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In dem Hohenwarter Ortsteil sollen Flüchtlinge untergebracht werden: Vorerst nur 20 statt möglichen 40 – Beim Info-Abend waren Ängste, Sorgen und Vorurteile greifbar 

(ty) „Ja, ich war mit Tobias Zell von Pfaffenhofen-today vor Ort!“ Bürgermeister Manfred Russer (CSU) steht in Weichenried offenbar unter Beobachtung. Man habe ihn gesehen, hieß es auf der lebhaften Bürgerversammlung in Lindach – nicht ohne spürbares Misstrauen. Der Rathauschef steht bei manchen in der Kritik, seit bekannt geworden ist, dass im Hohenwarter Ortsteil Weichenried Flüchtlinge in Häusern untergebracht werden sollen, die direkt neben der B 300 stehen. Möglich wäre die Unterbringung von bis zu 40 Asylbewerbern. 

Der Hintergrund ist bekannt: Weil die Bundesstraße 300, auf der jeden Tag Tausende von Autos und Lastwagen durch den Ort rollen, um Weichenried herumgelegt werden soll, bietet sich für die Kommune die Gelegenheit, bis zu 40 Flüchtlinge in dem Dorf unterzubringen. Denn im Vorgriff der Baumaßnahme wurden vier Anwesen vom Staat aufgekauft – diese Grundstücke werden, vereinfacht gesagt, für einen Lärmschutzwall gebraucht. „Lange, zähe Verhandlungen“ seien das Gewesen, berichtete Russer vor gut zwei Wochen bei dem besagten Ortstermin unserer Zeitung. Viel Überzeugungsarbeit habe man leisten müssen, außerdem ging es um Tauschgrundstücke und Ausgleichszahlungen. Aber das ist wieder eine eigene Geschichte. 

 

Um diese Häuser geht es; rechts Bürgermeister Manfred Russer.

Eines der vier abgelösten Anwesen ist nicht mehr bewohnbar, so Russer. In einem zweiten Haus lebe derzeit noch die Familie, bis ihr gerade entstehender Neubau fertig ist. Zwei Gebäude sind aber leer und nutzbar. Die vier Anwesen stehen derzeit unter der Verwaltung des Staatlichen Bauamts Ingolstadt, sagt der Bürgermeister, dem angesichts des nicht abreißenden Flüchtlingsstroms die Idee kam, in die beiden Gebäude übergangsweise Asylbewerber einzuquartieren.  

Denn auch in der Gemeinde Hohenwart sucht man händeringend nach Unterkünften. Die 19 Kommunen im Landkreis Pfaffenhofen haben sich bekanntlich im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung bereit erklärt, jeweils zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl an Flüchtlingen aufzunehmen. Zugleich wollen sich die Gemeinden darum kümmern, die dafür nötigen Quartiere zu akquirieren oder notfalls selbst zu bauen.  

Zwei Prozent, das bedeutet für die Gemeinde Hohenwart: 90 Asylbewerber. 50 sind hier bereits untergebracht, allesamt im Hauptort. Fehlen also noch Plätze für 40 Personen. Und jetzt kommen also die beiden leer stehenden Anwesen in Weichenried ins Spiel. Man hatte diese bereits besichtigt – und war zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Gebäude erstens sehr gut eignen und dass zweitens hier bis zu 40 Leute einziehen könnten. Damit hätte die Gemeinde auf einen Schlag ihr Soll erfüllt. Aber so einfach ist das alles nicht.

 

Rappelvoll war der Raum beim Info-Abend.

Das Vorhaben hat schon vor Wochen etwa 50 besorgte bis empörte Anwohner, teilweise mit Kindern, an den Rand der viel befahrenen Straße getrieben. Damals sammelten sie Unterschriften gegen die geplanten Asyl-Unterkünfte. Am Donnerstagabend nun haben Russer und Landrat Martin Wolf (CSU) sowie zwei Abteilungsleiter der Kreisbehörde und der Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU) sich – wie angekündigt – bei einem Info-Abend den Fragen der Bevölkerung gestellt. 

Im großen Saal beim Wirt in Lindach war kein Stuhl mehr frei. Für ein halbes Dutzend Leute war das aber kein Grund, wieder heim zu gehen. Sie blieben am Eingang stehen und hörten von dort aus zu, was ihnen die Kommunalpolitiker und Behördenvertreter zu sagen hatten. Vor allem die Frage nach der Anzahl der Flüchtlinge, die in Weichenried untergebracht werden sollen, wurde gestellt. Landrat Wolf sprach davon, dass maximal eines der beiden Häuser ausschließlich mit Einzelpersonen belegt werden soll. Etwa 20 Menschen könnten in einem Gebäude untergebracht werden – so auch die Schätzung der kritischen Anwohnerin Ramona Reitberger. 

Landrat Martin Wolf.

Man wolle sich bemühen, nicht nur alleinstehende junge Männer, sondern auch Familien in Weichenried einzuquartieren, versicherte der Landrat. Heute bestätigte Wolf das noch einmal gegenüber unserer Zeitung. Eines der beiden Häuser soll demnach mit 20 männlichen Asylbewerbern voll belegt werden. Das zweite bleibe für Familien reserviert – hier könnte laut Wolf eine von Obdachlosigkeit bedrohte Hohenwarter Familie einziehen, später dann eventuell auch ankerkannte Flüchtlingsfamilien oder Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs hier ankommen. 

Junge Frauen aus Weichenried drückten beim Info-Abend ihre Sorgen aus. „Wer garantiert mir, dass ich nachts unbehelligt zu meiner Freundin rübergehen kann“, fragte eine attraktive Zuhörerin. Eine absolute Sicherheit könne niemand garantieren, hieß es vorne auf dem Podium. Wolf erläuterte, dass sich das Bewusstsein seit den Vorfällen von Köln verändert habe. „Die Öffentlichkeit ist hypersensibilisiert.“ Doch er stellte auch klar, dass Asylbewerber nicht mehr und nicht weniger kriminell seien als der Rest der Bevölkerung: „Sie haben keine Vergewaltiger, Gewalttäter, keine Diebe, keine Verbrecher vor sich!“

 

Bürgermeister Manfred Russer (rechts), Landtagsabgeordneter Karl Straub.

Der Abgeordnete und CSU-Kreischef Straub erzählte, dass er seit Jahren mit seiner Familie in Wolnzach direkt neben Wohncontainern lebt, in denen Asylbewerber untergebracht sind. Ohne irgendwelche Probleme, wie er betont. Demnächst werden die Container bekanntlich durch feste Gebäude ersetzt. Dann werden noch deutlich mehr Flüchtlinge in Straubs Nachbarschaft leben – was ihm nichts ausmacht. Und bei Vorkommnissen könnten ihn die Bürger gern am Handy anrufen, bietet Straub an. 

Die Weichenrieder waren durch solche Schilderungen nicht zu beruhigen. Sie brachten ihre Enttäuschung zum Ausdruck – und fürchten außerdem, dass die Nutzung der Häuser als Asyl-Unterkünfte den Bau der Umgehungsstraße verzögern könnten. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, versicherte Bürgermeister Russer einmal mehr. Schließlich sei für den Bau der Umgehungsstraße der Bund zuständig.  Schon vor zwei Wochen, beim Ortstermin mit unserer Zeitung, hatte der Rathauschef betont, dass die Nutzung der beiden Weichenrieder Anwesen als Flüchtlings-Unterkunft nur übergangsweise gedacht sei. „Maximal zwei Jahre“, lautete seine Ansage. So sei das auch vom Staatlichen Bauamt vorgesehen.

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