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Die DGB-Veranstaltung zum 1. Mai in Pfaffenhofen war schwach besucht und durfte nicht zu lange dauern – als Redner war Marco Patuzzi gekommen, für den Lacher sorgte aber Roland Dörfler

Die Rede von Mario Patuzzi zum Anhören

Von Tobias Zell

Zieht man die Politiker ab, dann waren die Musiker von der Stadtkapelle im Vergleich zu den Otto-Normal-Zuhörern fast in der Überzahl. Nein, gut besucht, war die Veranstaltung des DGB in Pfaffenhofen zum 1. Mai heute wahrlich nicht. Das durchwachsene Vormittags-Wetter mag vielleicht eine Rolle gespielt haben – aber die Veranstaltung war ja deshalb sogar kurzfristig vom Sparkassenplatz in den Rathaus-Festsaal verlegt worden. Vermutlich blieben aber viele einfach gleich daheim oder gingen direkt zu den Maibäumen.

Als Redner war Mario Patuzzi vom DGB Bayern (Abteilung Bildung, Forschung, Technologie) in die Kreisstadt gekommen, der einen klar strukturierten und interessanten, aber für einen 1. Mai doch eher unemotionalen Vortrag bot. Für Emotionen, nämlich für herzliche Lacher, sorgte indes DGB-Kreischef Roland Dörfler, der sein Handy nicht ausgeschaltet hatte, als er am Rednerpult stand. Und so bekamen die Gäste notgedrungen eine Kostprobe seines ungewöhnlichen Klingeltons – Blasmusik vom Feinsten. Und weil es dann eh schon egal war, ging Dörfler auch noch kurz ran.

Lustige Unterbrechung: DGB-Kreischef Roland Dörfler hatte vergessen, sein Handy auszuschalten, bevor er ans Rednerpult ging. 

Dörfler, der als Pfaffenhofener Grünen-Stadtrat kurz zuvor einen Steinwurf entfernt noch den Koalitionsvertrag zur Fortsetzung des bunten Bündnisses unterzeichnet hatte, kam dann auch erst einmal darauf zu sprechen. Er lobte die Arbeit der bunten Koalition in den vergangenen sechs Jahren: Man habe qualifizierte Arbeitsplätze nach Pfaffenhofen geholt; erstmals in der Geschichte verzeichne man mehr Einpendler als Auspendler und die regionale Wertschöpfung sei erhöht worden.

„Die Kommune ist der Motor der Wirtschaft“, betonte der DGB-Kreisvorsitzende. Und Minijobs seien kein Ersatz für sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Um hier ein Zeichen zu setzen und mit gutem Beispiel voranzugehen, sollen in Pfaffenhofen die Reinigungsdienstleistungen rekommunalisiert werden, sagte der designierte Dritte Bürgermeister. 

Kurzes Grußwort von Bürgermeister Thomas Herker vor überschaubarer Besucherzahl.

Bürgermeister Thomas Herker (SPD) sprach ein kurzes Grußwort, ehe er sich dann bald auf seine Maibaum-Tour durch die Ortsteile verabschiedete – und überhaupt war etwas Eile geboten, denn im Festsaal des Rathauses stand um 11.30 Uhr eine Trauung an; bis dahin musste die DGB-Veranstaltung zum 1. Mai beendet sein. Die Zahl der Musikstücke, die die Stadtkapelle zum Besten geben durfte, war dann überschaubar. Aber zum Absingen des traditionellen „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ war dann am Schluss schon noch Zeit, ehe die Indoor-Maikundgebung bei einem Bierchen ausklang.

Redner Patuzzi zeigte sich zuvor in seinen Ausführungen stolz, dass es den Gewerkschaften gelungen sei, den Mindestlohn durchzusetzen, und sprach von einem arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Meilenstein. „Denn über eine Million Menschen arbeiten in Bayern bisher für weniger als 8,50 Euro in der Stunde.“ Der Mindestlohn helfe dieser Million Menschen; und das könne man von keinem Gesetz der vergangenen Jahre sagen.

Deshalb werde man aufpassen, dass im Gesetzgebungsverfahren nicht durch die Hintertür wieder Löcher in den Mindestlohn gerissen werden, so Patuzzi. Die Verleger-Lobby wolle zum Beispiel Ausnahmen für Unter-18-Jährige, damit Schüler auch weiterhin die zahllosen Werbeblättchen zu Billiglöhnen austragen dürften. Ähnliche Bestrebungen gebe es für Subunternehmen und Werkverträge. „Unsere Ansage ist klar“, betonte Patuzzi: „Der Mindestlohn braucht keine Ausnahmen.“ Er müsse allgemein verständlich, klar und so einfach sein, dass er sogar vom Arbeitgeber verstanden werde. 

Musiker der Stadtkapelle sorgten für die musikalische Umrahmung – wenngleich Eile geboten war.

Zugleich forderte der DGB-Vertreter eine „neue Ordnung in der Arbeit“. Es gelte, den Missbrauch von Arbeitsverhältnissen zu stoppen. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ müsse gelten. Arbeit müsse sozial abgesichert sein, das gelte zuallererst für Minijobs. Und die sachgrundlose Befristung brauche es gar nicht – damit würden es sich die Arbeitgeber leicht machen.

„Arbeit darf nicht krank machen“, betonte Patuzzi. Die psychische Belastung in vielen Betrieben nehme dramatisch zu. Immer mehr Beschäftigte seien auch am Feiertag und Wochenende, in den Ferien oder nach Dienstschluss erreichbar. Feste Arbeitszeiten stünden für viele nur noch auf dem Papier.

Patuzzi macht sich deshalb für eine neue Arbeitszeit-Debatte stark. Für ihn bedeutet das zum einen, eine Diskussion zu führen über Wochenarbeitszeit, Erreichbarkeit und die Gestaltung von Freiräumen für Kindererziehung, Weiterbildung, Pflege oder Sabbaticals – zum anderen sieht er dringenden Bedarf an einer vernunftorientierten Diskussion über die Lebensarbeitszeit.

Die Schulden- und Finanzmarktkrise in Europa habe als Bankenkrise begonnen – und sie sei es im Grunde heute noch, sagte Patuzzi. Die Staatsschuldenkrise in Südeuropa sei eine Folge dieser Bankenkrise und treffe die einfachen Menschen. „Wir alle bezahlen den Preis für die Rettung der Guthaben der Reichen in dieser Bankenkrise.“ Die Auswirkungen dieser so genannten Krisenbewältigung sehe und lese man kaum in deutschen Medien. Nämlich, dass Streiks in Griechenland verboten seien und durch Polizeieinsatz aufgelöst würden. Dass in Spanien Haustarifverträge Vorrang bekämen gegenüber Flächentarifverträgen. Dass in Portugal und Italien jetzt von Flächentarifverträgen abgewichen werden dürfe. Und dass in Portugal und Spanien weit über die Hälfte aller Beschäftigten aus der Tarifbindung herausgefallen seien. Die Folge sei, dass die Reallöhne in diesen Ländern massiv gesunken seien und die Bevölkerung im Süden Europas verarme.

„Wir brauchen eine Alternative zu dieser Irrfahrt, die mit uns seit Jahren veranstaltet wird“, forderte Patuzzi. Die Gewerkschaften hätten diese Alternative – in Form eines Marshallplans für Europa. Statt Europa weiter und immer tiefer in die Krise zu sparen, müsse für mehr Wachstum und gute Arbeit gesorgt werden. Der Weg sei einfach, so Patuzzi: Dafür müsse man investieren. Geld sei ausreichend vorhanden; in Form von Billionen an privatem Geldvermögen, das nach Möglichkeiten zum Anlegen suche. Statt am Finanzmarkt zu spekulieren könnten Sparer und Versicherungen seiner Meinung nach ihr Geld in einen Zukunftsfonds stecken, dafür Zinsen erhalten und gleichzeitig sinnvolle Investitionen finanzieren – in die Energiewende, in bessere Aus- und Weiterbildung, in regionale Strukturpolitik, Wissenschaft und Forschung.

Mit einem solchen Marshallplan „könnte aus Europa tatsächlich noch was werden“, betonte Patuzzi – und zwar seiner Ansicht nach ein soziales Europa, das Arbeitnehmerrechte schützt, Mitbestimmung und Tarifautonomie respektiert, gute Arbeit und soziale Sicherheit fördert sowie in intelligentes Wachstum investiert. „Dann wird Europa wieder attraktiv und sexy“, sagte Patuzzi, ehe er abschließend für die Europawahl am 25. Mai warb. Es gehe darum, durch seine Stimmabgabe das EU-Parlament zu stärken.

Weiterer Beitrag zum Thema:

"Arbeit darf nicht krank machen"


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