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Eines der Reichertshofener Jungtiere ist heute mit Sender und Datenlogger ausgerüstet worden – Fachleute erhoffen sich dadurch neue Erkenntnisse über das Verhalten der Weißstörche – Über eine kostenlose App kann jeder mitverfolgen, wo sich die Tiere gerade herumtreiben

(zel) Einer der drei Jungstörche von Reichertshofen ist heute Vormittag mit einem Sender und einem Datenlogger ausgestattet worden. Die Apparatur trägt der Kleine, der noch keinen Namen hat, ab sofort wie eine Art Rucksack auf dem Rücken. Das soll ihn nicht behindern, aber die Fachleute mit wertvollen Informationen versorgen. „Durch die Daten ergeben sich kleine Lebensgeschichten“, sagt Professor Hans-Joachim Leppelsack, der Vorsitzende der Pfaffenhofener Kreisgruppe des Landesbunds für Vogelschutz (LBV).

Das Reichertshofener Jungtier ist damit bereits der vierte Storch im Landkreis, der mit dieser Technik ausgestattet worden ist. Und man darf jetzt schon gespannt sein, wohin es die Tiere zieht und welche Route sie nehmen, wenn sie sich Ende Juli, Anfang August auf den Weg nach Süden machen. Die Positionen der Tiere sind ziemlich genau festzustellen – und jeder, der sich dafür interessiert, kann über die kostenlose App „Animal Tracker“ auf der Landkarte heranzoomen, sich das Umfeld anschauen, in dem sich ein Storch gerade aufhält, oder sehen, ob er gerade ruht oder kreist. Damit ist es auch möglich, das Zugverhalten nahezu in Echtzeit nachzuverfolgen.

Nehmen wir zum Beispiel Sepp, ein Weißstorch-Männchen, das im vergangenen Jahr im oberfränkischen Frensdorf zur Welt gekommen ist. Sepp hat auch so einen Sender. Und deshalb können wir nicht nur nachvollziehen, auf welcher Route und in welcher Zeit er über Österreich, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, die Türkei, weiter über Syrien und Israel nach Ägypten und weiter in den Tschad flog. Sondern wir wissen auch, dass er im Tschad offenbar ein bisschen umherirrte, ehe er dann wiederum fast schnurstracks weiter nach Libyen zog, wo er sich seither aufhält.  

Die Experten gewinnen aber nicht nur mit Hilfe des GPS-Senders wichtige Erkenntnisse, sondern können auch den Datenlogger auswerten – dazu muss man allerdings mit einem speziellen Auslesegerät bis auf 150 Meter an ein Tier herankommen. Diese Datenlogger jedenfalls zeichnen auch die Position im dreidimensionalen Raum auf, die ein Storch einnimmt: Ob er sich zum Beispiel aufwärts oder abwärts  bewegt – daraus lässt sich wiederum ableiten, ob er im Gleitflug oder im Schlagflug unterwegs war, erklärt Leppelsack. Oft gleiten die Tiere auf ihren langen Reisen ausgiebig dahin, nutzen die Thermik und sparen Kraft. Solche Daten seien gut auslesbar und für die Fachleute besonders interessant.

 

Die Vogelforscher erhoffen sich von all diesen Informationen möglichst viele neue Erkenntnisse über das Verhalten der Weißstörche. Eine sehr interessante Nachricht gibt es bereits: Die bisher vertretene Meinung, Störche ziehen grundsätzlich nach Süden und kommen nur zur Vermehrung nach Europa, hat sich als falsch herausgestellt, berichtet Leppelsack. 

Dr. Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie war heute eigens nach Reichertshofen gekommen, um dem Jungtier den Sender und den Datenlogger zu verpassen. Dazu wurde der Storch – man entschied sich für das kräftigste der drei Jungtiere – mit Hilfe einer Hebebühne aus dem Nest geholt und vor dem Rathaus dann am Boden mit der Technik ausgerüstet. Bei dieser Gelegenheit wurde das Tier auch gleich vermessen und gewogen. Zudem bekam es noch einen Ring mit einer Kennziffer – der sorgt dafür, dass der Storch leicht identifiziert werden kann, dafür reicht mitunter schon ein Fernglas. Außerdem musste der Vogel im wahrsten Sinne des Wortes zwei Federn lassen – die werden für eine genetische Untersuchung benötigt. Unterstützung bekam Experte Fiedler bei diesen Arbeitsschritten von einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin aus Kolumbien, die derzeit in Deutschland Erfahrungen sammelt, um dann auch in ihrer Heimat Vögel „besendern“ zu können.

 

Einen Namen hat der heute mit dem Technik-Rucksack versehene Storch aus Reichertshofen, wie gesagt, noch nicht. Leppelsack will die hiesigen Grund- und Mittelschüler erst noch darüber abstimmen lassen. Auch ein Sponsor für den rund 2500 Euro teuren Sender und Datenlogger habe sich leider noch nicht gefunden. Die LBV-Kreisgruppe hofft aber noch auf einen Spender, ansonsten müsste sie die Kosten selbst übernehmen.

Was der Reichertshofener Jungstorch so treibt, kann man über die App „Animal Tracker“ verfolgen, sobald der Datensatz des Tiers im System hinterlegt ist. Das dauert erfahrungsgemäß einige Tage. Aber ab dann kann jeder, der sich dafür interessiert, rund um die Uhr und fast live nachschauen, wo das Tier sich gerade befindet. 

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