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Der Pfaffenhofener Landrat, seine Kollegen aus Neuburg-Schrobenhausen und Eichstätt sowie der OB von Ingolstadt wenden sich per Brandbrief an Bundesminister Lauterbach. Hier das Schreiben im Wortlaut. 

(ty) "Als Landräte der Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen und als Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt stehen wir einer dramatischen Entwicklung in unseren Kliniken und Krankenhäusern hilf- und machtlos gegenüber", schreiben sie in einem gemeinsamen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach – und schlagen Alarm. Die Situation habe sich seit Beginn der Corona-Pandemie fortlaufend verschlechtert. Hohe Ausfall-Quoten sowie genereller Personal-Mangel führten zu Betten-Sperrungen und gefährdeten eine umfassende medizinische Versorgung, so der Pfaffenhofener Landrat Albert Gürtner und seine Kollegen. Sie verweisen auf den Einbruch der Erlöse bei weiter kletternden Kosten sowie auf erheblich negative Jahres-Ergebnisse, kritisieren steigende strukturelle Anforderungen bei zunehmendem Bürokratismus. Dringend erforderliche Investitionen seien "in dieser schlechten finanziellen Situation nicht mehr abbildbar". Der Ausblick ins nächste Jahr lasse die hiesigen Kliniken ratlos zurück. Es ist ein Hilfe-Ruf an die Bundespolitik.

Nachfolgend das von Albert Gürtner (Pfaffenhofen), Peter von der Grün (Neuburg-Schrobenhausen), Alexander Anetsberger (Eichstätt) und Christian Scharpf (Ingolstadt) unterzeichnete Schreiben an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr Bundesminister Prof. Dr. Lauterbach,

als Landräte der Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen und als Oberbürgermeister der Stadt Ingolstadt stehen wir einer dramatischen Entwicklung in unseren Kliniken und Krankenhäusern hilf- und machtlos gegenüber. Wir fordern Sie als politisch Verantwortliche auf, den Kliniken und Krankenhäusern umgehend kurzfristig finanzielle Unterstützungen bereitzustellen und mittel- bis langfristig umfassende und nachhaltige Reformen des Gesundheitswesens durchzuführen, sodass eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige medizinische Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden kann.

Seit Beginn der SARS-COV-2-Pandemie hat sich die strukturelle Situation der Krankenhäuser im Laufe der Corona-Pandemie fortlaufend verschlechtert. Diese Entwicklung hält an und nimmt nun dramatische Formen an.

1. Seit nunmehr 2,5 Jahren versorgen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Kliniken und Krankenhäuser unter wechselnden, aber stets hohen Belastungen, zum Teil an der Belastungsgrenze und in den Spitzen der Infektionswellen auch sicher über diese hinaus, die Bürgerinnen und Bürger in unserer Region. Die Belastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Versorgung von corona-positiven Patientinnen und Patienten – im Oktober 2022 auf einem Rekord-Niveau – sowie der Nicht-Infizierten Patientinnen und Patienten steigen immer weiter an. In der aktuellen Situation ist es für die Mitarbeiterschaft nur noch mit enormem persönlichen Aufwand und selbstloser Einsatzbereitschaft möglich, die medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger auf dem notwendigen Niveau zu halten.

Infolge dieser immens hohen Belastungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die sich, wie gesagt, nun bereits im dritten Jahr (!) den Anforderungen der Corona-Pandemie stellen – steigen in den Krankenhäusern kontinuierlich die Krankheits-Quoten über alle Berufsgruppen hinweg deutlich an. Damit einhergehend steigt wiederum der Druck auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dennoch für den Dienst an den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.

Die aktuelle Lage ohne Aussicht auf Besserung lässt einstmals hochmotivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter frustriert zurück, manche kehren den Gesundheits-Einrichtungen den Rücken zu. Die hohen Ausfall-Quoten sowie der generelle Mangel an Personal in den Gesundheits-Berufen führt zu Betten-Sperrungen und gefährdet eine umfassende medizinische Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger!

2. Die in Folge reduzierten Fallzahlen führen wirtschaftlich zu einem deutlichen Einbruch der Erlöse bei gleichzeitig immer weiter steigenden Vorhalte-Kosten unserer Klinken und Krankenhäuser. Diese sind starken fremdverschuldeten Kosten-Belastungen ohne adäquaten finanziellen Ausgleich ausgesetzt.

Zudem erschweren seitens der Politik zusätzlich geschaffene strukturelle Anforderungen an die medizinische Leistungs-Erbringung, ergänzt um gleichzeitig stetig zunehmenden Bürokratismus, die Arbeit der Krankenhäuser.

Wir sehen unsere Kliniken mit der Situation konfrontiert, dass sie unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erhebliche negative Jahres-Ergebnisse aufweisen, die uns als Träger der Einrichtungen zum Beispiel in der Garantenstellung der Liquidität überfordern.

Es ist unseren Bürgerinnen und Bürger, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Kliniken, die seit nunmehr drei Jahren unter Einsatz aller – auch persönlichen – Kräfte im Krisen-Modus der Corona-Pandemie arbeiten, nicht mehr zu erklären, dass unsere Kliniken im Ergebnis in eine existenzbedrohende, negative wirtschaftliche Situation kommen.

Dringend erforderliche Investitionen in die Infrastruktur der Häuser sind in dieser schlechten finanziellen Situation nicht mehr abbildbar. Investitionen, die den Energie-Verbrauch der Krankenhäuser senken beziehungsweise die Hitze-Belastungen der Häuser in den heißen Sommer-Monaten für die Patientinnen und Patienten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduzieren, sind schlicht nicht finanzierbar und damit trotz dringender Notwendigkeit nicht umsetzbar.

3. Der Ausblick unserer Kliniken und Krankenhäuser in das nächste Jahr lässt diese ratlos zurück. Verlässliche Zusagen zu einer adäquaten Finanzierung der Kosten sind nicht vorhanden. Weitere neue Eingriffe der Gesetzgebung sind nicht durchdacht, unklar und nicht als Grundlage für eine einigermaßen belastbare Planung geeignet.

Ein neuer ambulanter Leistungs-Katalog liegt vor und soll bereits ab dem 01.01.2023 Anwendung finden. Wie die Finanzierung der Leistung erfolgt, bleibt völlig offen. Wie sollen die Krankhäuser diese Form der Leistungs-Erbringung, auch hinsichtlich notwendiger Anpassungen in den jeweiligen Strukturen der Häuser, einigermaßen sicher planen und umsetzten können?

Ähnlich hoch ist die Ratlosigkeit unserer Kliniken und Krankenhäuser über die Initiative aus dem Gutachten der Regierungs-Kommission zu Tagesbehandlungen von stationären Patienten. Ein formuliertes Ziel darin ist: 'In verschiedenen Berufsgruppen reduzieren sich Nacht- und Wochenend-Dienste, was die individuelle Belastung des Personals merklich senkt. Das frei werdende Personal kann an anderer Stelle im Krankenhaus eingesetzt werden, zum Beispiel zur Verbesserung des Patienten-/Personal-Schlüssels.'

Wie soll dies in der Praxis umsetzbar sein, wenn die Personal-Untergrenzen vollumfänglich einzuhalten sind und nicht 'genügend' Patientinnen und Patienten für die Nacht nach Hause gehen können? Bei einer Kranken-Station mit 30 Patientinnen und Patienten und einer Personal-Untergrenze von 1:20 (zum Beispiel Fachabteilung Innere Medizin) müssten ein Drittel der stationären Patientinnen und Patienten einer Station nach Hause gehen, um einen Nachdienst 'einzusparen'!

Ganz abgesehen von der Fragestellung, wie dieser damit einhergehende zusätzliche administrative Aufwand vom vorhanden Personal geleistet werden soll und die Versorgung dieser Patientinnen und Patienten zu Hause bewerkstelligt werden kann.

Für uns alle verstärkt sich – mit sorgenvollem Blick auf die Arbeits-Bedingungen für die Krankenhäuser – der Eindruck, dass eine politische klare und zielgerichtete Ausrichtung der zukünftigen Patienten-Versorgung unterbleibt und die strukturellen Defizite bewusst in Kauf genommen werden.

Dieses ist für uns als Träger unserer lebensnotwendigen Einrichtungen mit großer Verantwortung für alle Bürgerinnen und Bürger nicht hinnehmbar!

Wir verbleiben in Erwartung Ihrer dringend benötigten Unterstützung mit besten Grüßen

Dr. Christian Scharpf, Oberbürgermeister Stadt Ingolstadt
Albert Gürtner, Landrat Landkreis Pfaffenhofen/Ilm
Alexander Anetsberger, Landrat Landkreis Eichstätt
Peter von der Grün, Landrat Landkreis Neuburg-Schrobenhausen"

Zum Hintergrund:

Wie berichtet, muss für die Ilmtalklinik-GmbH mit ihren beiden Krankenhäusern in Pfaffenhofen und Mainburg für heuer ein neuerliches Rekord-Defizit aus dem laufenden Betrieb befürchtet werden. Insider gehen, je nach Zuordnung bestimmter Kosten, nach jüngstem Stand von 12,3 bis 14,8 Millionen Euro aus. Das Minus aus dem operativen Geschäft haben bekanntlich die beiden Gesellschafter der Klinik-GmbH, der Landkreis Pfaffenhofen und der Landkreis Kelheim, alljährlich entsprechend ihrer Anteile zu decken. Dabei hatte es im vergangenen Jahr, rückwirkend zum Jahresbeginn, eine deutliche Änderung bei der Aufteilung der Gesellschafter-Anteile gegeben. Dadurch verschob sich die Verteilung von 85 Prozent (Kreis Pfaffenhofen) zu 15 Prozent (Kreis Kelheim) auf jetzt 73 Prozent (Kreis Pfaffenhofen) zu 27 Prozent (Kreis Kelheim). 

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