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SPD-Kreischef Käser fordert, dass die 6000 Jahre alten und laut einem Experten herausragenden Funde von Singenbach in einem hiesigen Museum präsentiert werden und nicht in einem Depot zum zweiten Mal in der Versenkung verschwinden

Von Tobias Zell

Auf den ersten Blick sind es ein paar Scherben. Ausgebuddelt im Jahr 2011 im Neubaugebiet von Singenbach bei Gerolsbach. Doch was da zu Tage gekommen ist, lässt so manchen Fachmann aufhorchen, ja mitunter jubeln. Denn die Funde gelten als Beleg für die bislang älteste bekannte Besiedlung der Hallertau. Wir sprechen von der so genannten Münchshöfener Kultur, geschichtlich zu verorten in der Jungsteinzeit, zwischen 4500 und 4000 vor Christi Geburt. Funde also, die Aufschluss geben können über die frühe Besiedlung der Hallertau, und Entdeckungen, von denen man sich Erkenntnisse darüber erhofft, wie er denn gelebt hat, der Ur-Hallertauer. Der Ingolstädter Archäologe Daniel Meixner, Experte für die Münchshöfener Kultur, bescheinigt den Funden „herausragende regional- und landesgeschichtliche Bedeutung“ und attestiert ihnen gar eine „Schlüsselstellung“.

Und genau deshalb schlägt der Pfaffenhofener SPD-Kreischef Markus Käser Alarm: Er will verhindern, dass die Funde in einem Lager verschwinden, einsortiert werden in einem Depot, zwischen tausenden anderen Scherben und Fundstücken und fein säuberlich nummeriert der Öffentlichkeit verborgen bleiben. „Nicht zuletzt, weil die Ausgrabung aus Steuermitteln bezahlt wurde, sollten die Funde nicht erneut in der Versenkung verschwinden, sondern für den Schulunterricht aufbereitet und zusammen mit den Wolnzacher Fundstücken identitätsstiftend in einem unserer Museen präsentiert werden“, fordert Käser. „Wir wollen etwas über unsere Vorfahren lernen.“

Fachliche Schützenhilfe bekommt Käser von seinem Ingolstädter Parteifreund Daniel Meixner. Der ist von Beruf Archäologe und beschäftigt sich intensiv mit der Münchshöfener Kultur. Für den Experten sind die 2011 im Neubaugebiet von Singenbach gemachten Funde „von herausragender regional- und landesgeschichtlicher Bedeutung“, wie er gegenüber unserer Zeitung sagt.

Die Funde und Befunde zeigen nämlich laut Meixner die älteste bäuerliche Besiedlung der Hallertau an. „Bislang war man davon ausgegangen, dass eine dauerhafte Siedlungstätigkeit erst einige Jahrtausende später einsetzt.“ Die in Singenbach ans Tageslicht gekommenen Überreste sprächen aber für eine dörfliche Ansiedlung mit mehreren festen Häusern. Es sei somit davon auszugehen, dass Siedler aus dem Donautal sich hier planmäßig niederließen, den bis dahin vorherrschenden Urwald rodeten und eine menschenleere Landschaft urbar machten. „Man kann sich das vorstellen, wie bei den Pionieren im Wilden Westen, nur ohne Indianer“, verdeutlicht Meixner. „Es geht also um die Anfänge der bäuerlichen Kulturlandschaft Hallertau – weiße Flecken auf der archäologischen Landkarte füllen sich langsam mit Farbe.“

Die Funde von Singenbach sind nach Einschätzung von Meixner aber auch aufgrund ihrer Qualität, der Zusammensetzung und nicht zuletzt wegen ihrer hervorragenden Erhaltung „bayernweit einzigartig“. Herausragend sei dabei ein Fundkomplex, der sich aus mehreren im Boden zerdrückten, aber vollständigen Gefäßen, einem Steinbeil, zwei Silexpfeilspitzen und zwei Silexmessern zusammensetzt. „Spuren eines Pyritsteins, mit dem man Funken schlagen konnte, deuten auf ein Feuerzeug hin.“

Was war in den Gefäßen?

Die vollständigen Gefäße haben nach den Worten von Meixner einen Service-Charakter für Flüssiges – Flasche, Schale, Becher. „Falls Bodenproben vom Gefäßinhalt genommen wurden, könnte man eventuell sogar herausbekommen, was in den Gefäßen war.“

Es handle sich, so Meixner weiter, bei diesem Fundensemble offensichtlich nicht um den sonst üblichen Siedlungsabfall, sondern um eine bewusste Deponierung von intakten Gegenständen im Boden. „Das Keramikservice und die Werkzeuge lassen an ein Beigaben-Ensemble für eine Bestattung denken, obwohl keinerlei menschliche Skelettreste angetroffen wurden.“ Allerdings hätten sich im kalkarmen Boden Knochenreste auch sehr schnell zersetzt. Das wäre spektakulär. „Reguläre Gräber sind innerhalb der Münchshöfener Kultur bislang extrem selten“, weiß Meixner.

„Ein Fundkomplex wie in Singenbach ist daher bayernweit einzigartig und wissenschaftlich von größter Bedeutung“, lautet das Fazit von Meixner. „Im großen Mosaik der Archäologie nehmen diese Funde eine Schlüsselstellung ein.“ Für SPD-Kreischef Käser ist deshalb klar: Die Funde gehören in ein Museum im Kreis Pfaffenhofen und nicht in ein Depot in München. „Hier liegt ein Fall von mangelndem Geschichtsbewusstsein vor“, schimpft er. Es hätte seiner Meinung nach niemals passieren dürfen, „dass Funde einer über 6000 Jahre alten Siedlung aus der Jungsteinzeit bei Gerolsbach ohne große Würdigung an die Archäologische Staatsammlung in München übergeben wurden. Da hätte sich der Landkreis einschalten müssen.“ Ausstellungsmöglichkeiten ließen sich „sicher in einem unserer beiden Museen dafür schaffen“.

"Keine Pseudo-Tourismus-Aktionen"

Käser nutzte und nutzt auch die durch den Wahlkampf entstandene Aufmerksamkeit – am Sonntag ist bekanntlich Kreistagswahl –, um den Blick zu lenken auf diese Funde, deren Bedeutung und die Sichtweise seiner Partei. Denn im Handlungsfeld Heimatpflege und Tourismus grenze sich die SPD klar von der Linie im Landratsamt ab, unterstreicht er. „Wir wollen die Schaffung und den Erhalt ökologisch und sozial sinnvoller Naherholungsgebiete und Spielplätze für unsere Bevölkerung und keine Pseudo-Tourismus-Aktionismus“, sagt Käser. Und mit Blick auf die Funde von Singenbach betont er: „Das Leben dieser Ur-Hallertauer genauer zu erforschen und unserer Bevölkerung, und vor allem unseren Kindern, identitätsstiftend zu vermitteln, erachten wir als eine Aufgabe des Landkreises.“ Will sagen: „Statt das Geld in Tourismusmessen zu stecken, wollen wir lieber in unsere Hallertauer Identität und Tradition investieren.“

Wahlkampf hin oder her. Käser ist fasziniert von den Singenbacher Funden und der Münchshöfener Kultur. „Die Menschen dieser Zeit haben unter anderem als erste eine Raute verwendet um sich kulturell eigenständig abzugrenzen“, hat er in Erfahrung gebracht. Und just aus dieser Raute habe sich wohl die spätere Bayernraute abgeleitet. 


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