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Vor der heutigen Stadtratssitzung, in der es um die Frage nach der Archivierungsdauer der Aufzeichnung aus dem Stadtrat ging, erhielt CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann eine bemerkenswerte E-Mail, die er nun juristisch prüfen lassen will

Von Tobias Zell 

Es ist eine auf den ersten Blick durchaus unterhaltsame E-Mail, die CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann da gestern erreicht hat. Doch Rohrmann, selbst Anwalt, will diese Nachricht juristisch prüfen lassen, wie er heute im Pfaffenhofener Stadtrat betonte. „Wir nehmen das Ganze ernst“, sagte er, auch wenn sich der Inhalt dieser elektronischen Post unterhaltsam oder satirisch liest. 

Worum es geht: Durch die längerfristige Archivierung der Video-Aufzeichnungen der Pfaffenhofener Stadtratssitzungen – beschlossen wurden heute rund vier Monate – sieht der Absender der E-Mail, der sich selbst nur „H. I.“ nennt, sein „Geschäftsmodell“ bedroht. Er generiert sich nämlich nach eigenen Angaben mit der Aufzeichnung und deren Verkauf „einen kleinen Zuverdienst“. Und diese Einnahmequelle droht freilich durch die Einführung eines solchen Archivs zu versiegen. Dazu muss man wissen: Bislang waren die Aufzeichnungen immer nur eine Woche nach der Sitzung im Internet abrufbar.

Hier die besagte E-Mail im Originalwortlaut:

„Sehr geehrter CSU-Stadtrat,

mit Schrecken habe ich gelesen, dass morgen bei der Stadtratssitzung ein Archiv für die aufgezeichneten Sitzungen zur Diskussion steht. Scheinbar sind alle Fraktionen für eine Speicherfrist von einem Jahr oder sogar darüber hinaus. Da ich ebenfalls gelesen habe, dass die CSU als einzige Fraktion gegen eine solche Speicherdauer ist, wollte ich Sie in dieser Entscheidung bekräftigen.

Ich muss gestehen, dass meine Bitte, ein Archiv abzulehnen, nicht ganz uneigennützig ist. Denn momentan mache ich mir einen kleinen Zuverdienst mit der Aufzeichnung und dem Verkauf der Stadtratssitzungen an bestimmte Politiker, Presse und Privatleute. Diese kleine Einnahmequelle sehe ich mit einem Archiv bedroht. 

Sollte einem einjährigen Archiv zugestimmt werden, müsste ich meine eh schon niedrigen Preise nach unten anpassen. Einem Archiv auf unbestimmte Zeit, wie es der Genosse Käser fordert, würde sogar das Aus für mein Geschäftsmodell bedeuten.

Wenn Sie also bitte dem allgemeinen Trend auf Vergessen (siehe Gerichtsurteil das Google zum Löschen zwingt) folgen, dann wäre ich Ihnen sehr dankbar. 

Mit freundlichen Grüßen


H. I.“ 

Ist diese E-Mail nun Spaß oder Ernst? Auch wenn man, zugegeben, unweigerlich zu ersterem tendiert, für die CSU ist das nicht zwingend ein Gag. Das liegt wohl auch daran, dass man bei den Christsozialen ohnehin Bauchweh hat bei dem Gedanken, dass die Aufzeichnungen des Live-Streams aus den Sitzungen künftig länger im Internet abrufbar bleiben als bisher. Im Stadtrat heute wollte sich die CSU-Fraktion dann auch weder auf den ersten Vorschlag der zwölfmonatigen Archivierung, noch auf den zweiten Vorschlag von SPD-Fraktionschef Käser (vier Monate) einlassen und stimmte geschlossen dagegen. 

Rohrmann erklärt in der Sitzung, es sei ihm noch nicht gelungen, in seiner Fraktion Einigkeit herzustellen, und bat deshalb darum, die Abstimmung über die Dauer der Archivierung noch einmal zu vertagen. Bereits in der letzten Sitzung stand das Thema auf der Tagesordnung und wurde auf Betreiben der Christsozialen vertagt, weil die einer längeren Archivierung nicht aus dem Stand zustimmen wollten.

Rohrmann bat aber nun heute um einen erneuten Aufschub: Um sich innerhalb der Fraktion einigen und bis dahin auch die Sache mit der E-Mail juristisch prüfen lassen zu können. 

Damit stieß er indes auf wenig Verständnis. Manfred „Mensch“ Mayer (GfG) zeigte sich „überrascht“, dass man sich von einer Mail auseinanderdividieren lasse und jetzt noch mehr Überlegungszeit brauche. Und Käser fand, dass diese E-Mail mit der zur Abstimmung stehenden Fragestellung – über die Dauer der Archivierung – „überhaupt nichts zu tun“ habe. Am Sachverhalt ändere das nichts, so Käser.

Rohrmann verteidigte indes seinen Antrag auf Verschiebung der Entscheidung und wollte seine Fraktion nicht in eine Ecke gedrängt sehen. Für die Vertagung der Entscheidung war dann aber nur die CSU selbst. Und so wurde abgestimmt. Dass der Live-Stream aus den Ratssitzungen fortgesetzt werden soll, darüber herrschte noch Einigkeit. Anders sah es bei der Abstimmung über die Dauer der Archivierung aus.

„Wenn es zwölf Monate sind, werden wir uns Rausschneiden lassen“, kündigte Rohrmann für die CSU schon vor der Abstimmung an und nahm damit Bezug auf die Erklärung von Bürgermeister Thomas Herker (SPD) zu der praktischen Umsetzung. Wer mit der beschlossenen Dauer der Archivierung nicht einverstanden ist, dessen Beiträge werden aus der Video-Aufzeichnung herausgeschnitten bzw. unkenntlich und unhörbar gemacht.

Käser nahm angesichts drohender Lücken in der Aufzeichnung noch einen Anlauf und brachte statt der von ihm zunächst geforderten Archivierung für zwölf Monate eine Archivierung von der Dauer ins Spiel, dass immer jeweils die vergangenen vier Sitzungen im Internet abrufbar sind. Aber auch hier votierten die Christsozialen geschlossen dagegen – weshalb die Beiträge der CSU-Stadträte künftig also tatsächlich aus den Aufzeichnungen herausgenommen werden müssen.

Rohrmann erklärte nach der Sitzung gegenüber unserer Zeitung, dass seine Fraktion selbstverständlich an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sei. Natürlich gibt es auch ein seltsames Bild ab, wenn den Aufzeichnungen keine Beiträge der CSU zu entnehmen sind. Doch Rohrmann betont, ihm gehe es darum, einen Lösung zu finden, hinter der in seiner Fraktion alle stehen. Und das ist ihm bislang offensichtlich nicht gelungen.

Die Pfaffenhofener Piratenpartei hat sich indes bereits süffisant zu Wort gemeldet: "Wenn die CSU ein paar Tipps und Tricks statt verschwörerische E-Mails haben möchte, dürfen sie sich gerne bei uns melden. Wir helfen gerne rechtliche Rahmenbedingungen, die Vorteile eines Archivs oder auch das gesamte Internet anschaulich zu erklären."

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