Im Gegensatz zur CSU unterstützen die Grünen den Vorschlag der SPD, im Landkreis partei-übergreifende Dialog-Veranstaltungen zur Flüchtlingskrise abzuhalten
(ty) Mit seinem Vorschlag, im Landkreis Pfaffenhofen partei-übergreifende Dialog-Veranstaltungen zur Flüchtlingskrise abzuhalten, ist SPD-Kreischef Markus Käser bei den Christsozialen bekanntlich ins Leere gelaufen. Aus Sicht des Landtagsabgeordneten und CSU-Kreisvorsitzenden Karl Straub ist nämlich genug geredet. Nun sei Handeln angesagt, soweit das im Landkreis möglich sei. Käsers Vorstoß erteilt Straub im Namen der Kreis-CSU jedenfalls eine klare Absage. Er rede gerne mit Käser, ließ Straub wissen, aber man brauche erst einmal keine Dialog-Veranstaltungen mehr – denn die habe es zur Genüge gegeben. Lesen Sie dazu: Es muss (nicht mehr) geredet werden!
Käser sieht das freilich ganz anders. „Selbstverständlich brauchen wir die gesellschaftspolitische Debatte. Gerade jetzt. Wir stehen erst am Anfang“, betonte er und versicherte, an seinem Vorhaben festzuhalten: „Wir werden in der nächsten Zeit dieses Gesprächsangebot machen. Über ein entsprechendes Format werden sich diejenigen einigen, welche Interesse daran haben.“ Ein erster Gesprächspartner steht mit den Grünen auch bereits parat, wie deren Kreisvorsitzende Kerstin Schnapp heute gegenüber unserer Zeitung bestätigte. Man stehe "erst am Anfang einer umfassenden Debatte", sagt sie.
Schnapp: Erst der Anfang der Debatte
„Übers Red’n kemma d’Leid zamm“, formuliert Schnapp es auf gut Bayerisch. Deshalb seien die vom Landkreis abgehaltenen Bürgerversammlungen zum Thema Asyl, bei denen vor allem die Bürger das Wort hatten, ein wichtiger und richtiger Schritt gewesen. „Sicherlich haben sie auch bei den einzelnen politischen Akteuren dazu beigetragen, zu einem Meinungs- oder Stimmungsbild zu kommen“, sagt sie. In ihren Augen stellen diese Veranstaltungen jedoch keinesfalls das Ende der Diskussion dar, sondern sie bilden – ganz im Gegenteil – den Anfang einer umfassenden Debatte: „Wie wollen wir unsere Gesellschaft vor dem Hintergrund der weltweiten Fluchtbewegungen gestalten?“, formuliert Schnapp als Leitfrage.
„Der Artikel 21 unseres Grundgesetz sagt: Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“, so Schnapp. „Und wie könnte man in einer Demokratie besser daran mitwirken, als im Dialog mit den Bürgern, mit Organisationen und Vereinen, mit anderen Parteien.“ Den Vorschlag der Kreis-SPD, partei-übergreifende Dialog-Veranstaltungen zur Flüchtlingskrise im Landkreis zu organisieren, unterstützen die Grünen deshalb ausdrücklich, so Schnapp. „Und natürlich sind wir auch gerne aktiv dabei.“
"Beherrscht von Emotionen"
Die Flüchtlingsdebatte sei von Anfang an "beherrscht von Emotionen", so Schnapp. „Als wir die Bilder des toten Jungen am Strand gesehen haben, war klar: So etwas darf nicht passieren, wir müssen helfen. Jetzt sehen wir die Bilder der Silvesternacht und es entsteht die Angst: Sind alle Flüchtlinge, die zu uns kommen, potenzielle Kriminelle?“ Für Schnapp ist klar: „Sobald die Dinge emotionalisiert werden, leidet die Urteilskraft.“ Wenn man aber die weltweite Flüchtlingskrise lösen wolle und sich den Herausforderungen, die sie auch für Deutschland mit sich bringt, stellen wolle, „dann braucht es einen kühlen Kopf und sachliche Diskussionen“.
Rund um das Thema Migration und Flüchtlinge gibt es nach Meinung der Grünen im Landkreis jedenfalls „einen breiten Themenkomplex, der einer öffentlichen Debatte bedarf“. Was ist unsere Gesellschaft bereit, für die Flüchtlinge zu leisten? Wie kann Integration gelingen? Das seien dabei nur zwei der zentralen Fragen, so Schnapp. Auch den Dialog mit den Flüchtlingen sehe sie als wichtigen Baustein einer offenen Diskussion. „Es stellt sich auch die Frage: Wie wollen wir unsere Gesellschaft weiter entwickeln?“, sagt sie.
"Gesamtgesellschaftlicher Diskussionsbedarf"
„Nehmen wir die Silvesternacht“, führt Schnapp aus. „Auf der einen Seite dreht es sich bei den Vorkommnissen um Übergriffe von Männern auf Frauen, wie sie leider überall Tag für Tag vorkommen. Auf der anderen Seite stehen wir vor dem Problem, dass viele Bürger das Gefühl haben, hier wurde seitens der Medien die Herkunft der Täter verschwiegen.“ Dazu erklärt sie weiter: „Nun haben wir einen Pressekodex, der besagt, man benennt die Herkunft der Täter nur, wenn es für den Fall relevant ist, um keine Vorurteile zu schüren. Es ist also dem Gewissen des Journalisten überlassen, hier verantwortungsvoll zu handeln. Und allein an der Diskussion, die darüber entbrannt ist, ob Presse und Politik wahrheitsgemäß berichten, erkennen wir: Es besteht gesamtgesellschaftlicher Diskussionsbedarf.“
Das Ankommen der Flüchtlinge wecke auch Ängste, sagt Schnapp. Ein Punkt, über den man offen diskutieren sollte, sei deshalb: „Wie mit dieser Angst umgehen? Wie viel Freiheit wollen wir für das Gefühl von Sicherheit aufgeben?“ Menschen neigen ihrer Einschätzung nach dazu, in unübersichtlichen Zeiten nach Ankern zu suchen, die man eindeutig ansprechen kann. „Fremde werden da schnell zu Sündenböcken.“
Freiheit, Hate-Speech und Internet
Polen sei gerade dabei, getragen von der Angst vor Fremden, die Medien und die Justiz zu beschneiden. „Man kann zusehen, wie schnell das geht“, mahnt Schnapp. „Es scheint einfach, jetzt dem Ruf nach mehr Sicherheit – Polizeipräsenz, Videoüberwachung, Alkoholverbot bei Großveranstaltungen, härtere Strafen – zu folgen. Aber wenn wir das tun, dann verlieren wir unsere Freiheit. Wollen wir das wirklich? Ändert das Ankommen der Flüchtlinge unserer Wertesystem?“
Auch die Diskussionskultur scheine sich mit der Flüchtlingskrise verändert zu haben, findet Schnapp und verweist auf die sozialen Netzwerke. Strafbare Hassbotschaften sollten öfter und schneller gelöscht werden – das sei das Ziel der Gespräche, die Bundesjustizminister Heiko Maas mit Unternehmen wie Facebook und zivilgesellschaftlichen Organisationen führe. Das sei aber nicht das Ende der Debatte darüber, wie man mit „Hate-Speech“ im Netz umgehe. Hasserfüllte und möglicherweise strafbare Kommentare finden sich auch immer wieder auf lokalen Facebook-Seiten oder in hiesigen Diskussions-Gruppen. „Für mich ist das ein Indiz dafür, dass wir auch vor Ort deutlichen Gesprächsbedarf über unsere Diskussionskultur haben“, so Schnapp.
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