Beim Neujahrs-Empfang der Gemeinde Reichertshofen schlug Bürgermeister Michael Franken auch nachdenkliche und mahnende Töne an.
Von Alfred Raths
Ein weitgehend positives Fazit hat der Reichertshofener Bürgermeister Michael Franken (JWU) beim gestrigen Neujahrs-Empfang für verdiente Bürger des Marktes und Träger des Ehrenrings gezogen. Gut da steht die Gemeinde zahlenmäßig durchaus: So ist nach den Worten des Rathauschefs bei einer Rücklage von knapp drei Millionen Euro der Schuldenstand auf 1,37 Millionen Euro gesunken, was pro Kopf etwa 167 Euro entspreche. In der Mensa der örtlichen Schule zog das Gemeinde-Oberhaupt die Bilanz für 2018. Franken begann seinen Rückblick auf das vergangene Jahr traditionell mit den Top-Suchbegriffen auf "Google": Mondfinsternis, Euro vs. Türkische Lira, die Hochzeit von Prinz Harry und Herzogin Meghan.
"Wirtschaftlich war 2018 in Deutschland, in Bayern und in Reichertshofen wieder ein sehr starkes und erfolgreiches Jahr, davon konnten wir alle profitieren", bilanzierte Franken. Sorge bereiten ihm jedoch die gesellschaftliche Entwicklung, die Verrohung der Sprache und nicht zuletzt die zunehmende Bereitschaft zur Gewalt. "Dieser Entwicklung müssen wir entgegenstehen", appellierte er und befand: Auch in der hiesigen Gemeinde habe man mitunter in Diskussionen das Maß verloren.
Ungeachtet dessen lobte er das positive und kollegiale Arbeitsklima im Gemeinderat. Es sei gelungen, Vertrauen aufzubauen und fair miteinander umzugehen. Positiv apostrophierte Franken die erfolgreiche Ansiedlungs- und Wirtschaftspolitik des Gemeinderats, die zu einer deutlichen Steigerung der Arbeitsplatz-Anzahl und damit zu einer nachhaltigen Verbesserung bei den Gewerbesteuer-Einnahmen geführt habe. Großes Engagement für eine familien-freundliche Kommune zeigten alle politisch Beteiligten. Bezahlbare Betreuungsplätze "vom Kleinkind bis zum Abschluss-Schüler" seien geschaffen worden. Zahlreiche attraktive Veranstaltungen, wie das Paarfest oder der Weihnachtsmarkt, hätten außerdem viele Besucher bei bester Stimmung angelockt.
Franken sprach auch die heißen Themen in der Kommune an: der vom Ratsgremium bereits anvisierte Rathaus-Neubau, der per Bürgerentscheid gekippt wurde, und die Zukunft der maroden Paarhalle. In den vergangenen Jahren habe sich der Gemeinderat darum bemüht, die Bevölkerung zur Mitarbeit und zur Diskussion bei den großen Zukunfts-Themen zu motivieren, sagte er. "Leider folgten nur wenige diesen Einladungen."
Bürgermeister Michael Franken (vorne, Zweiter von rechts) inmitten der Träger der Bürgermedaille beziehungsweise des Ehrenrings.
Sachargumente, die zu den Vernunft-Entscheidungen des Ratsgremiums geführt hätten, habe man offenbar nicht ausreichend vermitteln können, räumte er ein. Und: "Es ist kein Geheimnis: Ich hätte mir ein anderes Ergebnis bei den Bürgerentscheiden gewünscht, insbesondere aus finanziellen Gründen für unsere Bürger." Bis wieder ein konsens-fähiges Konzept für die Bebauung des "Unteren Markts", in Sachen Bücherei und für den Rathaus-Komplex vorliege, werde viel Zeit vergehen, prophezeite er.
Als wichtigste Projekte im vergangen Jahr nannte der Bürgermeister – wie bereits in seinen Weihnachts- und Neujahrsgrüßen – unter anderem die Fertigstellung der Kindertagesstätte "Paarstrolche" samt weiterer Kinderbetreuungs-Plätze, den Grundsatz-Beschluss zur Errichtung einer weiteren Kita, den Abschluss der Erschließung des Gewerbegebiets Herrnfleck mit Neuansiedlung und Erweiterung diverser Unternehmen. Freilich erwähnte er in diesem Zusammenhang auch den Grundsatz-Beschluss zur Sanierung der Paarhalle – "zum Erhalt dieser Freizeithalle und Start der Grundlagen-Planung". Der Planungsstart zur Straßensanierung im historischen Zentrum sei ebenfalls vollzogen.
"Angesichts der großen Aufgaben und kostenintensiven Maßnahmen der nächsten Jahre sind ein gefülltes Bankkonto und ein vergleichsweise niedriger Schuldenstand sehr wichtig", betonte Franken. "Wir haben 2018 erkannt, dass den Bürger die Kosten einer Maßnahme nur an zweiter Stelle interessieren – auch wenn es sein Steuergeld ist." Umso wichtiger sei es, die Einnahmen zu steigern.
Angesichts der Mehrkosten – aufgrund des Ergebnisses des Bürger-Entscheids – müsse man zu der ursprünglich geplanten Investitions-Summe von 31 Millionen Euro "nun noch ein paar Millionen aufschlagen". Die Kosten für die Paarhallen-Sanierung seien darin noch nicht in voller Höhe berücksichtigt. Weitere Ausgaben seien für die Gemeinde absehbar. Franken nannte in diesem Zusammenhang etwa den Bauhof-Teilneubau und den Radweg-Bau Ronnweg sowie – als größeren Posten – die Erneuerung der Kläranlage Winden und die Auflösung der Anlagen in Hög und Ronnweg. Hinzu kommen die Sanierung von Straßen, Wasserleitungen und Kanälen.
"Für die politische Auseinandersetzung im Ort und im Hinblick auf die Kommunalwahlen im März 2020 wünsche ich mir wieder mehr Fairness und Respekt, gerade von den nicht im Gemeinderat vertretenen Akteuren", sagte Franken. Er zitierte kurz vor dem spendierten Büfett einen Spruch, der seiner Meinung nach für die kommende Zeit ein Leitsatz sein sollte: "Ich für meinen Teil nehme nichts mehr persönlich. Ich habe gelernt, dass Menschen mich nicht deshalb beleidigen oder nerven, weil sie ein Problem mit mir haben, sondern weil sie vor allem ein Problem mit sich selbst haben."
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