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Die Video-Aufzeichnungen der Pfaffenhofener Stadtratssitzungen sind künftig je vier Monate lang im Internet abrufbar – die Beiträge der Christsozialen müssen aber herausgeschnitten werden

Von Tobias Zell

Wer mag, kann sich künftig jederzeit die Video-Aufzeichnungen der jeweils vier letzten Pfaffenhofener Stadtratssitzungen im Internet anschauen. Allerdings wird der interessierte Bürger und Wähler dabei auf die Beiträge aller CSU-Stadträte verzichten müssen. Denn die werden nicht gezeigt und sind auch nicht zu hören. Ob sie gleich ganz herausgeschnitten werden oder ob stattdessen in dieser Zeit ein schwarzer Bildschirm mit entsprechendem Hinweis zu sehen und eben nichts zu hören sein wird, ist noch unklar. Denn diese bemerkenswerte Konstellation hat sich heute Abend erst im Stadtrat ergeben.

Seit Jahren werden die Sitzungen des Pfaffenhofener Stadtrats via Live-Stream im Internet übertragen. Das kommt ganz offensichtlich gut an, denn laut Bürgermeister Thomas Herker (SPD) schauen zwischen 250 und 1600 Leute zu. Und gestern waren sogar sechs Stadträte aus Ingolstadt in Pfaffenhofen, um sich über die technische Umsetzung zu informieren. Heute nun hat der nach der Kommunalwahl neu zusammengesetzte Pfaffenhofener Stadtrat die Fortsetzung dieser Live-Übertragungen beschlossen. Einstimmig, denn dass dieser Stream einen guten Beitrag zu Transparenz und Bürgernähe leistet, darüber herrscht Einigkeit quer durch alle Fraktionen. 

Kontrovers sind dagegen die Sichtweisen bei der Frage, wie lange die Aufzeichnungen der Sitzungen im Internet-Archiv zur Verfügung gestellt werden sollen. Das zeigte sich schon bei der letzten Sitzung, als das Thema bereits zur Abstimmung angestanden wäre. Während SPD-Fraktionschef Markus Käser, der die Aufzeichnungen am liebsten für immer im Archiv bereitstellen würde, zumindest für eine Archivierung auf zwölf Monate warb und sich der Unterstützung der Koalitionspartner von FW, Grünen und ÖDP sicher sein konnte, löste dieser Vorschlag bei den Christsozialen „datenschutzrechtlich ein gewisses“ Baugrimmen aus, wie es Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) formulierte. „Ich habe vor dieser Unendlichkeit eine gewisse Sorge.“

Und weil es – vor allem wegen der Persönlichkeitsrechte der Stadträte, aber auch wegen des Signals nach außen – gut ist, wenn solche Entscheidungen einstimmig fallen, wurde das Thema letztes Mal, nach einer Unterbrechung der Sitzung, vertagt. Weshalb es nun heute erneut auf der Tagesordnung stand. Immerhin war schnell und einhellig die Fortsetzung des Live-Streams beschlossen; doch in Sachen Archivierung zeigte sich, dass die Sichtweisen momentan unvereinbar sind. 

CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann erklärt heute, es sei ihm noch nicht gelungen, in seiner Fraktion Einigkeit herzustellen. Er bat deshalb darum, die Abstimmung über die Dauer der Archivierung ein weiteres Mal zu vertage. Damit er einen Kompromiss in den eigenen Reihen finden und zudem eine seltsame E-Mail juristisch prüfen zu lassen kann, die ihn gestern in diesem Zusammenhang erreicht hat.

Durch die längerfristige Archivierung der Video-Aufzeichnungen sieht der Absender der E-Mail, der sich selbst nur „H. I.“ nennt, sein „Geschäftsmodell“ bedroht. Er generiert sich nämlich nach eigenen Angaben mit der Aufzeichnung der Sitzungen und dem Verkauf des Materials „einen kleinen Zuverdienst“. Diese Einnahmequelle droht ihm durch die Einführung eines öffentlichen Archivs zu versiegen. Bislang waren die Aufzeichnungen nämlich immer nur eine Woche nach der Sitzung im Internet abrufbar. Den Brief im Wortlaut lesen Sie hier: Dubioses Geschäftsmodell oder pfiffige Ironie?

Ist diese E-Mail von „H.I.“ nun bitterer Ernst oder einfach nur ein ironischer Gag? „Wir nehmen das Ganze ernst“, betont CSU-Fraktionssprecher Rohrmann, im Hauptberuf Anwalt. Mit seinem Ansinnen auf Vertagung stieß er indes auf wenig Verständnis. Manfred „Mensch“ Mayer (GfG) zeigte sich „überrascht“, dass man sich von einer Mail auseinanderdividieren lasse und jetzt noch mehr Überlegungszeit brauche. Und Käser fand, diese E-Mail habe mit der zur Abstimmung stehenden Fragestellung „überhaupt nichts zu tun“. Am Sachverhalt ändere das jedenfalls nichts. 

Rohrmann verteidigte indes seinen Antrag und wollte seine Fraktion nicht in eine Ecke gedrängt sehen. Für eine Vertagung war dann aber nur die komplette CSU-Fraktion; und die hat bekanntlich keine Mehrheit. So wurde also doch über die Dauer der Archivierung der Sitzungs-Aufzeichnungen entschieden.

„Wenn es zwölf Monate sind, werden wir uns Rausschneiden lassen“, kündigte Rohrmann für die Christsozialen schon vorab an. Denn Bürgermeister Herker hatte erklärt: Wer mit der dann beschlossenen Dauer der Archivierung nicht einverstanden ist, dessen Beiträge können aus der Aufzeichnung herausgenommen werden.

SPD-Chef Käser nahm angesichts drohender Lücken in der Aufzeichnung noch einen Anlauf und brachte statt der von ihm zunächst geforderten Archivierung für zwölf Monate eine Archivierung von der Dauer ins Spiel, die immer jeweils die vergangenen vier Sitzungen im Internet abrufbar hält. Aber auch dagegen votierten die CSU-Räte geschlossen– weshalb ihre Beiträge künftig also aus den Aufzeichnungen herausgeschnitten werden müssen.

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