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Der Kreis reißt ihn zwar wegen der Klage des Nachbarn ab und baut für 70 000 Euro eine Dachschräge – erledigt scheint der Aufsehen erregende Fall damit längst nicht: Eine Sonderuntersuchung des kommunalen Prüfungsverbands steht an, es gibt Kritik am Anwalt, Unmut wegen des ignorierten Baustopps und die Frage nach Konsequenzen. Die Einschätzungen reichen von "blamabel" bis "mit einem blauen Auge davongekommen". Der Landrat stellt sich indes vor seine Verwaltung.

Von Tobias Zell 

Der mit großem Selbstbewusstsein sich praktisch selbst genehmigte Giebel am Anbau des Pfaffenhofener Landratsamts, der nun wieder abgerissen wird, weil ein Nachbar dagegen Klage erhoben hatte, war heute Nachmittag freilich das bestimmende Thema in der Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses des Kreistags. Und es gibt auch einige handfeste Nachrichten. Erstens: Das Thema wurde im öffentlichen Teil behandelt. Zweitens: Ein Ankauf des Hauses des klagenden Nachbarn scheint endgültig vom Tisch. Drittens: Der ganze Giebel-Wirbel kostet den Landkreis wohl um die 90 000 Euro. Viertens:  Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, ob und wie sehr der überregional für Schlagzeilen sorgende Fall dem Image des Landratsamts als Bau-Genehmigungsbehörde schadet. Fünftens: Es gibt Kritik an dem vom Landkreis engagierten Anwalt. Und sechstens: Das Landratsamt will sich in der Giebel-Angelegenheit freiwillig einer Sonderprüfung des bayerischen kommunalen Prüfungsverbands unterziehen. 

Bekanntlich war der Landkreis im Rahmen der insgesamt 17 Millionen Euro teuren Generalsanierung des Landratsamts von dem genehmigten Plan abgewichen und hatte sich – sozusagen selbst – beim Neubau zum Hofberg hin einen Giebel genehmigt, der um vier Meter höher ausfällt. Dieser Tektur verweigerte ein Nachbar wegen nicht eingehaltener Abstandsflächen und der daraus resultierenden Verschattungswirkung die Unterschrift und reichte Klage beim Verwaltungsgericht ein, das daraufhin Ende Januar einen Baustopp am so genannten Bauteil B verhängte. An den hielt sich das Landratsamt allerdings nicht so konsequent.

Links im Bild der umstrittene Giebel, der nun abgerissen und durch eine Dachschräge ersetzt wird.

Vor allem aber erklärte das Verwaltungsgericht vergangene Woche beim Ortstermin, dass es sich in seiner Eilentscheidung vom Januar zur Einstellung des Bau bestätigt sieht. Damit war klar: Sollte eine außergerichtliche Einigung scheitern und ein Urteil gesprochen werden, sind die Tage des Giebels wohl gezählt. Im Angesicht der drohenden Niederlage schwenkte man von Seiten des Landratsamts um und schlug vor: Der Giebel wird abgerissen und durch eine Dachschräge ersetzt. Damit konnte die Gegenseite leben. Unter zwei Bedingungen. Erstens: Die Pläne müssen vor Genehmigung vorgelegt werden, dann würde man – wenn alles passt – auch einen Rechtsmittelverzicht erklären. Zweitens: Das Landratsamt muss die Anwaltskosten des Klägers übernehmen. 

So lässt sich halbwegs knapp zusammenfassen, was bisher geschah. Heute nun hatte sich der Bau- und Vergabeausschuss des Landkreises mit dem Thema zu befassen. Denn die Umsetzung des bei der Verwaltungsgerichts-Verhandlung ausgehandelten Kompromisses muss ja von politischer Seite abgesegnet werden. Auf offiziellen Antrag von Elke Drack (SPD) hin wurde übrigens so verfahren, wie Landrat Martin Wolf (CSU) es ohnehin vorhatte: Der Tagesordnungspunkt wurde im öffentlichen Teil behandelt.

So durfte dann jeder hören, wie Kreiskämmerer Walter Reisinger noch einmal die Chronologie der Ereignisse zusammenfasste und von der schließlich „einvernehmlichen Lösung“ berichtete. Er stellte vor allem drei Punkte heraus. Erstens: Der Landkreis als Bauherr sei in Abstimmung mit den Anwälten der Meinung gewesen, der vom Verwaltungsgericht verhängte Baustopp hätte sich nur auf den Giebel selbst bezogen, weshalb man im unteren Bereich weiter gebaut habe. Das Gericht habe das vor Ort aber „anders bewertet“ – was sehr diplomatisch formuliert war, weil die Vorsitzende Richterin bekanntlich sagte, so etwas habe sie noch nicht erlebt. Zweitens: Reisinger berichtete, dass man aus sachlichen und zeitlichen Erwägungen zur Erkenntnis gelangt sei, dass ein weiterer Rechtsstreit „nicht zielführend“ sei. Und drittens vermeldete der Kämmerer, dass von Seiten des klagenden Nachbarn keine Bereitschaft (mehr) bestehe, sein Gebäude an den Landkreis zu verkaufen – auf diese Weise hätte der Kreis freilich das Problem auch lösen können.

Letzteres konnte Landrat Wolf näher ausführen. Er habe erst gestern noch einmal ein Gespräch mit dem Hauseigentümer geführt. Mit dem Ergebnis, dass das Gebäude nicht zum Verkauf stehe, weil auf dem Markt kein vergleichbares Objekt zu bekommen sei, in das der Hauseigentümer den Verkaufserlös re-investieren könnte. Damit lagen nun alle wesentlichen Fakten auf dem Tisch und die Debatte konnte beginnen.

Heute wurden im Bau- und Vergabe-Ausschuss des Kreistags die bisherigen und neuen Pläne gezeigt.

Der Pfaffenhofener Altbürgermeister Hans Prechter (CSU) machte den Anfang und übte harsche Kritik. Die ganze Angelegenheit sei „kein Ruhmesblatt“ für den Landkreis „als Bau-Genehmigungsbehörde“. Noch deutlicher wurde er an die Adresse von Anwalt Andre Schneeweiß, der den Landkreis in dieser Sache vertritt. „Ausgesprochen ärgerlich“ und „blamabel“ findet es Prechter, dass man rechtlich beraten worden sei in einer Weise, die offenbar ein rechtswidriges Verhaltung zur Folge hatte, sagte er sinngemäß und spielte damit auf den ignorierten Baustopp an. Die Bau-Einstellung, die das Gericht auf den gesamten Bauteil B verhängt sah, hatten nämlich die Juristen auf Seiten des Landkreises anders interpretiert, weshalb unterhalb des Giebels fleißig weitergewerkelt worden war. Dafür fehlte Prechter jegliches Verständnis.

„Ich verstehe ihren Ärger sehr gut“, entgegnete Schneeweiß. Aber vor Gericht und auf hoher See..., meinte er. Und außerdem gebe es ja den Spruch: „Zwei Juristen, drei Meinungen.“ Vieles spreche nach wie vor für die von ihm und den Landkreis-Juristen vertretene Auslegung des Baustopps, sagte er. Und die Vorsitzende Verwaltungsrichterin, Cornelia Dürig-Friedl, sei an diesem Tag nicht nur mit einem, sondern mit zwei falschen Beinen aufgestanden, diagnostizierte Schneeweiß. Dürig-Friedl hatte den Umgang des Landratsamts mit dem gerichtlich verhängten Baustopp bekanntlich als „mehr als gewagt“ bezeichnet und gesagt, so etwas habe sie „noch nicht erlebt“. Schneeweiß indes gibt sich unbeirrt. Er ist nach wie vor der Meinung, dass man im unterem Bereich weiterbauen durfte, betonte er heute.

Ihm ist der Appetit noch nicht vergangen: Andre Schneeweiß, der den Landkreis in der Giebel-Sache vertritt, findet, dass nach wie vor vieles für seine Interpretation des gerichtlich verhängten Baustopps spricht. Die Vorsitzende Richterin hielt diese Auslegung indes für "mehr als gewagt".

Kerstin Schnapp (Grüne) holte etwas weiter aus und warf in Richtung von Landrat Martin Wolf (CSU) die Frage auf, ob man als Opposition nun Konsequenzen fordern müsse. Denn es gäbe Stimmen, die den Fall sinngemäß auf folgenden Nenner bringen: Das Landratsamt baue schwarz und sei zu dumm, sich seinen eigenen Bau zu genehmigen. Die Kreistagsmitglieder nahm sie – noch – etwas in Schutz: „Wir sind Amateure und müssen uns auf Profis verlassen.“ Vielleicht sei im Nachhinein jede Entscheidung, die man hier getroffen habe, falsch gewesen. Vor allem aber warf sie die Frage auf, die schon Prechter angedeutet hatte: Wie geht man nun mit dem „Vertrauensschaden“ um?

„Wir spüren diesbezüglich keine Beeinträchtigungen“, sagte Landrat Wolf und nahm einmal mehr seine Angestellten in Schutz. Die Bürger können diesen juristischen Vorgang seiner Meinung nach auch „sehr genau einordnen“. Und die meisten Prozesse gewinne man ja auch. „Ich stelle mich vor meine Verwaltung“, sagte der Kreischef – und lobte: In der Bauverwaltung werde sehr gute Arbeit gemacht.

Prechter warf im Hinblick auf die Kosten für Giebel-Abriss, Umplanung etc. auch die Frage nach der Haftung und Verantwortlichkeit auf. „Diese Fragen werden kommen.“ Sein Vorschlag lautete deshalb: Der Landkreis solle glech von sich aus zeitnah den bayerischen kommunalen Prüfungsverband die ganze Angelegenheit prüfen lassen. Das habe man ohnehin vorgehabt, sagte Wolf, man werde eine „Sonderprüfung“ in Auftrag geben.

 

So geht jetzt der Plan: Diese Ansicht zeigt (unten, ganz rechts hinten), wie die neue Dachschräge aussieht, die den Giebel ersetzt.

Die Kosten für den ganzen Giebel-Fall wurden heute erstmals konkret beziffert. Rund 70 000 Euro kosten demnach sein Abriss, die Umplanung und die Realisierung der neuen Variante mit einer Dachschräge von weniger als 45 Grad Neigung – weil unter 45 Grad gibt es baurechtlich keine Probleme mehr mit Abstandsflächen. Hinzu kommt – wie es der Kompromiss vorsieht – die Übernahme der Anwaltskosten des Klägers; das sind etwa 10 000 bis 12 000 Euro. Plus freilich die Anwaltskosten, die der Landkreis selbst hat. Unterm Strich also kostet der Giebel-Wirbel rund 90 000 Euro.

Da komme man „finanziell mit einem blauen Auge davon“, befand Grünen-Fraktionschefin Schnapp. Wolf betrieb daraufhin gleich noch ein bisschen Werbung in eigener Sache und für seine Angestellten. Bislang laufe in Zusammenhang mit der 17 Millionen Euro teuren Generalsanierung und Erweiterung des Landratsamts „alles glatt“, sowohl was die Kosten als auch den Zeitplan angehe – bis auf den Giebel halt.

Der Bau- und Vergabeausschuss stimmte am Ende einhellig der in der vergangenen Woche bei der Verwaltungsgerichts-Verhandlung gefundenen Kompromisslösung zu und nickte die dementsprechende Tektur – die heute auch anhand von Plänen vorgestellt worden war – ab. Die Klägerseite habe die Pläne ebenfalls schon abgesegnet, so Wolf. Und so scheint der Landkreis, zumindest materiell, wirklich noch einmal „mit einem blauen Auge davonzukommen“, wie es Schnapp ja formuliert hatte.

Die Grünen-Chefin äußerte sich nach der Sitzung im Gespräch mit unserer Zeitung indes noch bemerkenswert (selbst)kritisch über die Arbeit in den politischen Gremien des Landkreises in Zusammenhang mit dem Giebel-Wirbel: „Jede Entscheidung, die von Experten – im Bauamt und von anwaltlicher Seite – bei dieser Baustelle getroffen wurde, hat sich im Nachhinein als Irrweg erwiesen, dem allerdings die Kreisgremien meist einstimmig gefolgt sind“, sagte sie. „Unsere Aufgabe als Kreisräte ist es aber nicht, uns zu Kaffee und Kuchen zu treffen und schweigend die Hand zu heben, sondern verantwortungsvoll im Interesse unserer Wähler zu handeln. Wenn das Ergebnis unseres Handelns nun ein Schwarzbau ist, dann können wir unsere Hände nicht in Unschuld waschen und behaupten, wir haben alles richtig gemacht.“

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