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Pfaffenhofener Kreistag hat einen System-Wechsel beschlossen: Die kontroverse und mitunter emotionale Debatte zum Nachlesen.

(zel) Im Landkreis Pfaffenhofen steht, wie bereits kurz gemeldet, eine grundlegende Änderung bei der Entsorgung bevor, die sämtliche Bürger betrifft. Der Kreistag hat in seiner gestrigen Sitzung mehrheitlich beschlossen, dass die gelbe Tonne eingeführt wird. Die wird dann alle zwei Wochen vor den Anwesen geleert und die Leute müssen keine gelben Säcke mehr zum Wertstoffhof schaffen. Weiterer praktischer Vorteil: Anders als beim bisherigen System mit dem gelben Sack, dürfen auch Dosen und Styropor in die gelbe Tonne. Das neue System kommt frühestens ab 2022, bis dahin bleibt wohl alles wie gewohnt. Das ist das Ergebnis einer kontroversen, langen und mitunter emotionalen Diskussion, die wir nachfolgend zusammenfassen.

Am Ende der ausführlichen Debatte, das noch vorweg, votierten sämtliche Kreisräte der bunten Koalition – Freie Wähler, SPD, Grüne, Bürgerliste und ÖDP – für die Einführung der gelben Tonne im Hol-System und damit für die Abschaffung der gelben Säcke im Bring-System. Ebenfalls für diese Änderung stimmten die beiden FDP-Kreisräte Thomas Neudert und Franz Niedermayr sowie Andreas Aichele und Fabian Flössler von der CSU. Sämtliche übrigen Christsozialen sowie die gesamte AfD-Fraktion waren dagegen. Allerdings erfolgten die Gegenstimmen nicht wegen einer grundsätzlichen Ablehnung der gelben Tonne.

Der Großteil der CSU-Fraktion um ihren Sprecher Martin Rohrmann sowie die Kreisräte der "Alternative für Deutschland" um Claus Staudhammer hätten gerne eine Befragung sämtlicher Landkreis-Bürger gesehen. Weil aber der Beschluss-Vorschlag für die Kreistag-Sitzung – auf Empfehlung des Werk-Ausschusses hin – vorsah, dass zunächst über die direkte Einführung der gelben Tonne (und erst danach über andere Optionen) abgestimmt wird, sahen sich die Oppositionellen, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen, dazu gezwungen, gegen die Einführung der gelben Tonne zu votieren. Notiz am Rande: Anton Westner (CSU) hatte im Werk-Ausschuss maßgeblich mitgeredet und sich letztlich auch durchgesetzt, als es um die genaue Ausformulierung eben jener Empfehlung an den Kreistag gegangen war.

Die der Abstimmung vorangegangene Debatte im Kreistag brachte in der Sache eigentlich nichts Neues, aber den einen oder anderen Aufreger – und vielleicht manche Äußerung, die man dem politischen Gegner später mal um die Ohren hauen kann. So verteidigte CSU-Fraktions-Chef Rohrmann die Forderung nach einer landkreisweiten Abstimmung, indem er proklamierte: "Der Blick ist alleine auf den Bürger zu richten." Um zwei Sätze später – nachdem er darauf hingewiesen hatte, dass gerade der umwelt-politische Aspekt zu beachten sei – zu befinden: "Der Bürger muss erzogen werden." 

SPD-Kreischef Markus Käser entgegnete: Wenn man die Bürger in den Fokus rücke, dann hätten diese eben das beste und effizienteste System verdient. Und wer als Bürger-Vertreter in diesem Fall noch eine Bürger-Befragung brauche, der sei kein Bürger-Vertreter. Manfred Russer (CSU), der ehemalige Bürgermeister von Hohenwart, räumte ein, dass vordergründig vieles für die gelbe Tonne spreche, warb aber für eine Bürger-Befragung und wandte sich gegen eine "aufgezwungene ad-hoc-Entscheidung". Und überhaupt, so überspitze er: Wolle man dann künftig auch das Grüngut bei den Leuten abholen?

 

Josef Robin (AfD) sagte ebenfalls, dass vieles für die gelbe Tonne spreche. Doch diese Frage betreffe alle Bürger und sei somit im Zuge einer Bürger-Befragung zu beantworten. "Befreien Sie sich von den Fesseln der bunten Koalition", appellierte er an die Gegenseite. Max Hechinger erklärte für die Freien Wähler, dass man sich intensiv mit dem Thema befasst habe und eine Befragung der Bürger hier nicht für sinnvoll halte. Er verwies auf die klaren gesetzlichen Vorgaben, denen man Rechnung tragen sollte. "Ich sehe keine Wahlmöglichkeit", fasste er mit Verweis auf die schwache Recycling-Quote im Landkreis zusammen: Es sei "höchste Zeit" für die gelbe Tonne.

CSU-Kreischef Karl Straub, der auch im bayerischen Landtag sitzt, sagte, dass man keine Schärfe in dieser Diskussion brauche. Er verwies auf Wünsche der bunten Koalition in Sachen Bürger-Beteiligung, bei deren Umsetzung er die Kosten-Nutzen-Frage skeptisch sieht. Aber, so sein Eindruck, das bunte Bündnis wolle offenbar die Bürger nur dann befragen, wenn das Ergebnis passe. Roland Dörfler (Grüne) erklärte dagegen, dass eine Beteiligung der Bürger lediglich dann sinnvoll sei, wenn es Gestaltungs-Spielraum gebe – den sehe er hier aber nicht. Eine Bürger-Befragung würde das Ganze nur verzögern, sagte er sinngemäß – und am Ende führe man die gelbe Tonne doch ein.

Reinhard Heinrich (CSU), der ehemalige Bürgermeister von Reichertshausen, sprach von einer "paradoxen" und "komischen" Diskussion. Eigentlich wollten doch alle das gleiche, es gehe nur um den Termin der Beschlussfassung und um eine Bürger-Befragung. Außerdem habe man noch mehr als ein Jahr Zeit. Es gehe ausschließlich darum, dass der Bürger verstehe, worum es hier gehe. Die später noch auf der Tagesordnung stehenden Anträge der bunten Koalition zu Transparenz und Bürger-Beteiligung würden vor diesem Hintergrund zur Farce, wetterte er. "Wir dürfen den Bürger nicht entmündigen. Nehmen wir ihn mit. Nehmen wir ihn ernst."

Michael Franken (Bürgerliste), Rathauschef von Reichertshofen, bezeichnete es als richtig, die gelbe Tonne einzuführen. In einer repräsentativen Demokratie könne man eine solche Entscheidung aufgrund der Faktenlage treffen, erklärte er sinngemäß. Es gehe hier um eine Frage von "ökologischer und ökonomischer Vernunft". Es sei nicht sinnvoll, 100 000 Euro für eine Bürger-Befragung auszugeben, wenn die Faktenlage eindeutig sei. Martin Schmidt (SPD), Bürgermeister-Kollege aus Vohburg, zeigte sich zumindest offen für eine Telefon-Umfrage und meinte, man solle nicht über die 70 Prozent hinweggehen, die sich bei der Abstimmung vor sechs Jahren für die Beibehaltung des gelben Sacks ausgesprochen hatten.

Claus Staudhammer (AfD) bekräftigte, der Bürger müsse entscheiden können, ob der gelbe Sack oder die gelbe Tonne für ihn praktikabler sei. Und man müsse die Leute darüber informieren, was in den gelbe Sack und was in die gelbe Tonne gegeben werden dürfe. Birgid Neumayr (CSU) aus Manching befürchtete vor dem Hintergrund, dass es keinen Zwang zur Nutzung der gelben Tonne gibt, dass möglicherweise Verpackungs-Abfall in der Natur landet. Landrat Albert Gürtner (FW) verwies daraufhin auf die Erfahrungen aus anderen Kreisen, in denen sich durch die Einführung der gelben Tonne das gesammelte Volumen bei den entsprechenden Stoffen mehr als verdoppelt habe. 

Thomas Herker (SPD), Bürgermeister von Pfaffenhofen, zeigte sich genervt bis gelangweilt von den Einlassungen der Gelbe-Tonne-Gegner. "Den Schmarrn höre ich mir seit 13 Jahren an." Die Situation sei zudem heute ganz anders, als bei der besagten Bürger-Abstimmung im Jahre 2014. Damals habe im Raum gestanden, dass es bei der Einführung der gelben Tonne für die Bürger teurer würde. Herker warb jedenfalls unmissverständlich für die gelbe Tonne, und zwar "aus ökologischen, sozialen und rechtlichen Gründen". Er wandte sich ferner gegen "Schein-Scharmützel, wo die CSU plötzlich für Bürger-Beteiligung eintritt". Diese Diskussion sei "für die Tonne".

 

Thomas Neudert (FDP) bescheinigte der gelben Tonne einen "Mehrwert" und zeigte sich außerdem skeptisch, wie man die geforderte Recycling-Quote mit dem gelben Sack überhaupt erreichen wolle. Vor diesem Hintergrund sei auch eine Bürger-Befragung schwierig, legte er sinngemäß dar. Landrat Gürtner spitzte zu und attestierte dem Kreis Pfaffenhofen, mit seiner geringen Recycling-Quote gegen das Verpackungs-Gesetz zu verstoßen. Möge man jetzt die Bürger befragen, ob man weiterhin dagegen verstoßen wolle? Abgesehen davon müsste man seiner Meinung nach dann zu jedem Tagesordnungspunkt einen Bürgerentscheid abhalten.

Zahlreiche wichtige Fragen und Antworten sowie weitere Hintergründe, jede Menge Zahlen und Fakten zum Thema "Gelber Sack oder gelbe Tonne?" hatten wir vorab bereits in einem ausführlichen Beitrag zusammengestellt. Diesen Artikel finden Sie hier: Kommt im Kreis Pfaffenhofen die gelbe Tonne? Das sollten Sie dazu wissen


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