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In dem Aufsehen erregenden Gerichts-Verfahren um einen Gasthaus-Stuhl ist das Urteil rechtskräftig. Der Geschädigte geht leer aus.

(ty) Es war ein ungewöhnlicher Fall, mit dem es die Justiz da zu tun hatte. Im Fasching brach seinerzeit in einem Wolnzacher Wirtshaus ein Stuhl zusammen, mit bösen Folgen für den Gast. Der verklagte den Wirt daraufhin – unter anderem auf 10 000 Schmerzensgeld. Das Ingolstädter Landgericht wies die Klage ab: Der Wirt konnte nichts dafür, befand man: Es handelte sich um einen schicksalshaften Unfallverlauf, den niemand voraussehen konnte. Dieses Urteil ist nun rechtskräftig, das Münchner Oberlandesgericht hat nämlich die Berufung des Geschädigten zurückgewiesen.

Der schmerzhafte Zwischenfall, um den sich das Zivilverfahren drehte, ereignete sich während einer Zusammenkunft der hiesigen Faschings-Gesellschaft "Zirkus Tonelli" am 11. November 2015 in Wolnzach. In einem typischen Landgasthof mit Massivholz-Bestuhlung. Laut Landgericht war Folgendes passiert. Kurz nach Eintreffen des Klägers um etwa 19 Uhr gab es Essen: Schnitzel. Der beklagte Wirt stand deswegen in der Küche. Die Schnitzel sollen übrigens nach Angaben der Beteiligten sehr schmackhaft gewesen sein. Als der Kläger jedenfalls gerade den ersten oder zweiten Bissen zu sich nehmen wollte, klappte der Stuhl ohne vorherige Anzeichen unter ihm weg, weil die Verleimung der Leiste, in der wiederum die Stuhlbeine befestigt sind, mit der Sitzfläche nachgab. 

Bereits beim ersten Termin vor dem Ingolstädter Landgericht hatte der Kläger versichert, dass weder er noch der Stuhl vorher gewackelt hätten. Durch den Sturz hatte er jedenfalls eine zweifache Fraktur des linken Sprunggelenks erlitten und war daraufhin mehrere Monate arbeitsunfähig. Dafür machte er den Wirt verantwortlich: Er forderte von ihm rund 1600 Euro Schadensersatz – insbesondere ging es um Lohnausfall und Physiotherapie-Kosten – sowie obendrein mindestens 10 000 Euro Schmerzensgeld.

 

Die Klage wurde – wie damals berichtet – abgewiesen, da es sich nach Überzeugung des Landgerichts um einen schicksalshaften Unfallverlauf gehandelt habe, den niemand voraussehen konnte. Jeder Wirt müsse zwar grundsätzlich für die Sicherheit seine Gäste sorgen – aber eben nur in zumutbarem Maße. Besonders bitter für den Kläger: Nicht nur seine Klage wurde abgewiesen, er musste auch die Kosten des Verfahrens tragen.

Das Landgericht hatte in seinem Urteil bekräftigt, dass stabile hölzerne bayerische Wirtshausstühle – auch wenn sie, wie im vorliegenden Fall, bereits 15 Jahre alt sind – keiner regelmäßigen "Rüttelprobe" unterzogen werden müssen. Bei solchen Stühlen handle es sich nicht "um allgemein als gefahrtragend anzusehende Einrichtungen". Eine allgemeine Sichtkontrolle bei den üblichen Wisch- und Reinigungsarbeiten in der Wirtsstube reiche daher aus, befand das Landgericht. Und eine solche allgemeine Kontrolle habe der Wirt durch das regelmäßige Hochstellen der Stühle beim Wischen auch ausreichend durchgeführt. 

 

Und der Stuhl habe ja auch – wie der Kläger selbst bestätigt habe – bis zu seinem unvermittelten Zusammenbruch nach einigen Minuten des Sitzens auch nicht gewackelt oder sonstige Auffälligkeiten gezeigt. Damit hätte auch der vom Kläger darüber hinaus geforderte Belastungstest durch vorheriges "Probesitzen" des Gastwirts nichts genützt. 

Dieses Gerichtsverfahren hatte nicht nur in der Region für Aufsehen gesorgt, sondern war auch in der Gastronomie-Szene mit Interesse verfolgt worden. Jetzt ist die Entscheidung des Landgerichts rechtskräftig. Mit Beschluss vom 11. Dezember hat das Oberlandesgericht (OLG) München die Berufung des Geschädigten gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11. Juli vergangenen Jahres als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Das wurde heute aus dem Landgericht mitgeteilt.

 

Das Oberlandesgericht habe das klageabweisende Urteil des Landgerichts in allen Punkten bestätigt, wie dazu erklärt wird. Ausdrücklich stellte das OLG demnach fest, dass ein Wirt seinen normalen Sorgfaltsanforderungen genüge, wenn er seine Stühle einer regelmäßigen Sichtkontrolle unterziehe. "Weitergehende Maßnahmen, etwa eine Belastungsprobe jeden einzelnen Stuhles, würde die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Gaststätten-Inhabers überspannen." 

Dies gelte – so heißt es weiter – auch für ältere Stühle, "da sich der Umfang der Kontrollpflichten nicht nach dem abstrakten Alter bemisst". Konkrete Umstände, dass der Stuhl beschädigt oder wacklig gewesen sei, habe es aber vorher nicht gegeben. Das Münchner Oberlandesgericht wörtlich: "Nicht jedes erlittene Unglück ist auch ein Unrecht, für das ein anderer haftbar gemacht werden kann."

Bisherige Beiträge zum Thema:

Wolnzach: Zusammengebrochener Stuhl beschäftigte das Landgericht

Ungewöhnlicher Fall aus Wolnzach für das Landgericht 

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