomie; Verpflegung nur mit Abstand und begrenztem Einlass.