Weihbischof Losinger bei der heutigen Karfreitags-Liturgie im Augsburger Dom: Unmenschlichkeit ist keine Eigenschaft der Vergangenheit.
(ty/pba) Es ist nur eine kurze Szene, aber mehr als eine Randnotiz: Jesus steht mit Purpurmantel und Dornenkrone vor Pontius Pilatus am Beginn seines Kreuzwegs. Für Weihbischof Anton Losinger gehört das "Ecce homo" ("Seht den Menschen") des römischen Statthalters, das dieser an die wütende Menschenmenge richtete, zu den "bewegendsten Augenblicken" der Passions-Geschichte, wie er in seiner Karfreitags-Predigt im Hohen Dom von Augsburg hervorhob. Ein Augenblick, der für ihn bis heute nachwirkt.
Denn auf der einen Seite stecke für Losinger in diesem Ausspruch und damit in der Gestalt Jesu "das ultimative Signal der Liebe Gottes zu den Menschen". Andererseits zeige es aber auch, wozu der Mensch bis heute fähig sei, wenn es um den Schutz von Würde und Lebensrecht der menschlichen Person gehe. Diesbezüglich sprach er von der "fortlaufenden Verletzung und Kreuzigung des Menschen durch den Menschen". Mit Blick auf das Philosophieren über das christliche Abendland und die Beschwörung einer Werteordnung Europas gab der Weihbischof kritisch zu bedenken: "Wenn wir Demokratie und Rechtstaat, Humanität und Menschenrechte in Anschlag bringen, dann müssen wir uns gerade heute, 2000 Jahre nach Christus, schon fragen lassen: Was trägt uns? Was haben wir dazugelernt? Welches Menschenbild leitet uns?"
Denn dass es sich bei Unmenschlichkeit um keine Eigenschaft der Vergangenheit handle, liege für ihn auf der Hand. Oder wie er es ausdrückte: "Die fünf Finger einer Hand reichen ja gar nicht aus, um all die Untiefen anzuzeigen, die den Karfreitag des Jahres 2023 ausmachen. Die Kreuzigung des Menschen durch den Menschen geht ja weiter!" Als Beispiele hierfür nannte er den Krieg in der Ukraine mit seinen "ungeheueren Menschenrechts-Verletzungen", die Flüchtlingsströme, die nicht selten durch die Verfolgung von Christen ausgelöst würden – und zuletzt die Tötung von Minderjährigen durch Gleichaltrige hierzulande. Inmitten dieser dramatischen Ereignisse werde am Karfreitag in der Gestalt des Leidesmannes, der das ultimative Maß der Menschenfreundlichkeit und Liebe Gottes ist, ein neues Menschenbild aufgerichtet, so Losinger. "Seht den erlösten Menschen, wozu er fähig ist und wozu er in den Augen Gottes berufen ist."
Die komplette Predigt ist unter diesem Link abrufbar. Musikalisch gestaltet wurde die heute Karfreitags-Liturgie im Augsburger Dom vom Kammerchor der Domsingknaben unter der Leitung von Domkapellmeister Stefan Steinemann sowie dem Domchor, der von Domorganistin Claudia Waßner dirigiert wurde. Die Johannes-Passion von Hermann Schroeder wurde vorgetragen im Zusammenspiel von Solisten und Domchor. Zudem sangen die Domsingknaben verschiedene Passions-Motetten, unter anderem das "Miserere" von Gregorio Allegri (1582-1652).
Nach der gesungenen Passion, den Großen Fürbitten, der Erhebung und Verehrung des Kreuzes sowie der Kommunion-Spendung zog Bischof Bertram Meier, das Oberhaupt des Bistums Augsburg – zu dem auch Teile des Landkreises Pfaffenhofen gehören – mit der verschleierten Monstranz in seinen Händen zum Heiligen Grab, das heuer wieder in der Marienkapelle aufgebaut war. Dort betete er gemeinsam mit den Weihbischöfen, dem Domkapitel, Priestern und Diakonen sowie den Rittern vom Heiligen Grab zu Jerusalem vor dem ausgesetzten Allerheiligsten.
Die Feier vom Leiden und Sterben Jesu aus dem Augsburger Dom wurde live im regionalen Fernsehen auf a.tv und allgäu.tv übertragen. Auch die Osternacht am morgigen Karsamstag, 8. April, wird ab 21.30 Uhr auf diesen beiden Fernseh-Sendern sowie auf der Internet-Seite des Bistums unter https://bistum-augsburg.de zu sehen sein.