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Wie sich die kleine Gemeinde mit großem ehrenamtlichen Engagement um Flüchtlinge kümmert

(ty) In der kleinen Gemeinde Ernsgaden wohnen seit gut zwei Monaten Asylbewerber in einer Container-Anlage. Bürgermeister Karl Huber (CSU) hat jetzt – in einer Art ersten Bilanz – über die Situation der Flüchtlinge in seiner Kommune berichtet. Sein Fazit: „Die Unterbringung verläuft verhältnismäßig ruhig und es gibt bisher keine größeren Probleme.“ Derzeit leben 21 afghanische Flüchtlinge in den Containern neben dem Bauhof. Zudem gibt es noch sieben so genannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die anderweitig untergebracht sind. In Ernsgaden wird viel getan, um die Asylbewerber zu integrieren und ihnen zu helfen. Vom ehrenamtlichen Deutsch-Unterricht über einen Kleider-Laden bis hin zur Haftpflichtversicherung.

In jedem Wohnraum der Container-Anlage leben zwei Personen, zudem gibt es einen Küchen- und Aufenthaltscontainer sowie sanitäre Anlagen. Der vom Bürgermeister als sehr aktiv gelobte Asylhelferkreis versuche momentan, eine WLAN-Installation für das Areal zu erreichen, um die relativ hohen Telefon- und Internetgebühren der Flüchtlinge zu senken. 

Zudem sei es gelungen, dass die jungen Männer eine günstige Haftpflichtversicherung abschließen, damit sie gegen die Risiken des täglichen Lebens geschützt sind. „Damit besteht ein Versicherungsschutz im Falle eines Schadenersatzanspruchs“, so Huber. Den Versicherungsbeitrag von rund 27 Euro im Jahr zahlen die Flüchtlinge selbst, wie er gegenüber unserer Zeitung bestätigt. 

Bei der Ramadama-Aktion packten kürzlich in Ernsgaden auch die Flüchtlinge mit an – freiwillig.

Gut funktioniert nach den Worten von Huber auch die Kleiderversorgung. „Wir haben in einem Raum im Rathaus einen kleinen Second-Hand-Shop mit Kleidung und Schuhen eingerichtet, der Dank zahlreicher Spenden aus den Reihen der Bevölkerung gut gefüllt ist“, berichtet der Bürgermeister. Hier können sich die Asylbewerber für wenig Geld – meistens für ein bis zwei Euro je Stück – mit Kleidung versorgen. 

Wie Huber sagt, ist das Kleidungsangebot so groß, dass davon gerne auch interessierte Einheimische profitieren können. Der Shop ist dienstags und donnerstags jeweils von 17 bis 18 Uhr geöffnet. Der Erlös komme der Flüchtlingsarbeit zugute. „Davon werden zum Beispiel Schulbücher oder auch mal ein Ausflug bezahlt.“

Auch die Ausstattung mit Fahrrädern bezeichnet Huber als sehr gut. Mittlerweile seien zahlreiche gut erhaltene Drahtesel zur Verfügung gestellt und zum Teil repariert worden. Weitere Mitstreiter und Spenden für gemeinsame Aktivitäten seien aber gerne willkommen. In diesem Zusammenhang betont Huber: „Der Einsatz unserer ehrenamtlichen Helfer, gleich in welcher Angelegenheit, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.“ Die Gemeinde bedanke sich für die intensive Betreuungsarbeit.

 

Das Freizeit-Angebot für die Flüchtlinge reicht von Fußball (Foto) über Nähen bis zu Spaziergängen – ein Billardtisch soll folgen.

Dank des Engagements der Helfer sei es auch bereits gelungen, einen Sprachunterricht zu organisieren, der drei Mal wöchentlich stattfindet. „Einige Flüchtlinge können bereits ein wenig Deutsch sprechen“, sagt der Bürgermeister. Leider könnten derzeit noch keine „offiziellen“ behördlichen Deutschkurse angeboten werden. „Für die von der Bundesregierung finanzierten Angebote gibt es lange Wartezeiten, weil der Bedarf mangels zertifizierter Deutschlehrer nicht gedeckt werden kann“, berichtet er, stellt aber zugleich klar: „Es ist auf jeden Fall besser, einen niederschwelligen Erwerb der deutschen Sprache durch ehrenamtliche Helfer anzubieten, als gar keine Sprachvermittlung.“ 

Aufgetischt

Zudem sei es wichtig, für die Asylbewerber eine sinnvolle Beschäftigung zu organisieren. In Ernsgaden gebe es Freizeit-Angebote und gemeinsame Aktivitäten wie Spaziergänge, Nähen oder Fußballspielen auf dem nahe gelegenen Sportplatz. In Kürze solle noch eine Möglichkeit zum Billardspielen dazukommen.

„Begeistert waren die jungen Männer, dass sie kürzlich beim Ramadama mitmachen durften“, freut sich Huber. Über Flüchtlinge 15 waren mit den Ernsgadener Vereinen im Gemeindegebiet unterwegs, um weggeworfenen Müll einzusammeln. Der Rest kochte für die Helfer, so dass es heuer bei der traditionellen Brotzeit nicht nur Weißwürste und Wiener mit Brezen gab, sondern auch afghanische Spezialitäten aus der Pfanne – „was auch den Einheimischen gut schmeckte“, berichtet Huber. 

Im Rahmen der Ramadama-Aktion kochten auch einige der Flüchtlinge für die Helfer Gerichte aus ihrer Heimat.

Wichtig sei es, so der Bürgermeister weiter, den Flüchtlingen nicht nur die Sprache beizubringen, sondern auch die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland zu vermittelt. So sei kürzlich mit ihnen die Situation und die Entwicklung in Deutschland sowie der Umgang mit der „Flüchtlingskrise“ diskutiert worden. „Es ist auch wichtig, den Menschen mitzuteilen, dass es großer Anstrengungen bedarf, damit die Herausforderungen in Zusammenhang mit dem Flüchtlingsstrom bewältigt werden können“, betont Huber. „Genauso bedeutend ist es, dass die Flüchtlinge die deutsche Alltagskultur kennen lernen. Aber auch den Staatsaufbau und das Rechtssystem – wie die Stellung der Frauen und der Religion in unserer Gesellschaft.“ Auch über die Abläufe von politischen Entscheidungen in einem demokratischen System sollten sie Bescheid wissen, findet Huber. Entsprechende Gespräche würden deshalb immer wieder geführt. 

"Sie kamen mit vielfältigen Erwartungen"

Die jungen Flüchtlinge hatten in ihrer Heimat nach eigenen Erzählungen verschiedene berufliche Tätigkeiten oder waren noch mit Schule und Studium beschäftigt. „Sie kamen mit vielfältigen Erwartungen nach Deutschland, die jedoch zunächst nicht erfüllt werden können“, weiß Huber. „Alle wollen im Prinzip zur Schule gehen, studieren oder arbeiten.“ Dies sei derzeit noch nicht möglich – da es eine Wartezeit gebe und bei den meisten das Asylverfahren noch gar nicht begonnen habe. Derzeit werden laut Huber vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in erster Linie die Anträge der syrischen und irakischen Staatsangehörigen behandelt. 

Stellen gesucht

Es sei auch schwer, überhaupt eine geeignete Arbeitsstelle für die Flüchtlinge zu finden, sagt Huber, „weil bei den meisten die bisher erworbenen Kenntnisse der deutschen Sprache nicht ausreichen, um eine Berufstätigkeit auszuüben“. Seine Bitte lautet deshalb: „Wer eine Stelle anbieten kann, soll sich bitte melden.“ Die in Ernsgaden lebenden Flüchtlinge haben ganz unterschiedliche Schulbildungen und Berufe – vom ungelernten Arbeiter bis hin zum Akademiker. „Vier Personen, die in Afghanistan bereits an einer Hochschule studierten, haben kürzlich eine Aufnahmeprüfung an der Technischen Hochschule für einen Integrationskurs bestanden.“


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