"Altersarmut ist kein Schreckens-Szenario in der Zukunft, sondern für viele Menschen längst Realität", mahnt die NGG. Renten-Kürzungen oder späteres Eintritts-Alter seien der falsche Weg.
(ty) Ein Leben lang arbeiten – und trotzdem reicht die Rente nicht? Im Landkreis Pfaffenhofen seien rund 3300 Vollzeit-Beschäftigte selbst nach 45 Arbeitsjahren im Rentenalter von Armut bedroht. Das teilte die Gewerkschaft "Nahrung, Genuss, Gaststätten" (NGG) heute mit. Sie beruft sich dabei nach eigenem Bekunden auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und der deutschen Renten-Versicherung. "Demnach verdienen 10,9 Prozent aller Beschäftigten, die im Kreis Pfaffenhofen in Vollzeit arbeiten, weniger als 2050 Euro brutto im Monat", so die Gewerkschaft. "Rein rechnerisch müssten sie sogar mehr als 45 Jahre lang arbeiten, um auf eine Rente oberhalb der Grundsicherungs-Schwelle von aktuell 835 Euro zu kommen."
"Altersarmut ist kein Schreckens-Szenario in der Zukunft, sondern für viele Menschen längst Realität", mahnt Rainer Reißfelder, der als Geschäftsführer der NGG-Region Oberpfalz auch das nördliche Oberbayern mitbetreut. "Die Rente derer, die zum Beispiel Jahrzehnte lang in einer Bäckerei oder Gaststätten gearbeitet haben, reicht schon heute oft nicht aus." Renten-Kürzungen oder Forderungen über ein späteres Renten-Eintritts-Alter seien der falsche Weg. "Stattdessen muss die Politik die gesetzliche Rente stärken", fordert Reißfelder mit Blick auf die aktuelle Debatte rund um die Alters-Sicherung. Das Renten-Niveau, also die durchschnittliche Rente nach 45 Beitrags-Jahren bei mittlerem Verdienst, dürfe nicht weiter absinken.
Seit dem Jahr 2000 sei das Renten-Niveau bereits von rund 53 Prozent auf aktuell 48 Prozent abgesenkt worden. "Konkret bedeutet das, dass Gering-Verdiener mit einem Einkommen von weniger als 2050 Euro brutto im Monat statt 42 nun fast 46 Jahre lang arbeiten müssen, um überhaupt noch die Grundsicherungs-Schwelle im Alter zu erreichen", so Reißfelder. "Aber vier Jahre länger an der Bäckerei-Theke, in der Lebensmittel-Fabrik oder im Schlachthof am Band zu stehen, ist vielen Beschäftigten gesundheitlich gar nicht möglich." Jede Anhebung des Renten-Eintritts-Alters ist seiner Ansicht nach "somit faktisch eine Renten-Kürzung".
Die nächste Bundesregierung, so die Forderung der NGG, müsse das derzeitige Renten-Niveau stabilisieren und perspektivisch anheben, um einen weiteren Anstieg der Altersarmut zu verhindern. Die von Wirtschafts-Verbänden geforderte "Rente mit 70" ist nach Dafürhalten der Gewerkschaft der falsche Weg – und ein "Schlag ins Gesicht der Menschen, die körperlich arbeiten und schon bis 67 nicht durchhalten können". Auch deshalb sei es wichtig, dass die Beschäftigten ihre Stimme bei der Bundestagswahl am 26. September abgäben – und sich informierten, was die Renten-Konzepte der einzelnen Parteien für sie bedeuteten, appelliert die NGG.
Zugleich sind die Unternehmen nach Meinung der NGG in der Pflicht, prekäre Beschäftigung zurückzufahren und Tarifverträge zu stärken. Gerade im Hotel- und Gaststätten-Gewerbe gebe es einen enormen Nachholbedarf, um die Einkommen wirklich armutsfest zu machen – auch weil viele Firmen aus der Tarif-Bindung flüchteten. "Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit verdienen in Bayern aktuell rund 48 900 von insgesamt 94 800 Vollzeit-Beschäftigten im Gastgewerbe weniger als 60 Prozent des bundesweit mittleren Monatseinkommens von 3427 Euro", so die NGG. Reißfelder kommentiert: "Hier darf es niemanden überraschen, dass während der Corona-Krise so viele Köche und Hotel-Angestellte ihre Branche verlassen haben."
Nach Angaben des statistischen Bundesamts, so betont die Gewerkschaft weiter, nehme die Zahl der Menschen, die in der Altersgruppe ab 65 armuts-gefährdet seien, weiterhin zu. Aktuell seien dies 18 Prozent. Im Jahr 2009 seien es noch 14 Prozent gewesen. Entscheidend sei nun, die gesetzliche Rente als zentrale Säule der Alters-Vorsorge für die Zukunft zu stärken. Dafür müssten angesichts des demografischen Wandels auch weitere Mittel aus dem Bundeshaushalt fließen und die Renten-Versicherung zu einer Erwerbstätigen-Versicherung, in die alle einzahlen, weiterentwickelt werden. Dabei dürften die Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Sicherung der gesetzlichen Altersvorsorge komme gerade auch den Jüngeren zugute. Denn sie müssten einen weiteren Abfall des Renten-Niveaus mit einem immer längeren Arbeitsleben bezahlen.
"Am Ende geht es um den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft", findet Reißfelder. "Nach einem langen Berufsleben muss sich jeder darauf verlassen, den Ruhestand in Würde genießen zu können." Die NGG verweist darauf, dass die neu eingeführte Grundrente für Betroffene zwar zu höheren Bezügen führen könne. Allerdings seien die Hürden mit erforderlichen 33 Beitrags-Jahren zu hoch und der Zuschlag falle oft gering aus. "Die mögliche Einkommens-Anrechnung, etwa des Lebenspartners, lässt die Beträge weiter schrumpfen", so Reißfelder. "Damit bekommen viele Menschen keinen oder nur einen geringen Zuschlag. Die Grundrente muss daher ebenfalls weiterentwickelt werden."