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Der späte Rücktritt der forschen Ministerin Christine Haderthauer lässt viele Fragen unbeantwortet 

Von Michael Schmatloch 

War das nun das Ende einer unglaublich peinlichen Affäre? War es der Opfergang einer zu Unrecht Gegeißelten? Christine Haderthauers gestriger Rücktritt als Ministerin war vor allem eines: viel zu spät. Egal, ob sich nun der Betrugsverdacht gegen sie erhärten sollte oder nicht, unabhängig davon, ob sie nun 2003 oder 2011 ausgeschieden ist aus der anrüchigen Firma Sapor Modelltechnik. Der Kollateralschaden, den die Affäre hinterlassen hat, ist immens und betrifft bei weitem nicht nur sie.

Sie eigentlich am wenigsten. Denn sie ist enur ein austauschbares Rädchen im Getriebe der übermächtigen CSU. Und das prominenteste Opfer ist in diesem Fall Ministerpräsident Horst Seehofer. Sein Zögern, sein Festhallen, sein Aussitzen wollen und sein Hoffen auf das kollektive Vergessen hat mehr als deutlich gezeigt, dass seine Zeit als instinktiv reagierender Politiker längst vorbei ist. Sein Zaudern hat seinem politischen Ansehen und dem der Partei immens geschadet, wirft Fragen auf, die er wohl selbst nicht beantworten kann. Denn unabhängig davon, ob da alles mit rechten Dingen zu gegangen ist, ob alles legal war, bleibt ein großes Unbehagen, das da lautet: Haben die von uns gewählten Politiker noch einem Funken von dem, was man Moral nennt oder Ehre? Darf ein Politiker, ist er denn mal gewählt, weil er zufällig auf der richtigen Liste stand, ungestraft alles? Darf er Geschäfte machen oder auch nur machen wollen mit einem perversen Dreifachmörder, der seine Opfer genüsslich zerstückelt? Ist alles, was vielleicht legal ist auch legitim für einen gewählten Vertreter des Volkes? Das alles sind Fragen, die Horst Seehofer für sich zu beantworten offenbar nicht mehr in der Lage ist. Sonst hätte er vor vielen Wochen bereits reagiert, reagieren müssen. So aber hinterlässt nicht gerade das Bild eines führungsstarken Parteivorsitzenden. Er gibt keine Antworten, liefert nur falsche Reaktionen.

Stattdessen kommt jetzt das übliche Schmierentheater auf den dummen Wähler zu, das wir ja hinlänglich kennen. Christine Haderthauer tritt zurück, obschon jeder weiß, dass sie zurück getreten wurde. Erste Lüge. Tiefes Bedauern in der Fraktion und bei den Kabinettsmitgliedern. Respekt für ihre Entscheidung, von der jeder weiß, dass es nicht ihre war. Persönliches Bedauern von Horst Seehofer. Zweite Lüge. Hoffnung, dass Christine Haderthauer die Chance bekommt, auf die große politische Bühne zurückzukehren. Wie Karl-Theodor zu Guttenberg zu Beispiel? Dritte Lüge.

Was reg ich mich auf? „Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied“, heißt es in Goethes Faust. Dass es so ist und auch so bleiben wird, allen Affären und Peinlichkeiten zum Trotz, das ist sicher. Wozu also die Frage stellen nach Moral, nach Ethos und Ehre? Wozu erinnern an die Affären im Großen und die im Kleinen wie beispielsweise in Ingolstadt die von Stefan Einsiedel oder Daniel Hillerbrand? Wozu sich beschäftigen mit obskuren Geschäftchen wie der Einbogenlohe oder dem Mauschelprozess gegen Angestellte des Hochbauamtes? Warum finden wir uns nicht einfach mit der Tatsache ab, dass wir in einer Bananenrepublik leben, dass – wie Bert Brecht sagt – erst das Fressen kommt und dann die Moral?

Vielleicht, weil wir hoffen, irgendwann wieder einmal zu einem Politiker aufschauen zu können und nicht hinunter schauen zu müssen. Vielleicht, weil das gemeine Volk Ideale hat, die den meisten Politikern längst abhanden gekommen sind. Vielleicht, weil wir ahnen, dass das, was heute nicht gehalten, morgen nicht einmal mehr versprochen wird.


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