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"Tag der (neuen) Heimat": Nach der Enthüllung einer Gedenk-Stele fand gestern im Rathaus ein Festabend statt

(ty) Nach der Enthüllung der Gedenk-Stele „Gegen das Vergessen“ vor dem Pfaffenhofener Haus der Begegnung hat gestern im Rathaus der Festabend zum „Tag der (neuen) Heimat“ stattgefunden. Bürgermeister Thomas Herker (SPD) begrüßte zahlreiche Interessierte, darunter viele Heimatvertriebene – allen voran Leo Schurius und Walter Heinl von der Sudetendeutschen Landsmannschaft sowie den Festredner Christian Knauer, Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen und Altlandrat des Keises Aichach-Friedberg. Für musikalische Unterhaltung sorgten die „Böhmerwald Sing- und Volkstanzgruppe München“ sowie der Singkreis des Seniorenbüros unter der Leitung von Adelheid Schurius, auf der Geige begleitet von Günther Olbricht.

 

Die Stadt Pfaffenhofen hat dem Thema „70 Jahre Flucht und Vertreibung“ ein ganzes Projekt gewidmet, zu dem neben der Stele und dem Festabend auch eine Buchveröffentlichung und eine historische Ausstellung gehören. „Dem Stadtrat war es sehr wichtig, dieses Jubiläum zusammen mit den Sudetendeutschen zu begehen“,  erklärte Herker. Durch die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen hatte die Stadt Pfaffenhofen in den Jahren 1945/46 einen Einwohnerzuwachs von 5000 auf fast 8000 erlebt.

„Das war die größte Zäsur in der Stadtgeschichte und die größte Herausforderung“, sagte Herker und sprach von einer regelrechten Erfolgsgeschichte: „Die positiven Auswirkungen sind entscheidend, es gab einen großen Entwicklungsschub und fast so etwas wie eine Frischzellenkur.“ Mittlerweile hätten die Vertriebenen hier längst Wurzeln geschlagen und sie seien ein ganz wichtiger Teil Pfaffenhofens, betonte der Rathauschef.

 

Auch Christian Knauer wartete mit interessanten Zahlen auf: „Fast 100 Millionen Menschen waren im letzten Jahrhundert von Flucht und Vertreibung betroffen“, erklärte er. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien zwölf bis 15 Millionen Deutsche auf der Flucht gewesen. Aktuell seien nach UN-Angaben 65 Millionen Menschen auf der Flucht beziehungsweise geflüchtet. 

Knauer führte anschaulich vor Augen, wie die Vertreibung in den deutschen Ostgebieten ablief und wie ein Betroffener sie erlebte. „Stellen Sie sich vor: Morgen früh müssen Sie Ihr Haus verlassen. Sie dürfen 30 Kilo Gepäck mitnehmen. Was nehmen Sie denn da mit?“ Die Vertriebenen wussten seinerzeit nicht, wohin es geht, und jahrzehntelang durften sie nicht zurück. Erst in den 1970er Jahren fuhren viele zu Besuch in ihre alte Heimat. Und die Heimat, so Knauer, liege für die Betroffenen auch nach 70 Jahren immer noch in Schlesien, Ostpreußen oder im Sudetenland – „auch wenn wir heute Pfaffenhofener, Scheyerer oder Gerolsbacher sind“.

 

Nach dem Motto „Gegen das Vergessen“ sei es wichtig, Erinnerungen zu bewahren und weiterzugeben, betonte Knauer und appellierte an die Zeitzeugen von damals: „Erzählen Sie Ihren Enkeln Ihre Geschichte, fahren Sie mit Ihren Kindern und Enkeln rüber in die alte Heimat!“ Und, so schloss er seine Ansprache: „Genießen Sie die neue Heimat und helfen Sie mit, dass die Freiheit nicht in Frage gestellt wird.“ 

Mit sehr persönlichen Erinnerungen wandte sich der frühere Schulrat Leo Schurius, Erster Obmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft, ans Publikum. Als Zwölfjähriger war er im Juni 1946 nach Pfaffenhofen gekommen. Die Fahrt im Viehwaggon von Wischau im heutigen Tschechien nach Bayern sowie die Ankunft am Pfaffenhofener Bahnhof hat er noch in sehr lebhafter Erinnerung. „Wir sind so froh, dass seit 70 Jahren Frieden in Deutschland ist“, sprach er sicher allen aus dem Herzen.

 

Christian Knauer trägt sich in das Buch der Stadt ein, hinten Bürgermeister Thomas Herker.

Stadtarchivar Andreas Sauer zeigte Erinnerungsbilder sowie alte Ansichtskarten aus der „alten Heimat“ und Walter Heinl las dazu Texte seines Vaters. Abschließend richtete Stefan Heinl, Zweiter Obmann der Sudentendeutschen Landsmannschaft, im Namen aller Vertriebenen ein Dankeschön an die Stadt Pfaffenhofen und alle Beteiligten: „Das gesamte Projekt verdient höchste Anerkennung und Dank“, betonte er und bedankte sich für das Buch, die historische Ausstellung, das Zeitzeugen-Projekt des Schyren-Gymnasiums und vor allem auch für die Gedenk-Stele am Haus der Begegnung, die vor dem Festabend enthüllt worden war: „Ein solches Denkmal an so exponierter Stelle ist für eine Stadt der Größe Pfaffenhofens keineswegs eine Selbstverständlichkeit.“  Bericht zur Enthüllung der Gedenk-Stele: Gegen das Vergessen

  • Andreas Sauers Buch „Entwurzelt – unterwegs – angekommen. Flucht und Vertreibung in Stadt und Landkreis Pfaffenhofen a. d. Ilm 1945/46“ ist zum Preis von 14,95 Euro unter anderem im örtlichen Buchhandel und im Bürgerbüro im Rathaus zu haben. Lesen Sie dazu: Entwurzelt, unterwegs, angekommen; außerdem gibt es ein Video zum Thema: „70 Jahre Flucht und Vertreibung“
  • Die historische Ausstellung im Foyer und im ersten Stock des Pfaffenhofener Rathauses ist bis einschließlich Samstag, 3. Dezember, zu den Öffnungszeiten des Bürgerbüros zu sehen: montags von 8 bis 16 Uhr, dienstags, mittwochs und freitags von 8 bis 12 Uhr, donnerstags von 7 bis 18 Uhr sowie jeden ersten und dritten Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr.

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