Reichertshausen: Während der Staatsanwalt wegen des "Asylabwehr"-Panzers ermittelt, beginnt in der Gemeinde die Aufarbeitung des bundesweit für Schlagzeilen sorgenden Vorfalls. Die Lokalpolitiker wollen Konsequenzen ziehen, damit so etwas nicht mehr passiert.
Von Tobias Zell
Während die Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung noch laufen, hat in Reichertshausen die Aufarbeitung der „Panzer-Affäre“ begonnen, durch die es die Gemeinde auf traurige Weise zu bundesweiter Berühmtheit gebracht hat. Beim Faschingszug des OCV Steinkirchen war bekanntlich ein im Stile eines Wehrmachts-Panzers gebauter Wagen mitgetrollt, der die Aufschriften „Ilmtaler Asylabwehr“ und „Asylpaket III“ trug. Das Gefährt sorgte für eine Welle der Empörung, brachte den Verantwortlichen harsche Kritik ein, warf gar ein braunes Licht auf die Kommune, den Verein und rief nicht zuletzt die Staatsanwaltschaft auf den Plan.
Am vergangenen Freitag tagte der Gemeinderat, auf der Tagesordnung stand auch der folgenreiche Faschingszug. Bürgermeister Reinhard Heinrich (CSU) stellte gleich eingangs noch einmal klar: „Ich hätte den Wagen nicht mitfahren lassen.“ Er war aber selbst nicht beim Faschingszug, sondern schonte sich nach einer Operation und war daheim. Von dem Beben, das der Panzer auslöste, blieb er dennoch nicht verschont. Medienvertreter aus der ganzen Republik haben ihn in den folgenden Tagen „regelrecht belagert“, schreibt er in einem Kommentar, der im aktuellen Gemeindeblatt veröffentlicht ist.
"Kein braunes Nest"
Er habe den OCV Steinkirchen gegen den Vorwurf einer braunen Gesinnung in Schutz genommen, berichtet Heinrich von seinen Interviews. Denn der Verein habe keine rechte Gesinnung. „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.“ Zu dieser Aussage stehe er uneingeschränkt. Und Reichertshausen sei auch kein braunes Nest. „Der Ruf, den wir deutschlandweit erhalten haben, entspricht absolut nicht unserer Bürgerschaft und unserem Denken. Wir sind eine Gemeinde, die weltoffen ist und gerne ausgelassen und vergnügt feiert.“
Heinrich ließ aber auch wissen, dass sich so etwas nicht wiederholen darf. Und dass es noch eine monetäre Verirrung aus der Welt zu schaffen gilt. Denn, wie berichtet, war – wie alle am Faschingszug teilnehmenden Wagen – auch der Asylabwehr-Panzer mit einem Zuschuss aus der Gemeindekasse bedacht worden: 150 Euro gab es für das närrische Kriegsgefährt. Es dürfe nicht im Raum stehen, dass die Kommune so etwas aus Steuergeldern bezuschusse oder gar fördere, erklärte der Rathauschef.
Behalten die Panzer-Fahrer ihre 150 Euro?
Das ist inzwischen geregelt. Wie Konrad Moll (UWG), der auch als Leiter des Faschingszugs fungierte, seinen Ratskollegen erklärte, erstatte der OCV der Gemeinde das Geld. Ob der Faschingsverein sich die 150 Euro wiederum von der Privatgruppe zurückholt, die mit dem unseligen Panzer an dem Umzug teilnahm, wurde nicht thematisiert. Auch die Frage, ob die „Panzer-Besatzung“ auf die Idee gekommen ist, das Geld von sich aus zurückzugeben, wurde nicht gestellt – und bleibt somit vorerst unbeantwortet.
Jedenfalls hat der Panzer seine Spuren hinterlassen. „Es werden Narben bleiben“, sagt der Bürgermeister. Der Vorfall sei eine „schwierigen Situation und der muss man sich stellen“. Zugleich aber betont Heinrich: „Es muss irgendwann wieder Ruhe sein und wir müssen nach vorne schauen.“ So etwas dürfe nicht noch einmal passieren – und genau hier setzt er an: Was kann man tun, damit sich so etwas nicht wiederholt? Der OCV sei „ein Aushängeschild“ und ein „Botschafter“ der Gemeinde. Aber das sei eben kein Automatismus, daran müsse man arbeiten. Der Verein habe es jedenfalls nicht verdient, so in die Kritik zu geraten.
In die Schusslinie geriet in dem Wirbel um den Panzer auch Zugleiter Moll. „Er betonte, dass er den Wagen nicht zugelassen hätte, wenn er sich der Tragweite bewusst gewesen wäre“, schreibt der Bürgermeister im Gemeindeblatt und verweist darauf, dass Moll sich offiziell entschuldigt habe. „Ich finde, dies sollte man akzeptieren und es nach all den Turbulenzen nun gut sein lassen.“ Auch der OCV hatte sich von dem Panzer distanziert und den Vorfall bedauert.
"Wir haben uns alleine gefühlt"
Moll berichtete am Freitag dem Gemeinderat, wie er die Folgen des Faschingszugs erlebt hat. In Facebook sei „die Hölle los“ gewesen. Interview-Anfragen erreichten auch ihn. Beschimpft worden sei er im Internet, Rücktrittsforderungen seien an seine wie auch an die Adresse der OCV-Verantwortlichen geäußert worden. „Wir haben uns alleine gefühlt“, sagte er. Und es sei „traurig“, dass man keine Unterstützung bekommen habe. Auch die Kripo sei bei ihm gewesen, so Moll. Er habe darunter gelitten, dass in den Medienberichten auch immer sein Name genannt worden sei, „dass ich so reingezogen worden bin“. Zur Erinnerung: Er ist Gemeinderat und war der Zugleiter.
Klaus König (CSU) lobte die offenen Worte von Moll als „nicht selbstverständlich“. Sie seien auch ein Zeichen dafür, dass man bereits mitten im Aufarbeitungsprozess stehe. „Wir sind sensibilisiert durch den Vorfall“, so König.
Heinrich zeigte sich der Überzeugung, man könne auch einen Faschingszug „nicht völlig unzensiert lassen“. Man müsse mit der Verantwortung umgehen, die eine solche Veranstaltung mit sich bringe. Zugleiter Moll räumte ein, dass der Panzer-Wagen „verkehrt beurteilt“ worden sei. Er sprach sich aber dagegen aus, bei künftigen Faschingszügen gewisse Themen grundsätzlich zu verbieten. Das sei „bedenklich“ und „gefährlich“, meinte er und schwang sich gar zu der Feststellung auf: „Einfach sagen, manche Themen dürfen nicht behandelt werden, finde ich kritischer, als wenn der Panzer mitfährt.“
Facebook-Post von Florian Simbeck, einige Tage nach dem Faschingszug.
Wolfgang Linner (CSU) warb für Sensibilität. Er sei auch gegen eine komplette Zensur, aber bei gewissen Themen müsse man genau hinschauen. Er erinnerte daran, dass kurz vor dem Faschingszug die AfD noch laut über den Einsatz von Schusswaffen an den Grenzen nachgedacht hatte. Man müsse künftig „hellhörig werden bei der Voranmeldung“ der Wagen und Gruppen. Es gelte ein Konzept zu erarbeiten, damit so etwas nicht wieder passiert. Wenn sich so etwas nämlich wiederhole, „dann haben wir ein Riesenproblem“.
„Nachtarocken bringt nichts mehr“, befand Florian Hepting (CSU), es gelte nun, die Lehren aus dem Vorfall zu ziehen. Er forderte ebenfalls ein Konzept und hohe Sensibilität. Es gehe ja auch um den Schutz der Ehrenamtlichen. Verblieben ist man wie folgt: Man will sich zwischen Ostern und Pfingsten zusammensetzen und konkret über ein Konzept beraten. Im Prinzip muss es um die Frage gehen: Wie kann und will man sicherstellen, dass die Wagen und Gruppen, die beim OCV-Faschingszug mitmarschieren, vor dem Start unter die Lupe genommen und gegebenenfalls ausgeschlossen werden?
Kritik an Simbecks Veröffentlichung
Der Dritte Bürgermeister Benjamin Bertram-Pfister (SPD) distanzierte sich von der Form der Veröffentlichung durch seinen Parteifreund Florian Simbeck. Der als Schauspieler weithin bekannte Sozialdemokrat Simbeck, wohnhaft in Reichertshausen und Mitglied des Pfaffenhofener Kreistags, hatte den „Asylabwehr“-Panzer am Tag des Umzugs scharf verurteilt und einen entsprechenden Kommentar inklusive Fotos auf Facebook veröffentlicht. Bertram-Pfister hätte sich andere Mittel gewünscht, um den Faschingswagen anzuzeigen. Er ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass der Panzer ein „No-Go“ war. Sein Fazit: Es gibt nach diesem Vorfall nur Verlierer.
Franz Lechner (UWG) bezeichnet den Panzer an sich schon als gewagt, verurteilte dessen Aufschrift aber in jedem Fall als Fehler. Auch er attestierte Simbeck einen „sehr großen Fehler“. Der SPD-Politiker habe „immensen Schaden angerichtet“, monierte Lechner und verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass in der Gemeinde demnächst Flüchtlinge aufgenommen werden.
"Ganz schön große Welle losgetreten"
Bemerkenswerterweise äußerte niemand von denen, die im Gemeinderat Kritik an Simbeck übten, den Gedanken, dass praktisch jeder von den Hunderten von Zuschauern ein Foto von dem Panzer hätte machen und online stellen können. Die Wirkung wäre, wenngleich vielleicht etwas verzögert, im Grunde dieselbe gewesen. Bei der Polizei gingen übrigens mehrere Anzeigen wegen des Panzers ein. Von Simbeck war keine davon, wie der mehrfach versichert hat.
Simbeck hatte sich wiederum einige Tage nach dem Faschingszug erneut in Facebook zu Wort gemeldet: „Da habe ich wohl eine ganz schön große Welle losgetreten“, schrieb er. „Viel größer, als ich es jemals voraussehen konnte und wollte.“ Er verurteilte in dem Post auch die Diffamierungen und Hass-Kommentare: „Mit Beleidigungen gegen meine Person kann ich leben. Aber den gesamten OCV, die ganzen Ehrenamtlichen, deren Garde, die Kinder, die gesamte Gemeinde in den Dreck zu ziehen und zu beschimpfen, ist definitiv genauso geschmacklos, wenn nicht noch schlimmer, als mit einem Nazi-Panzer bei einem Faschings-Umzug mitzufahren.“
Bisherige Berichte zum Thema:
Balsam auf die geschundenen Seelen des OCV Steinkirchen
"So etwas darf nie wieder passieren"
"Asylabwehr"-Panzer wird zum Politikum