Im Fall des getöteten Obdachlosen in der Ingolstädter Alban-Berg-Straße wurde heute vor Gericht eine erste Version des Tathergangs rekonstruiert
(ty) Im Verfahren um den Tod des 33-jährigen Obdachlosen Hans-Jürgen B. konnte heute durch weitere Zeugenaussagen und den Obduktionsbericht eine erste Variante des möglichen Tatablaufs rekonstruiert werden. Angeklagt ist ein 19-Jähriger aus Ingolstadt, der im September vergangenen Jahres den Obdachlosen in der Alban-Berg-Straße erschlagen haben soll. Der schweigt sich aber seit Beginn der Verhandlung beharrlich aus.
Anders als bisher angenommen war die Todesursache nicht der Schlag auf den Kopf mit einer Flasche, sondern der stampfende Tritt ins Gesicht, als das Opfer schon am Boden lag. Durch die dabei entstandenen Verletzungen sei Blut in die Atemwege und schließlich auch in die Lunge gelangt und der Mann sei daran letztendlich erstickt.
Heute sagten Bekannte des Opfers und des Angeklagten aus. Sie beschreiben die beiden Männer als friedlich und eher selten aggressiv. Und wenn, dann äußere sich diese Aggressivität ausschließlich auf verbale Art. Am Tatabend haben sich Opfer und Täter – so legen es die Zeugenaussagen nahe – zusammen mit einigen weiteren Obdachlosen in der Stadt getroffen. Doch nach 21 Uhr seien Opfer und Täter wohl alleine zu einer Kneipentour aufgebrochen, während sich der Rest Schlafplätze für die Nacht suchte. Die beiden wurden dann um kurz nach 2 Uhr beobachtet, als sie eine Gaststätte in der Innenstadt verließen.
Nach Ansicht des begutachtenden Pathologen ist die Tat folgendermaßen abgelaufen: Täter und Opfer bekommen sich wegen irgendetwas in die Haare. Dann beginnt der Täter, sein Gegenüber mit den Fäusten zu traktieren und reißt ihm anschließend seinen Rucksack und seine Jacke mit Gewalt vom Leib. Er schmeißt beides zur Seite und greift sich eine volle Bierflasche (woher diese kam, ist noch nicht geklärt), die er dem Opfer mit voller Wucht über den Kopf zieht. Dadurch entsteht eine kleine Platzwunde, doch der Schlag reicht nicht aus, um das Opfer bewusstlos werden zu lassen. Benommen schien der Mann aber dennoch zu sein, denn laut der Aussage des Pathologen habe er sich daraufhin hingesetzt oder sei zumindest in die Hocke gegangen. Ihm wurde nun vermutlich mit einem stockähnlichem Gegenstand (von dem bisher ebenfalls jede Spur fehlt) ins Gesicht sowie auf Kopf und Nacken geschlagen. Dieser Bereich sei nicht nur mit Hämatomen übersät, sondern auch stark zerkratzt gewesen. Faustschläge hätten für diese Verletzungen nicht ausgereicht.
Das Opfer war nun dermaßen angeschlagen, dass es nach hinten kippte. Nun folgte der wohl finale Tritt in die Mitte des Gesichts, der nicht nur die Nase des Opfers zertrümmerte, sondern auch alle Weichteile um die Nase zerriss, so dass eine Menge Blut ungehindert in den Mund und dann in die Atemwege des Mannes gelangte. Da das Opfer zu diesem Zeitpunkt sehr wahrscheinlich bewusstlos war, gelangte das Blut auch in die Lunge, was schließlich zum Tod durch Ersticken führte. Anschließend scheint der Täter versucht zu haben, den sterbenden Mann wegzuschaffen, hatte ihn ein paar Meter durch das regennasse Gras geschleift, es dann aber aufgegeben und sein Opfer lediglich mit dessen Jacke zugedeckt.
Insgesamt hat der Angriff wohl um die 15 Minuten gedauert, in denen das Opfer über 80 verschiedene Verletzungen erlitt. Den Tatzeitpunkt schätzt der Pathologe auf die Zeit zwischen 3.30 und 4 Uhr morgens.