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Die knappe Mehrheit des Pfaffenhofener Stadtrats stimmte entgegen der eigenen Ansicht vom Februar heute für die von den Anwohnern favorisierte Variante – damit wird die Einbahnstraße wegen wechselseitig angeordneter Längsparker zum Zick-Zack-Kurs

Von Tobias Zell

Die Pfaffenhofener Schlachthofstraße wird nicht boulevard-ähnlich ausgebaut. Das hat der Stadtrat heute Abend nach kontroverser und intensiver Diskussion mit knapper Mehrheit beschlossen. Damit revidierten weite Teile des Gremiums ihre Meinung vom Februar und sprachen sich nun für die so genannte Variante A aus, die auch von den Anliegern favorisiert wird. Von den Kosten her unterscheiden sich die Varianten A und B kaum, weshalb es hier tatsächlich vor allem um Geschmacks-, Verkehrs- und Parkplatzfragen ging. Letztlich setzten sich die Boulevard-Gegner mit 13:11 Stimmen durch.

Die damit beschlossene Variante A unterscheidet sich von der Variante B, für die die Stadtverwaltung um Bürgermeister Thomas Herker (SPD) geworben hatte, im Wesentlichen in drei Punkten. Erstens: Bei Variante A werden die Längsparker abwechselnd links und rechts am Straßenrand angeordnet, sodass man praktisch dann im Zick-Zack–Kurs durch die Schlachthofstraße fahren muss – während Variante B alle Parkplätze auf der rechten Seite der Einbahnstraße vorsah. Zweitens: In Variante A stehen die Bäume, die die Park-Zonen flankieren, demzufolge auf beiden Seiten der Straße, während sie bei Variante B eine Linie auf der rechten Straßenseite gebildet hätten. Drittens: In Variante A gibt es auf beiden Seiten einen mit 2,00 beziehungsweise 2,40 Metern bemessenen Gehweg – während Variante B auf der linken Seite einen 1,00 Meter breiten und auf der rechten einen mit 3,40 Meter bemerkenswert breiten Gehweg vorgesehen hätte, der eben den Boulevard-Charakter erzeugt hätte.

Variante A: So wird es nun gemacht.

Dem Stadtrat waren bereits im Februar die Planungen des Büros Dömges zum Ausbau der Schlachthofstraße mit den beiden Vorentwurfsvarianten A und B vorgestellt worden. In der Diskussion sprach sich das Gremium damals klar für die Variante B aus, durch die man „eine enorme Aufwertung des Straßenbereichs erzielen könne“, wie die Stadtverwaltung in der Sitzungsvorlage erinnerte. Einstimmig wurde damals beschlossen, zusätzlich noch eine kostengünstigere Alternative zu erarbeiten und die drei Varianten dann in einer zweiten Anliegerversammlung mit den Bürgern zu diskutieren. 

In der Anliegerversammlung vom 23. Juli wurden dann auch die beiden Varianten  A und B zur Neugestaltung der Schlachthofstraße vorgestellt und darüber hinaus die kostengünstige Alternative mit den Anwohnern diskutiert. Dabei zeigte sich schnell, dass die kostengünstigere Variante nicht weiter verfolgt werden soll, da sie gestalterisch wenig überzeugend war. Zudem wäre die Kostenersparnis lediglich bei um die 90 000 Euro gelegen. Damit standen also nun wieder die Varianten A und B zur Diskussion. Nach intensiver Debatte mit den Anliegern wurden sie zur Abstimmung gebeten. Ergebnis: die deutliche Mehrheit der Anwohner sprach sich für Variante A und damit für eine versetzte Anordnung der Längsparker aus. Als Hauptgrund wurde eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeit angegeben.

Bürgermeister Thomas Herker und seine Verwaltung um Stadtbaumeister Gerald Baumann sowie die beauftragten Planungsbüros hielten dennoch weiterhin an der Variante B fest, da bereits durch die geplante Veränderung an der Einfahrt-Situation zur Schlachthofstraße  – die beide Varianten gemeinsam haben – eine deutliche Reduzierung auf Schrittgeschwindigkeit zu erwarten sei und weil bei der Kürze der Straße unverhältnismäßig hohe Geschwindigkeiten ohnehin nicht zu erwarten seien. Zudem würde aus Sicht der Stadtverwaltung eine versetzte Anordnung der Längsparker bei einer Freigabe der Straße als Radlstraße, in der Radler auch entgegen der Einbahnregelung fahren dürfen, eine Gefährdung darstellen. „Darüber hinaus zeichnet sich die Variante B durch den boulevard-artigen Gehweg aus, der als Verbindung zwischen dem künftigen Bürgerpark und der Innenstadt eine wichtige Funktion übernehmen soll“, so die Stadtverwaltung.

Variante B ist heute im Stadtrat knapp durchgefallen.

Doch das half alles nichts. In der heutigen Stadtratssitzung votierte am Ende die knappe Mehrheit für die Zick-Zack-Variante mit Längsparkern links und rechts, zwei ähnlich breiten Gehwegen und damit gegen den Boulevard. Für die stattdessen beschlossene Variante A stimmten alle anwesenden CSU-Räte, die Freien Wähler mit Ausnahme von Andreas Kufer, Angelika Furtmayr von den Grünen, die beiden ÖDP-Räte Reinhard Haiplik und Richard Fischer sowie Manfred "Mensch" Mayer (GfG).

Zuvor wurde kontrovers und ausgiebig diskutiert. Rathauschef Herker warb für die Variante B und redete der Boulevard-Lösung das Wort – auch mit Blick auf die erhofften Besucherströme zur Gartenschau. Angesichts der von den Anwohnern favorisierten Variante A meinte er:  „Wir müssen aus der gesamtstädtischen Perspektive entscheiden.“

CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann erklärte, man habe intern das Für und Wider abgewogen, und plädierte im Namen der Christsozialen für Variante A. Seine Argumente: Die wechselseitig angeordneten Parker sorgen für eine Reduzierung des Verkehrsflusses, die beiderseitig gleich breiten Gehwege erhöhen die Sicherheit, der boulevard-artige Charakter komme auch so zur Geltung und mit Bäumen links und rechts wirke das zudem wie eine Allee. Peter Heinzlmair (Freie Wähler) meinte, jede der beiden Varianten habe ihre Vor- und Nachteile. In der Fraktion habe man sich deshalb auch nicht festgelegt – er ließ aber schon mal durchblicken, dass auch er größere Sympathien für Variante A hegt.

Reinhard Haiplik (ÖDP) bewertete das Argument, dass wechselseitige Parker die Verkehrsgeschwindigkeit drosseln, für stichhaltig. Außerdem erklärte er, es sei nicht gut, wenn man erst Anliegerversammlungen abhalte und die Bürger abstimmen lasse – und dann anders entscheide. Weil die Kosten für die beiden Varianten praktisch gleich seien, könne man den Anliegern auch nicht unterstellen, sie würden auf ihren Geldbeutel schauen, sagte Haiplik und verwies vielmehr auf die von den Anwohnern vorgebrachten Sachargumente. Man müsse die Bürger erst nehmen, appellierte er. Haiplik war indes der einzige, der seine Haltung auch ausdrücklich mit dem Willen der Anlieger begründete.

Heute Abend in der Schlachthofstraße.

Dass er und seine Fraktion mit dem Wunsch der Anlieger konform gehen, war für Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) zwar eine „angenehme Zugabe“, doch für ihn ist die Boulevard-Variante B ohnehin „Murks“. Sie sei „nicht zumutbar“ schimpfe er, weil sie „gravierende Fehler“ enthalte. Die Vollgas-Mentalität der 1970er Jahre wolle man heute nicht mehr, verteidigte er die wechselseitig angedachten Zonen für Längsparker in Variante A.

Steffen Koptzeky (SPD) sah eine Reduzierung beziehungsweise Ausbremsung des Verkehrs schon durch die – beiden Varianten gemeine – künftige Einfahrt-Situation in die Schlachthofstraße. In der Sache müsse man hier zwischen der Sicht der Gesamtstadt und der Sicht der Anwohner unterscheiden, sagte er und verwies auf die Bedeutung der Straße eben nicht nur für Anlieger, sondern für Passanten. Bekanntlich führt die Straße zu dem im Rahmen der Gartenschau auf dem ehemaligen Schlachthof- und Bauhof-Gelände entstehenden, großen Bürgerpark. „Ein neues, grünes Herz wird da schlagen“, formulierte es der Schriftsteller Kopetzky, und die Schlachthofstraße werde geprägt sein vom „Zugehen auf die grüne Lunge“. Die Variante B bezeichnete er jedenfalls als „wesentlich schöner“.

Auch Kopetzkys Parteifreund Peter Feßl warb für Variante B. Seiner Erfahrung nach tragen nämlich versetzte Hindernisse – hier Längsparker – nicht zur Geschwindigkeitsreduzierung bei. Bürgermeister Herker gab ihm Recht und verwies auf mehrere Stellen im Stadtgebiet, wo von den Autofahrern eher versucht werde, solche Zick-Zack-Kurse möglichst „sportlich“ zu bewältigen. 

„Wir sehen B nicht als Murks“, schaltete sich Stadtbaumeister Gerald Baumann an die Adresse von Prechter ein. Der von CSU-Fraktionschef Rohrmann angesprochenen Allee-Wirkung durch versetzte Bäume widersprach er. Und versetztes Parken ist aus seiner Sicht eher von Nachteil. Rathauschef Herker zitierte zudem aus einem Sitzungsprotokoll und hielt Prechter vor, dass der zuletzt noch unmissverständlich für die Boulevard-Variante geworben habe. Prechter tat das mit den Worten ab: „Was hindert uns daran, klüger zu werden?“

Die Vertreterin des Planungsbüros warb noch einmal für die von ihrer Seite favorisierte Variante B. Den Eindruck einer einseitigen Baumreihe, die zum Bürgerpark hinführe, bekomme man mit wechselseitigen Bäumen nicht, betonte sie. Und auch Kopetzky appellierte nun noch einmal an das ästhetische  Empfinden seiner Ratskollegen. Es gehe hier darum, „das Erlebnis der Passanten zu gestalten“, sagte er. „Wir vergeben eine große Chance, wenn wir uns nur über Verkehr und Parken unterhalten und nicht über das Erlebnis des Fußgängers.“

„Sehr poetisch vorgebracht“, meinte Prechter, ließ sich aber davon ebenso wenig umstimmen, wie vom Einwand Adi Lohwassers (SPD), der darauf verwies, dass Winterdienst, Straßenreinigung und Müllabfuhr viel einfacher seien, wenn die Längsparker nicht versetzt angeordnet seien. „Wir bauen Straßen auch für Autos“, sagte Andreas Kufer (FW) und rührte für die Variante B mit den durchgängig rechts positionierten Längsparkern die Werbetrommel. Versetztes Parken sei „Irrsinn“, monierte er, das werde ein Slalom wie auf einer Go-Kart-Bahn – und die Müllabfuhr brauche hier drei Mal so lang. Doch am Ende mussten sich die Boulevard-Sympathisanten der knappen Mehrheit beugen.


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