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Die Unterbringung von Flüchtlingen stellt die Solidarität der Gemeinden im Landkreis Pfaffenhofen auf die Probe – denn manche Kommunen haben gehörigen Nachholbedarf. Landrat Martin Wolf (CSU) hielt im Kreistag eine "Ruck-Rede", nimmt alle Kommunalpolitiker in die Pflicht und zeigt zugleich auf, was schlimmstenfalls nötig sein wird. 

Hintergrund: Asyl-Unterkünfte: Landrat Wolf schlägt Alarm

Von Tobias Zell

Die vielbeschworene Solidarität unter den Pfaffenhofener Landkreis-Gemeinden bei der Aufnahme von Asylbewerbern wird auf eine nicht zu unterschätzende Probe gestellt. Erste offene Unmuts-Bekundungen werden laut an die Adresse derer, die ihr Soll nicht erfüllen. Zugleich drohen die, welche ihre Quote übererfüllen, erst einmal keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, bis die anderen aufgeholt haben. Rufe nach Konsequenzen für die Kommunen mit Nachholbedarf werden laut.

Und mittendrin Landrat Martin Wolf (CSU), der von einer „Herkules-Aufgabe“ spricht, die Gefahr einer brechenden Solidarität offen ausspricht, an die Verantwortung aller Kommunalpolitiker appelliert und davor warnt, nun aufeinander loszugehen. Der aber auch unmissverständlich klar macht, dass er notfalls bereit ist, öffentliches Eigentum in den Gemeinden zu beschlagnahmen, um die Flüchtlinge unterzubringen – und zugleich betont: „Ich hoffe, dass wir davon keinen Gebrauch machen müssen.“

17 von 19 Gemeinden haben Nachholbedarf

Zahlen lügen nicht, sagt man. Und in diesem Fall bergen genau diese Zahlen den Zündstoff. Denn verständigt hatte man sich im Landkreis darauf, dass jede Kommune zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl an Flüchtlingen aufnimmt sowie die entsprechenden Unterkünfte akquiriert und notfalls selbst errichtet. Nun ist es aber so, dass momentan manche Gemeinden noch so gut wie keine Asylbewerber untergebracht haben, während zwei ihr Soll bereits übererfüllt haben und weitere vier auf dem Weg dahin sind. Dazwischen liegen viele, die manches in die Wege geleitet, aber bei denen Zielvorgabe und Wirklichkeit noch weit auseinanderklaffen.

Eine Erläuterung der aktuellen Situation anhand der Zahlen lesen Sie hier.

Wie berichtet, hat sich Wolf angesichts der Situation mit einer Art Brandbrief an seine Bürgermeister gewandt. „Für unseren Landkreis ist in dieser angespannten Situation wichtig, dass die bisher gelebte Solidarität der Gemeinden nicht zu Bruch geht“, mahnt er in der E-Mail an die Rathauschefs, die unserer Zeitung vorliegt. „Dies bedeutet, dass jede Gemeinde konsequent anteilig den gleichen Beitrag zur Unterbringung leistet wie die andere.“ Er bittet darum, die Situation in den Kommunen zu besprechen – und ruft zugleich die Drei-Prozent-Marke als neues Planungsziel aus. Dabei sind viele noch meilenweit von der längst vereinbarten Zwei-Prozent-Quote entfernt.

 

Aktuelle Situation in Sachen Asylbewerber-Unterbringung und geplante Unterkünfte im Landkreis. Zur Erklärung: Die Flüchtlingen auf dem Pfaffenhofener Trabrennbahn-Gelände werden der Stadt zu 50 Prozent angerechnet. Die Abkürzung "umF" steht für "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge".

In der gestrigen Sitzung des Kreistags hat Wolf die aktuellen Zahlen vorgelegt. Die „sprechen gut für sich selbst“, befand er. Und sie sagen: Selbst wenn alle derzeit in der Umsetzung befindlichen Maßnahmen realisiert sind, kommt der Landkreis lediglich auf eine Quote von 1,8 Prozent. Denn während überlegt, verhandelt und akquiriert wird, weist die Regierung von Oberbayern dem Kreis pro Woche rund 50 Flüchtlinge zu. Die Projekte, die die Gemeinden derzeit noch in der Mache haben, würden – wenn sie alle realisiert werden – gut 550 Plätze bringen. Das reicht für elf Wochen. 

Und weil Wolf aus Erfahrung weiß, dass die Realisierung von Asyl-Unterkünften im Schnitt ein Vierteljahr dauert, sagt er: „Wir müssen drei Monate vorausschauen, und dieses Vorausschauen beginnt jetzt.“ Um die Belegung von Turnhallen sei man bislang herumgekommen, erinnert er und lobt demonstrativ die große Solidarität unter den Gemeinden. Das Bemühen bei allen Bürgermeistern sei ungebrochen, attestierte er – das Positive sagt man ja bekanntlich immer zuerst. Denn Wolf ergänzte umgehend, es drohe die Gefahr „dass diese Solidarität brechen könnte“.

 

Landrat Martin Wolf (CSU) erläuterte die Situation.

Für diese sorgenvolle Diagnose hat der Landrat drei Symptome ausgemacht. Erstens: Die Gemeinden, die bald über zwei Prozent liegen, wollen keine weiteren Schritte einleiten, solange die anderen Kommunen nicht ihre Quote erfüllt haben. Zweitens: Manche Gemeinde, die hinterherhinkt, meine: Die Unterbringung von Asylbewerbern sei doch eigentlich Sache des Landkreises und nicht ihre. Und drittens: Eine rechtlich verbindliche Gemeinde-Quote gebe es ja eigentlich gar nicht – was zu einem gewissen „Stillhalten“ führe. 

Doch Wolf warnte jetzt im Kreistag: „Wenn die Solidarität unter den Politikern bricht, brauchen wir uns nicht wundern, wenn sie auch in der Bevölkerung bricht.“ Sein Appell lautet deshalb: „Alle Kommunalpolitiker müssen jetzt Führungsrollen einnehmen.“ Man müsse „absolut Kurs halten“ und die Unterbringung von Flüchtlingen gegenüber den Bürgern vertreten. Derart in die Pflicht genommen wurden lokale Mandatsträger selten. 

"Unter aller Kanone"

„Rechten Äußerungen müssen wir eine ganz klare Absage erteilen“, so Wolf weiter. Es gebe Positionen, die seien „nicht entschuldbar“. Im Landratsamt gehen seinen Worten zufolge E-Mails ein, deren Inhalt „unter aller Kanone“ sei. Außerdem fordert der Landrat die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ein: Man könne nicht nur die positiven Seiten der Internationalität annehmen. Hätte ein Bundespräsident einen solchen Vortrag gehalten, man würde sich nicht scheuen, von einer „Ruck-Rede“ sprechen. 

„Ihr Appell an die Kommunen in allen Ehren“, sagte Martin Schmid, SPD-Fraktionschef und Bürgermeister von Vohburg, mit Blick auf die vorgelegten Daten zum Stand der Asyl-Unterkünften in den Kommunen: Aber die Zahlen seien teils erschreckend. „Irgendwo ist die Grenze erreicht“, so Schmid, der deshalb wissen wollte, was Wolf zu tun Gedenke, wenn Gemeinden die eingeforderte Solidarität nicht umsetzen, sprich: ihre Quote nicht erfüllen. 

"Vermeiden, dass wir aufeinander losgehen"

Er wolle gerade vermeiden, „dass wir aufeinander losgehen“, entgegnete Wolf , „aber wir haben einen Plan B und C.“ So besitze der Landkreis zum Beispiel in Pfaffenhofen zwei Grundstücke. Pikant ist aber: Die Kreisstadt ist gerade dabei, ihre Quote mehr als zu erfüllen. Außerdem verwies Wolf darauf, dass es aus Pfaffenhofen die Zusage gebe, im Notfall eine der hiesigen Turnhallen belegen zu können. 

Wenn aber alles nichts hilft, das machte Wolf vor den Kreisräten klar, „dann beschlagnahmen wir öffentliches Eigentum in den Gemeinden“. Er hoffe jedoch, „dass davon kein Gebrauch gemacht werden muss“. Der Fingerzeig war indes unmissverständlich. Der Druck auf die Kommunen, die massiv hinter ihrer Quote zurücksind, wird damit drastisch erhöht. 

Die Kreisstadt erkläre sich bereit, über die zwei Prozent hinaus weitere Kapazitäten zu stellen, versicherte Bürgermeister Thomas Herker (SPD), um zugleich zu betonen: „Dann ist Schicht im Schacht.“ Der Nachholbedarf mancher Gemeinden sei „teilweise eklatant“, so Herker – er erwartet deshalb auch die Zusicherung des Landrats, dass dort Flächen beschlagnahmt werden, wenn nichts vorwärts geht.

 

Geisenfelds Rathauschef Christian Staudter: "Auf Solidarität angewiesen."

Auch Bürgermeister Christian Staudter aus Geisenfeld, der für die AUL im Kreistag sitzt, unterstrich den Handlungsbedarf der Kommunen, die noch hinter der Quote liegen. Seine Stadt hat bereits jetzt 2,7 Prozent erfüllt. „Wir sind auf die Solidarität angewiesen.“

Manfred Russer (CSU), Bürgermeister von Hohenwart und Sprecher der Rathauschefs im Landkreis, entgegnete Herker: Man solle nicht mit Zwang arbeiten, sondern an die Solidarität appellieren. „Wir haben uns das in die Hand versprochen“, erinnerte er an die Zwei-Prozent-Verpflichtung, der sich die 19 Gemeinden freiwillig unterworfen haben. Das Engagement von Geisenfeld und Pfaffenhofen sei aller Ehren wert, sagte Russer, ergänzte aber mit Blick auf die Kommunen, die noch Nachholbedarf haben: Man dürfe „jetzt nicht mit der Keule durch den Landkreis laufen“. An die Adresse des Landratsamts warnte er vor der Belegung von Turnhallen – dieser Schritt würde seiner Meinung nach die Situation und die Stimmung nicht verbessern, sondern verschlechtern.

"Hausaufgaben nicht gemacht" 

Werner Hammerschmid (SPD) übte auf Basis der vorgelegten Zahlen deutliche Kritik an einzelnen Gemeinden. Da gebe es drei Kommunen, „die nicht mal ansatzweise Vorschläge machen“, monierte er. Man müsse Ross und Reiter nennen, wenn die „Hausaufgaben nicht gemacht“ würden. Namen nannte er zwar nicht, gemeint waren aber mutmaßlich die Gemeinden, die zum einen noch kaum Flüchtlinge aufgenommen haben und zum anderen laut aktueller Daten keine konkreten Pläne zur Schaffung von Unterkünften hegen. 

Das wären Gerolsbach (Ist: 8, Soll 68), Hettenshausen (Ist: 6, Soll 42) und Pörnbach (Ist: 10, Soll 42). Da müsse man auch mal fragen, warum hier nichts passiert, so Hammerschmid sinngemäß. Die Antwort sei „wahrscheinlich nicht so angenehm“, meinte er. Landrat Wolf wollte das ausdrücklich nicht kommentieren, während Russer eine Lanze für seine Amtskollegen brach: Alle würden ihr Bestes tun.

"In Harmonie und Konsens geht es nicht mehr" 

Kerstin Schnapp, die Kreisvorsitzende der Grünen, meinte, man solle jetzt keine gegenseitigen Schuldzuweisungen äußern, sondern lieber auf die Bürger zugehen, um weitere Unterkünfte zu akquirieren. Nach der Sitzung erklärte sie in einem ergänzenden Statement gegenüber unserer Zeitung: Es sei ebenso falsch, sich vor der Quote wegducken zu wollen, wie zu drohen, man nehme nach der Erfüllung der Zwei-Prozent-Marke erst dann wieder Flüchtlinge auf, wenn die anderen Gemeinden ihren Nachholbedarf aufgearbeitet hätten.

Das Schlusswort der Debatte im Kreistag hatte Landrat Wolf – und der gab damit zugleich die Marschroute vor. „Die Gemeinden, die hinten dran sind, müssen jetzt ran“, appellierte er. Das sei „keine Wohlfühl-Veranstaltung“. Bei der Akquise von Unterkünften oder von Flächen zum Aufstellen von Zelten oder Containern nehme man praktisch alles – von Bolzplätzen bis Pfarrgärten. „In Harmonie und im Konsens geht es nicht mehr.“

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