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Der Landkreis plant ein bayernweit einmaliges Waldprojekt für Kinder und Jugendliche mit Erziehungsschwierigkeiten, die nicht normal unterrichtet werden können – doch es gilt Überzeugungsarbeit zu leisten, damit der Bezirk die Genehmigung erteilt

Von Tobias Zell

Beim Unterrichten von Kindern und Jugendlichen mit massiven Erziehungsschwierigkeiten will das Landratsamt Pfaffenhofen neue Wege gehen. Über das Jugendhilfe-Wald-Projekt „Die Macher“ sollen Viert- bis Achtklässler beschult werden, die in normalen Schulklassen nicht unterrichtet werden können. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf der praktischen Arbeit im Wald liegen. Das Konzept erinnert ein bisschen an einen Waldkindergarten, nur eben für Zehn- bis 15-Jährige. Das Praktische findet draußen statt, für die Theorie oder bei schlechtem Wetter geht es in einen Bauwagen.

„Das Konzept gibt es so noch nicht in Bayern“, betonte Landrat Martin Wolf (CSU) gestern in der Sitzung des Jugendhilfe-Ausschusses. Und genau darin liegt offenbar das Problem. Denn die Regierung von Oberbayern, die das Projekt genehmigen muss, stellt sich noch quer und sieht Probleme. Doch Wolf will nicht locker lassen. „Das akzeptieren wir nicht“, stellt er klar. „Wir wollen nicht aufgeben.“ Aber der Reihe nach.

Das zuständige Sachgebiet „Familie, Jugend, Bildung“ im Landratsamt beabsichtigt, wie berichtet, im Kreis Pfaffenhofen für Kinder und Jugendliche mit Erziehungsschwierigkeiten und daraus resultierenden Problemen im sozialen Umfeld wie Schule und Elternhaus neue Wege zu gehen. Über das Jugendhilfe-Wald-Projekt „Die Macher“ sollen Kinder und Jugendliche ab der vierten bis zur achten Klasse erreicht werden. Ziel ist es nach Angaben aus dem Landratsamt, das soziale Umfeld dieser jungen Menschen zu erhalten und über alternative Herangehensweisen zu versuchen, sie letztlich wieder in den Schulalltag zu integrieren.

Eine Kleingruppe von vier bis sechs Kindern und Jugendlichen soll statt des normalen Schulunterrichts im Rahmen des Projekts von 8 bis 16 Uhr im Wald betreut werden. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf der praktischen Arbeit liegen. Sachgebietsleiterin Elke Dürr gibt ein Beispiel: Die jungen Leute machen Holz. Das ist eine ganz praktische Arbeit. Sie lernen dabei aber auch, wie man Holz berechnet, welche Holzarten es gibt und so weiter. So spielen Theorie und Praxis zusammen und die Kinder sollen sehen, wofür man das Gelernte tatsächlich brauchen kann. Auf diesem Wege sollen Lerntechniken eingeübt und die Freude am Lernen wieder geweckt werden, heißt es aus dem Landratsamt.

„Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass immer mehr Jugendliche stationär untergebracht werden müssen, weil zum einen die Schule nicht die geeignete Hilfe bieten kann und zum andern die Kinder und Jugendlichen alternative Angebote benötigen, die zeitlich früher zum Einsatz kommen sollen. Häufig haben die Kinder und Jugendlichen bereits schon einige Schwierigkeiten hinter sich“, teilt das Landratsamt mit.

Die Probleme beginnen demnach meist schon im Grundschulalter. Oft seien zu diesem Zeitpunkt jedoch weder die Eltern noch die Kinder bereit, sich auf eine stationäre Maßnahme einzulassen, sodass sie häufig bis zum sechsten oder siebten Schuljahr im Klassenverband verbleiben, obwohl alle Seiten schon an ihre Grenzen gelangt seien. Dem soll mit diesem Projekt, bei dem die Kinder weiterhin im Haushalt der Eltern leben, entgegengewirkt werden.

Die Kreisverwaltung erhofft sich durch das Projekt letztendlich auch Kosten für Heimunterbringung einzusparen. Derzeit sind den Angaben zufolge im Landkreis 83 Kinder und Jugendliche stationär untergebracht. Darunter seien auch16 Kinder und Jugendliche, die aufgrund von Problemen im Schulalltag eine individuelle Beschulung benötigen. Allein die Unterbringung dieser jungen Leute kostete den Landkreis im vergangenen Jahr rund eine Millionen Euro.

Das Jugendhilfe-Waldprojekt wurde auch schon einstimmig vom Jugendhilfe-Ausschuss des Kreistags beschlossen und vom Kreisausschuss befürwortet. Im Januar hat der – ebenfalls bereits gefundene – Träger „ambuflex“ aus Ingolstadt das Konzept bei der Regierung von Oberbayern eingereicht. Am 25. Februar fand daraufhin ein gemeinsames Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Regierung, dem Träger und dem Jugendamt statt. Änderungswünsche wurden in das Konzept eingearbeitet und im März der Regierung übersandt, wurde gestern berichtet.

Doch mit Schreiben vom 14. Mai hat die Regierung von Oberbayern dem Landratsamt mitgeteilt, dass das Projekt noch nicht zustimmungsfähig sei. Die Probleme, die die Regierung sieht, fasst Kreischef Wolf in zwei wesentlichen Punkten zusammen: Zum einen gibt es Bedenken wegen fehlender Räumlichkeiten für das Projekt, das ja im Wald stattfindet. Das ist zwar bei einem Waldkindergarten ebenfalls so – doch da gelten offensichtlich andere Regelungen. Zum Zweiten gehe aus Sicht der Regierung zu viel Unterrichtszeit verloren. Auch das stimme so nicht, betont Wolf. Denn die Kinder, die Zielgruppe des Waldprojekts seien, seien überhaupt nicht länger zu beschulen.

Wolf jedenfalls will, wie gesagt nicht locker lassen. Er habe sich bereits um einen Termin beim Regierungspräsidenten bemüht, um noch einmal für das Projekt zu werben und mögliche Missverständnisse ausräumen. Gestern aber musste er erst einmal den Jugendhilfe-Ausschuss davon in Kenntnis setzen, „dass da leider die Sache nicht so recht vorwärts geht“. Fakt ist aber auch: Ohne grünes Licht von der Regierung von Oberbayern geht nichts. Da hilft es auch nichts, dass die Stadt Pfaffenhofen bereits signalisiert hat, den Stadt- und Stiftungswald zur Verfügung zu stellen.

 Jedenfalls  will das Landratsamt nun noch einmal gegenüber dem Bezirk verdeutlichen, dass die Maßnahme nicht auf Grundschüler, sondern auf Zehn- bis 15-Jährige abgestellt ist und dass über das Waldprojekt für die Zielgruppe besseren Entwicklungschancen gesehen werden. „Im Waldprojekt sollen auch Kinder und Jugendliche betreut werden, die über Regelangebote wie der Heilpädagogischen Tagesstätte oder der Sozialpädagogischen Tagesstätte nicht erreicht werden können“, wird dabei betont.

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen sollen ein halbes Schuljahr an dem Waldprojekt teilnehmen und dann – eine Klasse niedriger – wieder in den Schulalltag integriert werden, so Wolf. Denn Ziel ist, das betonte auch Dürr, dass die jungen Leute wieder an die Schule herangeführt werden. Schulamtsdirektor Vitus Schwärzer brachte dafür als Brücke die so genannten Stütz- und Förderklassen ins Gespräch. Denn der Sprung vom Waldprojekt in die normale Schule könnte für so manchen zu groß sein.


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