Karl Huber, Bürgermeister von Ernsgaden und Sprecher des Pfaffenhofener Landratsamts, über den Großeinsatz nach der Explosion in der Vohburger Raffinerie.
(ty) Gegen 5.10 Uhr gab es am Samstagmorgen wegen der Explosion auf dem Gelände der Bayernoil-Raffinierie in Vohburg einen mächtigen Knall, der in weiten Teilen des nördlichen und mittleren Landkreises Pfaffenhofen zu vernehmen war. "Auch in Ernsgaden war das Knallgeräusch deutlich zu hören. Zuerst dachte ich, dass es draußen donnert", berichtete der Ernsgadener Bürgermeister Karl Huber (CSU) heute im Gespräch mit unserer Zeitung. Als er gemerkt habe, dass kein Gewitter über seiner Gemeinde stand, "dachte ich aufgrund des hellen Feuerscheins und des erleuchteten Horizonts zuerst an einen Flugzeug-Absturz", sagt er. "Als ich dann die gewaltigen Flammen in der Himmelsrichtung Nord-Ost sah, war mir klar, dass etwas in Vohburg oder Irsching passiert sein musste."
"Ich zog mich an", erzählt Huber, "und fuhr in Richtung des hell erleuchteten Himmels mit dem Auto an den nördlichen Ortsrand, wo man schon ausmachen konnte, dass es in der Raffinerie ein Feuer gab." In seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der Pfaffenhofener Kreisbehörde – Huber leitet das Büro des Landrats – sei er dann auch schon verständigt worden, um zur örtlichen Einsatz-Leitung zum Rasthof nach Vohburg-Rockolding zu kommen. Parallel dazu seien Feuerwehr- und Rettungsdienst-Fahrzeuge unterwegs gewesen, beim "Haberfelder" sei von den Katastrophenschutz-Leuten die örtliche Einsatzleitung bereits im Gastraum eingerichtet worden. "Und draußen bauten die einzelnen Katastrophenschutz-Einheiten ihre Einrichtungen auf."
Katastrophe in Vohburg: Alle verfügbaren Hilfskräfte waren im Einsatz.
Der Vohburger Bürgermeister Martin Schmid (SPD), sei früh da gewesen – "nervös und voller Tatendrang", sagt Huber. "Er ist ein Profi und weiß, wo er hinlangen muss." Außerdem sei er hervorragend vernetzt. "Er hatte schon Informationen von der Schadensstelle." Trotz der frühen Morgenstunde, obwohl es Wochenende war und trotz der Urlaubszeit seien die Helfer und Organisationen sehr schnell einsatzbereit gewesen, sagt Huber. Das sei ihm durch den Kopf gegangen. "Und dass sich die in mühsamer Kleinarbeit erstellten Alarmpläne und die Übungen früher oder später doch positiv auswirken." Für viele Kollegen sei es bestimmt eine Genugtuung gewesen, dass die oft akribische Kleinarbeit bei der Pflege der Alarmpläne nicht umsonst sei.
"Allen Helfern ging in diesen frühen Stunden durch den Kopf, wie viele Verletzte es gibt, ob noch Verletzte oder gar Tote in den Trümmern der zerstörten Gebäude liegen", sagt Huber. "Häuser kann man wieder aufbauen, Industrie-Anlagen ersetzen, aber Menschenleben nicht." Sehr schnell seien dann am Samstagmorgen auch die ersten Medienvertreter vor Ort gewesen, für deren Betreuung Karl Huber im Rahmen seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Pressesprecher des Pfaffenhofener Landratsamts zuständig ist.
Karl Huber, Bürgermeister von Ernsgaden und Pressesprecher des Landratsamts (Archivfoto)
Daneben sei ihm auch die Situation in seiner Heimat-Gemeinde Ernsgaden nicht aus dem Sinn gegangen, in der er seit vielen Jahren Bürgermeister ist. Vor allem die Rauchfahne, die durch den Wind von der Katastrophen-Stelle aus in Richtung Südwesten an seiner Gemeinde entlangzog, bereitete dem Rathaus-Chef Sorge. "Man weiß ja nie, was drin ist", so Huber. Er habe dann kurz und schnell mit dem Ernsgadener Feuerwehr-Kommandanten Lutz Schönfelder telefoniert, der mit seinen Leuten bereits im Einsatz in der Nähe der Raffinerie war. Man habe sich geeinigt, dass die zweite Staffel der Floriansjünger, die sich noch zur Nachalarmierung im Feuerwehrhaus von Ernsgaden befand, dort zunächst bleibe und die Warnung der Bevölkerung übernehme.
Dabei kam laut Huber das gut funktionierende Warnsystem "Mobela" zum Einsatz, dass die kleine Gemeinde Ernsgaden vor gut einem Jahr beschafft habe und das sehr leistungsstark sowie weithin zu hören sei. Die Bevölkerung wurde gebeten, Fenster und Türen geschlossen zu halten sowie sich möglichst nicht im Freien aufzuhalten. Es sei ein sehr gutes Gefühl, dass er sich auf seine Feuerwehrleute immer zu 100 Prozent verlassen könne, betont Huber. "Wenn alarmiert wird, sind fast immer 20 bis 25 Leute innerhalb von fünf Minuten da." Im Feuerwehrhaus sei dann ein Bürgertelefon eingerichtet worden. Die Rufnummer wurde unter anderem über "Whats-App" und in den sozialen Medien bekanntgegeben.
Vor Ort in Rockolding war es derweil die Aufgabe von Karl Huber, die Medienvertreter mit den neuesten Informationen aus dem Krisenstab im Landratsamt und von der örtlichen Einsatzleitung zu versorgen sowie Fragen zu beantworten. "Das ganze geschah in enger Abstimmung mit dem Polizeipräsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt, das hervorragend aufgestellt ist und sehr professionelle Arbeit leistet", sagt er. "Die Polizei weiß in solchen Situationen genau, wo sie hinlangen muss." Parallel dazu seien auch laufend Anfragen von überörtlichen Medien auf seinem Mobiltelefon eingegangen. Das Handy sei in solchen Situationen das wichtigste Arbeitsmittel. Gleichzeitig wurden damit auch Fotos geschossen, die zeitnah für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landratsamts in den sozialen Medien verwendet sowie den Redaktionen zur Verfügung gestellt wurden.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (links) wird informiert. Vize-Landrat Anton Westner und Vohburgs Bürgermeister Martin Schmid stehen sichtlich unter dem Eindruck der Katastrophe.
Als das Medieninteresse im Laufe des frühen Vormittags immer größer geworden sei, kam laut Huber dann auch Johannes Hofner hinzu. Hofner ist eigentlich Leiter des Kommunalunternehmens für Strukturentwicklung im Landkreis Pfaffenhofen (KUS), agierte hier allerdings als Mitarbeiter des Krisenstabs und übernahm vor Ort die Öffentlichkeitsarbeit für die sozialen Medien. "Das war eine richtige Erleichterung", erklärt Huber. "Vor allem, als ich mitbekommen habe, dass eventuell meine Gemeinde Ernsgaden wegen einer möglichen Eskalation der Situation evakuiert werden soll."
"Ich telefonierte kurz mit den Bürgermeistern Herbert Nerb aus Manching und Christian Staudter aus Geisenfeld, der sich in Urlaub befindet", berichtet Huber. "Nerb war ohnehin schon unterwegs in Richtung Rockolding und Kollege Staudter informierte unverzüglich seinen Stellvertreter Alfons Gigl, der mit dem Geschäftsleiter Hannes Hetzenecker innerhalb kürzester Zeit in Rockolding war, um für den Fall der Fälle von Seiten der Verwaltungs-Gemeinschaft Geisenfeld die Gemeinde Ernsgaden zu unterstützen." Nerb und Gigl sagten laut Huber sofort zu, im Bedarfsfall die Lindenkreuz-Halle in Manching sowie die Anton-Wolf-Halle in Geisenfeld zur Verfügung zu stellen, um die von einer möglichen Evakuierung betroffenen Menschen übergangsweise unterzubringen.
Huber selbst ist dann nach eigenen Worten für zirka eine halbe Stunde nach Ernsgaden gefahren, um dort nach dem Rechten zu sehen und um mit den Feuerwehrleuten vor Ort im Gerätehaus die Einzelheiten zu besprechen. Wieder in Rockolding zurück, stellte sich dann "zum Glück" heraus, dass die Hilfskräfte die Lage bei der Raffinerie im Laufe des Vormittags in den Griff bekamen und dass eine weitere Evakuierung der gesamten Stadt Vohburg und der umliegenden Orte – auch von Ernsgaden – nicht erforderlich war. "Da ist mir schon ein Stein vom Herzen gefallen", sagt Huber. "Es wäre schon ein großer Akt gewesen, die Evakuierung dermaßen auszuweiten." Seine Erleichterung sei dann auch groß gewesen, als er gegen Mittag erfahren habe, dass in der Rauchwolke keine Schadstoffe gemessen worden seien, die für die Bevölkerung hätten gefährlich werden können.
"Im Laufe des Vormittags herrschte rund um die örtliche Einsatzleitung in Rockolding ein stetiges Kommen und Gehen von Medien-Vertretern", erinnert sich Huber. Als bekannt geworden sei, dass gegen 10 Uhr der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach Rockolding komme und etwas später auch Umweltminister Marcel Huber (CSU) eintreffen werde, sei kurz mit Vize-Landrat Anton Westner (CSU) – Landrat Martin Wolf (CSU) war urlaubsbedingt nicht da – und den Verantwortlichen der Polizei der Ablauf abgestimmt worden: Zunächst Lage-Besprechung, dann eine Stellungnahme vor den mittlerweile zahlreich anwesenden Medienvertretern und anschließend – wenn es die Lage erlaubt – ein Besuch am Unglücksort, um den Journalisten und Fotografen möglichst einen persönlichen Eindruck sowie Fotos zu ermöglichen.
Offizielle Statements.
"Das vorgesehene Programm konnte so umgesetzt werden und obwohl vieles improvisiert werden musste, klappte das allermeiste recht gut", fasst Huber zusammen. "Sicherlich vergisst man bei der Vielfalt der Ansprüche, die an einen herangetragen werden, das eine oder andere, aber keiner ist perfekt", sagt Huber. Gegen Mittag sei es dann etwas ruhiger geworden, wenngleich den ganzen Tag über zahlreiche Presseanfragen gekommen seien. "Viele, die bereits am Morgen berichtet hatten, hatten im Laufe des Tages Nachfragen zum Stand der Dinge."
Aus der Bevölkerung seien am frühen Nachmittag die ersten Fragen per Telefon eingegangen, wohin man Schäden melden solle und wer dafür aufkomme. "Man einigte sich kurz im Kreise der anwesenden Bürgermeister, dass die jeweiligen Wohnsitz-Gemeinden ab Montag in der Früh die Schadensmeldungen aufnehmen und diese dann an Bayernoil weiterleiten können", so Huber. Für diese Auskunft seien die Anrufer auch durchaus dankbar gewesen.
Die örtliche Einsatz-Leitung wurde in einem Gastraum in Vohburg-Rockolding eingerichtet.
"Im Laufe des Nachmittags beruhigte sich die Situation zusehends, sodass um 16 Uhr der Katastrophen-Alarm für den Landkreis aufgehoben werden konnte", berichtet Huber. Auch die Nachfragen der Medienvertreter seien nun weniger geworden. Aber auch am Sonntag meldeten sich einige noch übers Mobiltelefon. Sie wollten in erster Linie wissen, ob es immer noch brennt und wer vor Ort noch im Einsatz ist.
Außerdem: "Kurz ein paar Notizen über den Verlauf des Einsatzes und was man noch besser machen kann", sagt Huber. "Im Nachhinein ist man immer schlauer und besser werden kann man immer." Die Internet-Seite des Landkreises müsste zum Beispiel früher mit Fakten und Warnhinweisen befüllt werden – so habe ein Hinweis aus der Bevölkerung gelautet. Auch die interne Kommunikation und Abstimmung sei noch verbesserungsfähig. "Und ein Ersatz-Telefon könnte auch nicht schaden, wenn das eigene den Geist aufgibt."
Von Bürgern aus Hubers Gemeinde seien sowohl am Samstagnachmittag als auch noch am Sonntag weitere Fragen zu den nötigen Reparaturen an den Gebäuden eingegangen. "Es gibt nach einer ersten Bestandsaufnahme mindestens 50 beschädigte Gebäude alleine in Ernsgaden", berichtete der Bürgermeister heute. "Von zerbrochenen Glasscheiben, verbogenen Rollläden, über beschädigte Garagentore bis hin zu abgedeckten Dachziegeln", sagt er. "Hoffentlich läuft die Schadensregulierung unbürokratisch und unproblematisch."
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