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Bei den Pfaffenhofener Geldinstituten sorgen die jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank für Verständnislosigkeit – In den Vorstands-Etagen findet man ungewöhnlich deutliche Worte. 

Von Tobias Zell

In Banker-Kreisen wird Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), gerne Super-Mario genannt. Doch was er da gestern verkündet hat, das findet man bei den hiesigen Geldinstituten gar nicht super. Ganz im Gegenteil. Die EZB hat den Leitzins auf 0,0 Prozent gesetzt. Und Banken, die Geld bei ihr parken, müssen jetzt sogar 0,4 Prozent Strafzins bezahlen. Für manche Kunden ist diese Verschärfung der Niedrigzins-Politik erst einmal positiv, denn sie kriegen Kredite jetzt noch günstiger. Andererseits bekommen Anleger so gut wie keine Zinsen mehr. Und die Banken verdienen mit ihrem Kerngeschäft, dem Verleihen von Geld, künftig noch weniger. Dementsprechend verständnislos reagiert man bei den Pfaffenhofener Banken auf Draghis neuesten Coup – und findet ungewöhnlich deutliche Worte. 

„Geist der Verzweiflung und Ratlosigkeit“ 

„Die Entscheidung der EZB lässt erkennen, dass ein Geist der Verzweiflung und auch der Ratlosigkeit das Ruder der europäischen Geldpolitik übernommen hat“, kommentiert Norbert Lienhardt, der Vorstandsvorsitzende der Pfaffenhofener Sparkasse. Die positiven Impulse der gestrigen EZB-Entscheidung werden seiner Einschätzung nach mit hoher Wahrscheinlich gering sein. „Die Risiken und die Nachteile für die Wirtschaft und für die Sparer könnten aber enorm sein“, sagt er. Zugleich stellt er jedoch klar: „Die Sparkasse Pfaffenhofen wird auch angesichts der aktuellen EZB-Entscheidung keine Negativzinsen von ihren Kunden verlangen.“ 

„Noch mehr Druck auf die Ertragslage“

Die gestrigen Entscheidungen der EZB „stellen uns vor noch größere Herausforderungen“, sagt Andreas Streb, Vorstandsmitglied der Hallertauer Volksbank. „Wir bekommen jetzt noch mehr Druck auf die Ertragslage.“ Erst kürzlich, als die Bank die Geschäftszahlen für das vergangenen Jahr vorgelegt hat, prognostizierte der Vorstand, dass die Niedrigzinsphase dem Geldhaus in den kommenden fünf Jahren jeweils eine Million Euro weniger an Zinsgewinnen bescheren wird. Dabei ist das eine der zentralen Einnahmequellen. 

Dass die EZB nun den Leitzins auf 0,0 Prozent gesenkt hat, wird sich für die Kunden auswirken. Denn die bekommen für ihr Geld auf dem Konto kaum mehr Zinsen. „Wir sind da ja schon auf einem niedrigen Niveau, werden aber angesichts der EZB-Entscheidung gezwungen, noch mehr über die Konditionen nachzudenken“, sagt Streb. Die Verzinsung von Einlagen werde in den kommenden Monaten weiter sinken. Dabei habe die Hallertauer Volksbank sogar noch „einen Puffer“, heißt es aus der Vorstands-Etage. „Wir haben aktuell noch Produkte, die immerhin mit 0,25 Prozent verzinst werden“, sagt Streb. Die Betonung liegt hier wohl auf „noch“.

„Verzinsung schwierig bis nicht mehr möglich“

Denn die Möglichkeiten der Verzinsung auf Standard-Konten werden sich künftig in sehr arg überschaubaren Grenzen bewegen. „Bei normalen Bank-Einlagen wird in Zukunft eine Verzinsung schwierig bis nicht mehr möglich sein“, prophezeit Streb. „In anderen Anlage-Klassen kann man aber noch den einen oder anderen Euro verdienen.“ Doch dazu brauche es eine durchdachte Vermögungs-Strukturierung. Hier sieht sich die Hallertauer Volksbank in der Beratung gefordert.

Für Kredit-Kunden sei die Entwicklung dagegen ideal. Egal ob Hausbau, Anschaffungen oder Firmen-Investitionen – die extrem niedrigen Zinsen kommen Privat- wie Geschäftskunden freilich zugute. Für die Banken dagegen ist das Szenario ein mächtiges Problem. Denn in ohnehin schwieriger werdenden Zeiten war das Kredit-Geschäft für sie zumindest noch ein Bereich, in dem man etwas verdienen konnte. „Aber die Gewinn-Margen im Kreditbereich werden jetzt noch weiter fallen“, betont Streb. Er sagt zudem einen „Kampf der Banken um Kunden-Kredite“ voraus, in dem sich viele Häuser womöglich dann gegenseitig unterbieten. „Das wird die Situation aus Banken-Sicht zusätzlich belasten.“ 

Zweigstellen-Schließung aktuell kein Thema

Angesichts der Null-Zins-Politik der EZB wird der Kostendruck auf die Geldinstitute jedenfalls weiter steigen, weiß Streb. Er geht davon aus, dass das – ganz generell betrachtet – Auswirkungen auf die Banken-Landschaft haben wird. Stichwort: Fusionen. Stichwort: Filialschließungen. „Da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun auf dem deutschen Banken-Sektor.“ Der Kostendruck schlage zwangsläufig durch, „das beflügelt logischerweise Umstrukturierungen, um die Herausforderungen zu bewältigen“. 

Für die Hallertauer Volksbank sei die Schließung von Zweigstellen momentan allerdings kein Thema, betont Streb. „Wir haben diesbezüglich unsere Hausaufgaben schon gemacht und in den vergangenen Jahren mehrere kleinere Filialen aufgegeben.“ Auch als Reaktion auf das Kundenverhalten. Akut sieht Streb hier jedenfalls keinen Handlungsdruck. „Wir denken aktuell nicht konkret über Filial-Schließungen nach“, sagt er. „Für uns wäre es auch nicht gut, uns mehr aus der Fläche zurückzuziehen.“

Grundsätzlich betrachtet man bei der Hallertauer Volksbank die Zinspolitik der EZB höchst skeptisch. „Wir haben keine wirklich schlechte Wirtschaftslage in Deutschland“, sagt Streb und fragt sich deshalb: „Was will die EZB denn machen, wenn eine echte Krise kommt?“ Da der Leitzins jetzt bei 0,0 Prozent angelangt ist, gebe es hier jedenfalls keine Manövriermasse mehr. „Dieses Pulver ist verschossen“, sagt Streb und kann den Kurs der EZB schlichtweg nicht verstehen.  

„Gigantischer Flurschaden in Deutschland“

„Diese erneute Verschärfung der Niedrigzinspolitik trifft uns mittelständische Banken sehr stark“, sagt auch Richard L. Riedmaier, der Vorstandschef der Volksbank-Raiffeisenbank Bayern-Mitte. Denn die regionalen Banken seien auf Gedeih und Verderb vom Zinsgeschäft abhängig. „Unser einfaches, ursprüngliches und seit Jahrzehnten bewährtes Geschäftsmodell – Geld von Sparern als Einlagen hereinnehmen und dann als Kredit auszureichen – lebt von der Zinsmarge“, verdeutlicht Riedmaier. Falle diese Marge weg, „wird uns die Existenz-Grundlage entzogen“. 

EZB-Präsident Draghi halte mit seiner Billigstgeld-Politik die Banken der Südländer künstlich am Leben und auch deren hoffnungslos verschuldete Staaten, so Riedmaier. „Und das auf Kosten der regionalen Banken und der Bürger unseres Landes.“ Auf dem Weg zu seinem Ziel von zwei Prozent Inflation richte Draghi „Kollateralschäden riesigen Ausmaßes an“, moniert Riedmaier und findet drastische Worte: „Die Sparer werden enteignet, ihre Altersvorsorge zerstört, den mittelständischen Banken die Geschäftsgrundlage entzogen und das Vertrauen in die Zentralbank als oberste Hüterin des Geldes verpufft.“ Riedmaier spricht von einer „zerstörerischen Zinspolitik der EZB“ und prophezeit, sie werden „einen gigantischen Flurschaden in Deutschland“ anrichten.

"Jahrelanges Siechtum voraus" 

„Was sollen wir mit all dem Geld, das Draghi in das Bankensystem pumpt?“, fragt Riedmaier. Unternehmen und Haushalte nähmen nur dann mehr Kredite auf, wenn sie Vertrauen in die Zukunft hätten. „Und gerade die nimmt ihnen Draghi mit seiner extremen Politik des billigen Geldes.“ Was fehle, seien die Rahmenbedingungen, um die Binnen-Nachfrage zu stärken. „Es fehlen Investitionen des Staates in die Infrastruktur. Und es fehlt eine Geldpolitik, die die Unterschiedlichkeiten der Finanzsysteme in Europa entsprechend berücksichtigt“, schimpft Riedmaier. Er sieht die Euro-Zone schon auf dem Weg Japans: „Jahrelanges Siechtum voraus. Und das Ende ist sehr ungewiss.“ 


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