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Ambitionierte Ziele, vorbildliche Projekte, Entschlossenheit und nachdenkliche Töne: Gestern wurde erstmals der Pfaffenhofener Klimaschutzpreis verliehen

Von Tobias Zell

„Es ist mir klar, dass Pfaffenhofen nicht die Welt retten wird“, sagt Bürgermeister Thomas Herker (SPD). Aber jeder müsse anfangen. Die Kreisstadt hat sich mit ihrem Klimaschutzkonzept ein sehr ambitioniertes Ziel gesteckt. Bis zum Jahr 2030 soll der jährliche CO2-Ausstoß halbiert werden – ausgehend von einem ohnehin schon niedrigen Wert, den viele andere erst noch mühsam erreichen wollen. In Zahlen liest sich das so: Die jährliche CO2-Emission im Freistaat liegt momentan bei 9,6 Tonnen pro Kopf, in Pfaffenhofen bei 6,6. Während man für Bayern diesen Wert bis zum Jahr 2030 auf sechs Tonnen pro Kopf und Jahr reduzieren will, hat sich Pfaffenhofen drei Tonnen zum Ziel gesetzt.

„Sportlich“ nennt Herker dieses Vorhaben und weiß, dass die Stadtverwaltung und die Kommunalpolitik auf dem Weg dorthin zwar manches beeinflussen und steuern kann – dass es aber nur klappen wird, wenn Energiespar-Potenziale in einer „breiten Allianz“ mit den Bürgern und der Wirtschaft gehoben werden. Viele Firmen hätten bereits bewiesen, dass und wie es geht.

Nicht zuletzt der in Pfaffenhofen ansässige Babynahrungshersteller Hipp, der gestern Abend im Rathaus-Festsaal mit dem erstmals von der Stadt ausgelobten Klimaschutzpreis bedacht wurde – weil er nicht nur lokal, sondern europaweit eine Vorreiterrolle einnehme, fasste Herker die Entscheidung der Jury zusammen. Hipp produziert an seinen Standorten in Deutschland, Österreich und Ungarn klimaneutral, ab dem kommenden Jahr nach eigenen Angaben auch in Kroatien. Allein in Pfaffenhofen verlassen täglich 1,5 Millionen Gläschen das Werk.

Johannes Doms von der Hipp-Geschäftsleitung (links) bekam von Bürgermeister Thomas Herker den Klimaschutzpreis überreicht.

Johannes Doms von der Hipp-Geschäftsleitung war es auch, der den Hauptvortrag des Abends hielt. In Vertretung der erkrankten Sina Trinkwalder, die eigentlich zum Thema “Wunder muss man selber machen“ referieren sollte. Trinkwalder gründete Deutschlands erste nachhaltige Textilfabrik, sie produziert Öko-Textilien entlang einer ökologischen Wertschöpfungskette.

Doms sprach über die Herausforderungen einer nachhaltigen Wirtschafts-, Welt- und Unternehmenspolitik. Die Klimaziele, auf die sich die Länder verständigt haben, bezeichnete er als „nicht wirklich ambitioniert“. Die aktuelle Flüchtlingsproblematik ist aus seiner Sicht unter anderem eine Folge  falscher Wirtschaftspolitik, die seit den 1970er Jahren verstärkt auf Energiegewinnung aus Öl gesetzt hat. Es gehe deshalb nicht nur um Klimaschutz, sondern zugleich um eine vernünftige, nachhaltige Weltpolitik. Dazu gehört natürlich auch der Kampf gegen den Klimawandel.

Für das Unternehmen Hipp sei der CO2-Ausstoß eine Messgröße, so Doms. Es gelte, gezielt Emissionen einzusparen und zu vermeiden. Leider würde oft nur thematisiert, was die dazu nötigen Maßnahmen kosten – und nicht, dass die nachfolgenden Generationen ein Recht darauf hätten. Hipp habe sich bereits im Jahr 1995 – als erster Mittelständler in Europa – nach einem strengen europäischen Umweltmanagement-System zertifizieren lassen und ein nachhaltiges Energie-Management in Angriff genommen. Es gehe darum, die Verbräuche zu reduzieren – und den Mitarbeitern den Schutz der Umwelt als Teil ihrer täglichen Arbeit zu vermitteln.

Preisträger: Ein Teil des Kleiderkammer-Teams um die Vorsitzende Stephanie-Christiane Buck (Vierte von rechts) sowie Johannes Doms von der Hipp-Geschäftsführung. Mit auf dem Bild: der städtische Klimaschutz-Referent Andreas Herschmann, Bürgermeister Thomas Herker und die städtische Klimaschutz-Managerin Kathrin Merkert.

2002 stellte Hipp auf regenerative Energie- und Wärme-Versorgung um, inzwischen habe man hier 100 Prozent erreicht. Seit dem Jahr 2011 schaffe Hipp, was nur wenigen Unternehmen gelinge, betonte Doms: Die klimaneutrale Produktion – aktuell an den Standorten in Deutschland, Österreich und Ungarn, ab nächstem Jahr auch in Kroatien. Allein in Pfaffenhofen werden so etwa 11 500 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Um die Menge an CO2 zu binden, die Hipp insgesamt vermeide, bräuchte es eine Waldfläche in einer Größe von 5000 Fußballfeldern, rechnete Doms vor. Nicht zuletzt dafür wurde Hipp bereits 2011 mit dem Deutschen Solarpreis geehrt. Den Wasserverbrauch hat das Unternehmen in den vergangenen 30 Jahren nach eigenen Angaben um 70 Prozent gesenkt. Nicht vermeidbare Emissionen – zum Beispiel durch Fahrzeuge – werden durch zertifizierte Klimaschutz-Projekte ausgeglichen.

"Weder grüne Spinnerei noch Marketing-Gag"

Nachhaltiges Wirtschaften sei weder „grüne Spinnerei“ noch Marketing-Gag – sondern Notwendigkeit, sagte Doms und hob auch die ethische Dimension hervor. Kurzfristigen Gewinnen und Billigpreis-Politik erteilte er eine klare Absage. Unüberhörbare Kritik übte er, ohne Namen zu nennen, an nicht nachhaltigen Unternehmen wie beispielsweise VW oder der Deutschen Bank.  Den Verantwortlichen solcher Unternehmen warf Doms vor, kein anderes Ziel und keine andere Haltung zu haben, als nur Umsatzrendite und Wachstum. Das führe nun zu „existenziellen Problemen“, sagte er mit Blick auf den Abgas-Skandal und die Milliarden-Verluste der Deutschen Bank.

Auch durch das geplante transatlantische Freihandels-Abkommen TTIP sieht Doms das nachhaltige Wirtschaften gefährdet. Er warb für verantwortliches Handeln und politische Weitsicht. Nicht zuletzt durch nachhaltiges Agieren sei es Hipp gelungen, die Konkurrenz-Marke „Alete“ aus dem Feld zu schlagen. Die Verbraucher fordern seinen Worten zufolge heute verantwortungsvolles gesellschaftliches Handeln von den Unternehmen – „hohe Qualität mit hoher Glaubwürdigkeit“, sei das Rezept.

 

Die ersten Mitglieder der Pfaffenhofener Klimaschutz-Allianz.

Der Stadt Pfaffenhofen und ihren Entscheidungsträgern attestierte Doms Nachdenklichkeit und Weitsicht. Die Klimaschutz-Allianz, die gestern Abend offiziell aus der Taufe gehoben wurde, lobte er als beispielhaften Zusammenschluss. Die 40 Gründungsmitglieder erhielten im Rahmen des Festakts ihre Urkunden. Andreas Herschmann (SPD), städtischer Klimaschutz-Referent und Vorsitzender des hiesigen Energie- und Solarvereins (ESV), betonte, dass jeder seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne. Viele Maßnahmen seien dabei nicht nur gut für das Klima, sondern auch für den eigenen Geldbeutel. Vor allem apostrophierte er Klimaschutz als Heimatschutz. „Wir dürfen unsere Heimat nicht verwüsten.“

Insgesamt waren 16 Projekte für den ersten Pfaffenhofener Klimaschutzpreis nominiert. Man habe in der Jury lange diskutiert und die Entscheidung sei nicht leicht gefallen, berichtete Bürgermeister Herker. Als Kriterien nannte er die Relevanz für den Klimaschutz in Pfaffenhofen, den Innovationsgehalt, den Vorbildcharakter und die Messbarkeit der Einsparungen. Während der Preis an die Firma Hipp ging, wurden zwei weitere Nominierungen besonders erwähnt: Das Werkstatt-Café des Mehrgenerationenhauses als Zeichen gegen die Wegwerf-Gesellschaft und Manfred Niedermeier für sein jahrzehntelanges, beispielgebendes Engagement in vielen Bereichen. Die nominierten Projekte hätten ihn „unglaublich beeindruckt“, sagte Hipp-Vertreter Doms – er nehme die Auszeichnung stellvertretend für alle entgegen.

Freude beim Kleiderkammer-Team über die Auszeichnung.

Mit dem Publikums-Preis wurde das noch junge Sozialprojekt „Kleiderkammer“ bedacht, das rund ein Drittel der Stimmen bekam. Die Weiter- und Wiederverwendung von gebrauchter Kleidung ist nicht nur klimafreundlich, sondern mit dem Erlös werden zudem gemeinnützige oder mildtätige Organisationen unterstützt. Ins Leben gerufen worden war die Kleiderkammer im vergangenen Jahr von der hiesigen SPD; inzwischen wird sie von einem eigenen Verein um die Vorsitzende Stephanie-Christiane Buck geführt. Allein zwischen April und August dieses Jahres konnten 35 Tonnen CO2 und 13 500 Kubikmeter Wasser eingespart werden. Insgesamt seien bereits 11 000 Kleidungsstücke ausgegeben worden, berichtete die sichtlich bewegte Vereinsvorsitzende Buck. „Das ist fast wie bei den Oscars, nur viel sinnvoller“, sagte sie in ihrer kurzen Rede und dankte den ehrenamtlichen Helfern, die „das Herz der Kleiderkammer“ seien.

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