Frei erfundene Nachrichten – Folge 5: Unserer Redaktion liegen brisante Aufzeichnungen über spektakuläre Vorkommnisse, Prüfungen und Eklats im Urwald vor
Von Tobias Zell
Wieder einmal sind unserer Redaktion brandheiße Dokumente zugespielt worden, die es in sich haben. Diesen – eigentlich streng vertraulichen – Unterlagen zufolge hat RTL angesichts des großen Publikums-Erfolgs eine weitere „Dschungel-Camp“-Auflage produziert – und zwar ausschließlich mit Politikern aus dem Landkreis Pfaffenhofen. Die Dreharbeiten sind längst abgeschlossen – das erklärt auch, warum es zuletzt in der hiesigen Politik so ruhig war und wieso über den Jahreswechsel keinerlei Sitzungen stattfanden – denn die Hauptdarsteller waren ja im Urwald. Gesendet werden soll das Aufsehen erregende „Special“ allerdings erst nach Abschluss der aktuell laufenden „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“-Auflage mit den nationalen C- und D-Promis, die sich derzeit im Dschungel mit Schleim übergießen lassen.
„Wir müssen regionale Potenziale erschließen und kommunale Zündstoffe nutzen“, heißt es in den RTL-Dokumenten zum Hintergrund der Pfaffenhofen-Auflage. Doch viel spannender als die Ausführungen zu den strategischen Erläuterungen des Senders sind freilich die Notizen über die interessantesten Vorkommnisse im Camp. Und dazu enthalten die uns vorliegenden Dokumente hochbrisante Details.
Landrat Martin Wolf (CSU) zum Beispiel musste gleich am ersten Tag nach einer eigentlich gar nicht so schwierigen Dschungel-Prüfung ohne einen einzigen Stern zurück ins Camp schleichen. Sichtlich zerknirscht beichtete er seinen Urwald-Kameraden unter Tränen, warum er kläglich versagt hat. Es ging bei der Prüfung darum, aus Bambus-Stäben, Palmen-Blättern und Lianen-Stücken eine kleine Hütte zu errichten. Zeit: 90 Minuten. Das wäre freilich locker zu schaffen gewesen, doch für Wolf geriet diese Hornbach-Challenge zur unlösbaren Aufgabe. Denn nach den jüngsten Erfahrungen beim Landratsamt-Anbau wollte er diesmal alles richtig machen – und setzte deshalb erst erst einmal alles daran, sämtliche Anwohner-Unterschriften einzuholen, damit es nicht wieder zum Baustopp kommt.
Doch das war freilich in dieser Zeit nicht zu bewältigen. So stand zum Auftakt gleich mal Null-Diät für die Dschungel-Camper auf dem Programm. Und weil leere Mägen bekanntlich die Stimmung drücken, war die Atmosphäre dann auch schnell aufgeladen und der erste Zoff lag unweigerlich in der Luft. Der Unmut entlud sich schließlich, als alle vom Hunger gequält in den Hängematten siechten und ausgerechnet Wolf, der es versemmelt hatte, meinte: „Ich spüre nichts.“
Jetzt eskalierte die Situation: SPD-Kreischef Käser, ohnehin kein großer Freund von Wolf, bündelte seine letzte Kraft und schleifte den Landrat in ein naheliegendes Morast-Gebiet. Als das Opfer bereits bis zum Hals in der Pampe steckte, rief Käser ihm zu: „Ruf halt einfach: Ich bin ein Wolf, holt mich hier raus! Dann darfst Du wieder heim.“ Jetzt mussten die Produzenten eingreifen, sonst wäre es wohl zum Äußersten gekommen. Zurück im Camp verhinderte dann letztlich nur die allgemeine Kraftlosigkeit, dass es zu weiteren Eskalationen kam.
Besser machte es am nächsten Tag der Wolnzacher Bürgermeister Jens Machold (CSU), der zwar sichtlich geschwächt, aber wild entschlossen zur Dschungel-Prüfung schlurfte. Er bekam eine Aufgabe, die ihm wie auf den Leib geschneidert schien: Er wurde in ein Becken gesetzt, das an eine Miniatur der maroden Wolnzacher Kläranlage erinnerte, und minutenlang mit allerlei Schleim und ekligem Getier übergossen. Machold hatte dabei nur das zu tun, was er am besten kann: Nichts. Er bewegte sich nicht, schwieg eisern und zeigte auch sonst keinerlei Regung. Am Ende hatte er schon deshalb gewonnen, weil die Organisatoren gar nichts mehr hatten, was sie ihm noch über den Kopf hätten schütten können.
Ein grandioser Erfolg für Machold, der mit voller Punktzahl und Stolz geschwellter Brust ins Camp zurückkehrte. Die Menge tobte angesichts dieses Triumphs, der den Dschungel-Insassen eine üppige Reis-Mahlzeit bescheren sollte. Nur Kerstin Schnapp, die Kreisvorsitzende der Grünen, stocherte etwas widerwillig in ihrer Reis-Schüssel herum. Nicht, dass es ihr nicht geschmeckt hätte – und der Hunger war auch groß. Aber ihr drängte sich der Verdacht auf, dass die leicht angebratenen Känguru-Hoden, die als Beilage serviert wurden, nicht aus artgerechter Haltung stammen und dass die Heuschrecken-Schenkel zudem nicht fair gehandelt sind.
Doch der Hunger treibt im Dschungel alles rein. Und als Martin Schmid, der Vohburger Bürgermeister und SPD-Fraktionschef im Kreistag, den letzten Rest aus Schnapps Napf schaufeln durfte, war die Stimmung im Camp für einen kurzen Moment wieder gut. Die nun fast schon lauschige Urwald-Atmosphäre wurde allerdings jäh unterbrochen, als eine Sonder-Prüfung anstand. Diesmal allerdings nicht vom Finanzamt im Wolnacher Rathaus, sondern für zwei Dschungel-Helden. Die konnten selbst bestimmen, welche beiden von ihnen zu der Challenge antreten sollen, was allerdings für allgemeine Ratlosigkeit sorgte. Denn normalerweise tun Politiker ja alles, um gewählt zu werden, obwohl man sie kennt. Und nun ging es ja eher darum, lieber nicht gewählt zu werden.
Einige Bürgermeister spielten jetzt sogar kurzzeitig mit dem Gedanken, schnell auf der nächsten Rolltreppe einer Frau unter den Rock zu fotografieren. Denn aus Erfahrung weiß man: So wird man am einfachsten nicht mehr gewählt. Doch in Ermangelung von Rolltreppe und Kamera schied diese Idee bald aus. Andere hätten gerne ungenehmigte Kassenkredite aufgenommen, um für die Wahl auszuscheiden. Doch im Dschungel geht es nicht ums Geld, weshalb auch das nicht in Frage kam. Und einer von der CSU lief gar zur FDP über, weil man da ganz sicher keine Stimmen bekommt.
Am Ende erwischte es jedenfalls den Pfaffenhofener Bürgermeister Thomas Herker (SPD) und den Dritten Landrat Josef Finkenzeller (FW). Herker war ziemlich deutlich zu der Dschungel-Prüfung nominiert worden, weil er sich mit dem Gewinnen auskennt. Bei Finkenzeller hatte letztlich die Stimme von Martin Wolf den Ausschlag gegeben. „Er hat sich doch erst kürzlich beschwert, dass er zu wenig Termine bekommt“, ätzte Wolf. Jetzt könne er zeigen, was er draufhat.
Die Aufgabe stellte sich dann als zweigeteilt und knifflig, aber lösbar heraus. Herker musste auf einem Drahtseil – ohne Sicherung – zwischen zwei Felsen balancieren, ohne dabei zu viel von dem Affen-Urin zu verschütten, den er in einem Eimer auf dem Kopf trug. Was so spektakulär klingt, forderte den Bürgermeister aber kaum: Mit Drahtseil-Akten kennt er sich bestens aus, mit Affen hat er beruflich auch immer wieder zu tun. Und das Gleichgewicht hielt er hier deutlich besser als in mancher Sitzung.
Finkenzeller stand ihm dann in Sachen Souveränität kaum nach. Er musste sich aber auch ganz schön anstrengen. Zuerst galt es, 37 farbige Kokosnüsse aus einer dunklen Höhle zu bergen. Dann mussten diese, einzeln und zwischen den Zähnen, kletternderweise auf ein Hochplateau mitten im Urwald verfrachtet und so aufeinandergestapelt werden, dass sie aus der Ferne betrachtet das Landkreis-Wappen bilden. Finkenzeller kämpfte, schwitzte – und siegte famos: Statt den vorgegebenen 55 Minuten brauchte er gerade mal 48. Seine Freude über diesen Erfolg hielt sich allerdings in Grenzen. „Wenn ich mir das im Nachhinein so überlege, wollte ich eigentlich nie so hoch hinaus“, sagte er. Ihm sei bis heute auch noch gar nicht klar gewesen, dass er sogar ein bisschen Höhenangst habe.
Leider fehlen in den uns zugespielten Unterlagen einige Seiten. Deshalb wissen wir nicht, was in den folgenden Tagen noch so alles geschah. Klar ist nur, dass am Ende der Wolnzacher Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) mit knapper Mehrheit zum Dschungelkönig gewählt werden sollte. Doch noch bevor ihm die Palm-Krone aufgesetzt und das Bast-Röckchen angezogen worden waren, kam es zum Eklat. Denn Straub weigerte sich strikt, das Zepter zu übernehmen: Es trug nämlich, zwecks Produktplatzierungen, das Logo vom Pfaffenhofener VW-Autohaus Stiglmayr – und Straub verkauft in seinen Betrieben bekanntlich Modelle von Opel und Peugeot.
Bisher sind in der Serie "Frei erfundene Nachrichten" folgende Beiträge erschienen:
„Promi-Big-Brother“ made in Pfaffenhofen
CSU plant Verkauf der Exklusivrechte an Wortmeldungen im Stadtrat