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Die städtische Verwaltungsangestellte T. S. wurde jahrelang vom Angeklagten im Geiselnehmerprozess verfolgt – Und hat heute noch Probleme mit der Vergangenheit 

(ty) Am Anfang sollte es eine auf Hilfe ausgelegte Freundschaft werden mit dem arbeitslosen Sebastian Q. Doch plötzlich wurde es zum Horrortrip für die 26-jährige Verwaltungsangestellte, eine der Geiseln jenes dramatischen 19. August 2013, dem Tag, an dem Sebastian Q. im Ingolstädter Rathaus vier Geiseln in seine Gewalt gebracht hatte. Zwei von ihnen waren neun Stunden in seiner Gewalt. Eine von ihnen: T. S. Sie wurde heute als Zeugin vor Gericht gehört. Und sie brach immer wieder in Tränen aus bei den Schilderungen jenes Tages, aber auch bei den Erzählungen, was aus der anfänglichen Freundschaft mit dem Angeklagten geworden war.

Die Verwaltungsangestellte ist heute noch erkennbar traumatisiert. "Es kommt immer wieder hoch", erzählt sie und von vielen schlaflosen Nächten. Sie hat Sebastian Q. 2006 kennengelernt. Damals war sie bei IN-Arbeit beschäftigt, er einer ihrer Klienten. Im Jahr 2012 hat sich dann eine richtiggehende Freundschaft entwickelt. Er – so schildert sie – habe sie regelmäßig von der Arbeit abgeholt. Eine Beziehung im engeren Sinn sei das jedoch nie gewesen.  Auch wenn er ihr schön mal geschrieben habe, er habe sie lieb oder müsse an sie denken.

Und bereits im April 2013 wollte sie die Freundschaft dann wieder beenden, weil es „für ihre Umgebung zu gefährlich geworden“ sei. Es kam zu ersten Gewaltandrohungen, gegen ihre Kollgen und gegen sie selbst. Sebastian Q. hatte sogar mit einem Amoklauf im Rathaus gedroht als Konsequenz der beendeten Freundschaft. Er wollte ihr Leben zerstören, ihr „Russen“ auf den Hals hetzen, die sie töten sollten.

T. S, hat dann bei der Polizei ein Kontaktverbot erwirkt. Geholfen indes hat das nicht viel. Denn ständig sei sie mit Anrufen und bedrohlichen SMS-Nachrichten belästigt worden, musste sich von ihrem Freund in die Arbeit bringen lassen. „Ich lasse Dich auch in 50 Jahren nicht in Ruhe“, soll er einmal geschrieben haben. Und auch immer wieder damit gedroht haben, das er sie umbringt.

Als T. S. dann vom Tag der Geiselnahme erzählt, bricht ihre Stimme, ihr Verteidiger muss ihr Taschentücher reichen und Richter Jochen Bösl unterbricht sogar einmal die Verhandlung, um der Zeugin die Zeit zu geben, sich wieder zu beruhigen. „Es war sehr bedrohlich für uns“, sagt sie, „für uns war die Pistole, die er in der Hand hielt, bis zum Schluss echt.“ Es war – wie sich nachher herausstellte – eine täuschend echt aussehende Waffe, die er ihr und anderen Geiseln auch schon mal an die Schläfe gehalten und damit Todesangst erzeugt hat.

Haarklein schilderte T. S. unter Tränen und mit erstickter Stimme den Ablauf jenes Tages, erzählt von den Äußerungen des Geiselnehmers. „Es wird ein blutiges Ende geben“, soll er immer wieder gedroht haben. Immer wieder habe er Telefonate geführt an jenem Tag, mit seinem Psychiater, mit der Polizei und sogar mit einem bundesweiten Nachrichtensender. Und immer wieder habe seine Aggressivität neue Höhepunkte erreicht, wenn er sich über etwas geärgert hatte.

Ihre Notdurft mussten die männlichen Geiseln im Waschbecken erledigen, sie in einem Papierkorb. Eine erniedrigende Situation für die Geiseln, gepaart mit der ständigen Todesangst. Denn er selbst – so T. S. – habe nicht damit gerechnet, das Rathaus jemals wieder lebend zu verlassen. Er wollte sich offenbar von der Polizei erschießen lassen. Was mit den Geiseln passieren sollte, das hatte er offen gelassen. Ebenso, was es bedeutet, wenn er von einem „blutigen Ende“ sprach.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann ist Bürgermeister Sepp Mißlbeck im Zeugenstand.

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