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Bei einem prominent besetzten Informationsabend in Manching gab es gestern Auskünfte über die Flüchtlings-Situation im Landkreis Pfaffenhofen und über die Pläne, diese Herausforderung zu bewältigen

Audio-Podcast: "Mir schlottern die Hosen" – Regierungspräsident Hillenbrand zur Asylbewerber-Situation

Von Tobias Zell

Der massive Flüchtlings-Zustrom betrifft zunehmend auch die Region. Er stellt die zuständigen Behörden vor Herausforderungen, ruft ehrenamtliche Helfer auf den Plan und verlangt nach unbürokratischen Lösungen. Im Landkreis Pfaffenhofen, wo man sich bislang nach Kräften bemüht hat, die Asylbewerber dezentral unterzubringen, stößt man an Grenzen. Denn immer neue Flüchtlinge kommen nach Deutschland, gut 15 Prozent von ihnen hat Bayern aufzunehmen. Sie werden im Freistaat auf die Regierungsbezirke und Landkreise verteilt.

In Oberstimm wird deshalb bekanntlich künftig ein Teil des Kasernen-Geländes genutzt, um 350 dem Kreis Pfaffenhofen und der Stadt Ingolstadt zugeteilten Flüchtlinge in einer Gemeinschafts-Unterkunft eine Bleibe zu bieten. Dafür wurden und werden ehemalige Soldatenstuben hergerichtet.  Doch zuvor soll die Kaserne erst einmal als Not-Erstaufnahmeeinrichtung genutzt werden. Die ersten Flüchtlinge kommen hier morgen an, bis zum Jahresende erhöht sich ihre Zahl dann stufenweise auf 517. „Ein Gebot der Not“, sei das, erklärte Christoph Hillenbrand, der Regierungspräsident von Oberbayern, gestern bei einem Info-Abend im Geisenfelder Hof in Manching.

Landrat Martin Wolf (von links), Regierungspräsident Christoph Hillenbrand, Bürgermeister Herbert Nerb, MdL Karl Straub und die Vertreter des Landratsamts, Albert Schmid und Niklas Hafenrichter.

Rund 200 Leute waren gekommen, um sich aus erster Hand über die Asyl-Situation im Landkreis und in der Region informieren zu lassen. Ans Rednerpult traten neben Hillenbrand auch Landrat Martin Wolf (CSU), der Landtagsabgeordnete Karl Straub (CSU), Manchings Bürgermeister Herbert Nerb (FW) sowie die zuständigen Abteilungsleiter aus dem Landratsamt, Albert Schmid und Niklas Hafenrichter. Sie alle sandten ein klares Signal aus: Der Flüchtlings-Ansturm ist eine Herausforderung, doch man werde erstens alles tun, um ihn zu Bewältigen, und wolle zweitens so transparent wie möglich mit der Situation umgehen.

Alle Redner waren merklich bemüht, den Zuhörern nichts vorzumachen. Landrat Wolf sprach von einer „ebenso ernsten wie schwierigen Aufgabe“, die zur Folge hat, dass man zur Unterbringung der Flüchtlinge mit der Kaserne planen müsse. Der Regierungspräsident räumte angesichts der Herausforderungen und Anforderungen ein: „Mir schlottern die Hosen.“

Hillenbrand zeigte noch einmal die Zahlen und Quoten zur Verteilung der Asylbewerber auf.

Sieben Gebäude auf dem 39 Hektar umfassenden Kasernen-Gelände werden zur Unterbringung der Flüchtlinge genutzt, rief Rathauschef Nerb noch einmal in Erinnerung. Er sei froh, dass man die Humanitäre Aufgabe in Einklang bringen könne mit den wirtschaftlichen Plänen, sagte er. Bekanntlich wollen Ingolstadt und Manching, auf deren Gemarkung die Kaserne liegt, gemeinsam das Areal überplanen, um dort nach dem Abzug der Bundeswehr Mitte nächsten Jahres Gewerbeflächen zu schaffen. Dieses Vorhaben soll durch die Nutzung als Asyl-Unterkunft nicht beeinträchtigt werden.

Hillenbrand legte Zahlen und Quoten zur Erstaufnahme, Unterbringung und Verteilung der Asylbewerber auf den Tisch.  Bei insgesamt 200 000 Flüchtlingen, die geschätzt in diesem Jahr nach Deutschland kommen, hat Bayern 35 000 aufzunehmen, davon Oberbayern 17 300 und der Kreis Pfaffenhofen gut 350. Sollte der Zustrom in dieser Dimension anhalten, erhöht sich die Soll-Zahl im kommenden Jahr auf knapp 750. Bei all diesen Zahlen wollte Hillenbrand klar sagen: „Es geht hier um Schicksale.“

Der Regierungspräsident berichtete von einem derart großen Asylbewerber-Zustrom, dass an einem Tag 438 Menschen in der Erstaufnahme-Einrichtung Bayern-Kaserne in München zu verzeichnen waren. „Eine Mammut-Aufgabe“, betonte er.  In den Erstaufnahme-Einrichtungen in Bayern seien aktuell 3255 Flüchtlinge untergebracht; und alle zwei bis drei Tage wälze sich diese Zahl einmal um. Denn in den Erstaufnahme-Einrichtungen bleiben die Asylbewerber nicht lang. Er berichtete zudem von Problemen bei der Erstaufnahme: Das entsprechende System sei bis vor kurzem an Wochenenden nicht freigeschaltet gewesen, die Erstaufnahme-Einrichtung in der Bayern-Kaserne sei „übervoll und übergroß“ geworden, es mussten zusätzliche Not-Erstaufnahmeeinrichtungen und Dependancen gebildet werden, es komme zu „Flaschenhälsen“.

MdL Straub lobte die Arbeit des Landkreises.

Der Wolnzacher Landtagsabgeordnete Straub zollte dem Kreis Pfaffenhofen ein großes Lob für sein Engagement zur Flüchtlings-Aufnahme. „Es gibt wenige Landkreise in Bayern, die so toll mit dem Thema umgehen“, sagte er. Doch er kennt auch die Probleme: Die künftigen Flüchtlingszahlen seien aufgrund der politischen Lage schwer einzuschätzen. Deutschland sei zudem das einzige Land, das seinen Verpflichtungen nachkomme. Straubs Dank gilt den ehrenamtlichen Helfern im Landkreis. Und sein Appell lautet: „Weiterhin solidarisch bleiben und nicht die Flüchtlinge verurteilen.“

Niklas Hafenrichter schilderte die räumliche Situation. Nach ihrer Ankunft, zum Beispiel am Münchner Bahnhof, landen die Flüchtlinge in einer Erstaufnahme-Einrichtung. Dort werden sie registriert, es erfolgt ein medizinisches Screening, sie stellen einen Asylantrag und anschließend werden sie nach dem Asyl-Verfahrensgesetz eingehend untersucht. Dann werden sie in eine Gemeinschaftsunterkunft verlegt oder dezentral untergebracht, während ihr Asylantrag geprüft wird.

Aktuell sind im Landkreis Pfaffenhofen 378 Flüchtlinge untergebracht. Der Asylantrag von 96 ist bereits anerkannt, 282 gelten als Asylbewerber. Bis zum Jahresende habe der Kreis aber laut Quote 527 Menschen unterzubringen – es kommen also noch 245, rechnete Hafenrichter vor. Und für die gilt es bis zum Jahresende Plätze zu schaffen. Angedacht sind dabei auch Wohncontainer. Im Rahmen eines „Winternotfallplans“ soll, wie berichtet, das Areal bei der ehemaligen Patriot-Stellung bei Geisenfeld genutzt werden.

Manchings Bürgermeister Herbert Nerb; auf seinem Gemeindegebiet liegt ein Großteil des Kasernen-Geländes.

Von den aktuell im Landkreis untergebrachten Flüchtlingen kommen die meisten aus Syrien (98 Personen), Afghanistan (91) und Nigeria (41). Aber auch aus Pakistan (22), dem Kongo (20), dem Senegal (18) und aus Eritrea (14) haben Menschen hier eine Bleibe gefunden, ebenso wie unter anderem aus Somalia (14), Serbien (10) und Sierra Leone (8).

Laut Hafenrichter gibt es im Landkreis derzeit 43 Gebäude in 15 Gemeinden, in denen die Flüchtlinge untergebracht sind. Mit der dezentralen Unterbringung habe man „sehr gute Erfahrungen gemacht“. Diese Strategie solle auch fortgesetzt werden. In allen 19 Gemeinden sollen Flüchtlinge untergebracht werden, der Richtwert liege bei rund einem Prozent der Einwohnerzahl der jeweiligen Kommune. Auch Landrat Wolf betonte, dass man trotz der baldigen Nutzung der Kaserne als Gemeinschafts-Unterkunft auch „den bewährten Weg“ der dezentralen Unterbringung nicht verlassen wolle. Von der Verteilung der Flüchtlinge über den gesamten Landkreis verspricht er sich „eine ausgewogene Situation bei aller Angespanntheit der Lage“.

Albert Schmid vom Landratsamt klärte über die Betreuung der Asylbewerber und die von ihnen empfangenen Leistungen auf. Demnach erhalten sie Bargeld für die Ernährung, ebenso bekommen sie Geld für Kleidung. Zusammen mit der Caritas wurde die Asylsozialberatung organisiert – auf 150 Flüchtlinge kommt ein Berater.

Regierungspräsident Hillenbrand: "Der Staat, das sind Sie und ich."

Regierungspräsident Hillenbrand weiß um die Herausforderung, die auf den Landkreis Pfaffenhofen zukommen. Nicht nur mit Blick auf die Nutzung der Kaserne. „Erschrecken Sie nicht vor der Aufgabe“, appellierte er. „Sie ist anstrengend, aber bewältigbar“, rief er den Zuhörern zu. Den Begriff „Ghetto“, der aus dem Auditorium kam, höre er „mit Erschrecken“. Es liege an Ingolstadt und Manching, ob es ein Ghetto werde. Er treffe jedenfalls allerorten auf große Hilfsbereitschaft, betonte er und stellte auch klar. „Der Staat, das sind Sie und ich.“

Vorerst werden die in der Kaserne geschaffenen Unterkünfte, wie gesagt, als Not-Erstaufnahmeeinrichtung für bis zu 517 Personen genutzt. Etwa ab Februar, so Hillenbrand, solle dann die „Umschaltung“ zur Gemeinschaftsunterkunft für 350 Flüchtlinge erfolgen. Damit fällt dann der Wachdienst weg und die Reinigung wird von den Asylbewerbern selbst übernommen. Auf die Gemeinde Manching um Bürgermeister Nerb kommen aber dann schon wieder neue Herausforderungen zu. Denn weil die in der Gemeinschafts-Unterkunft einquartierten Menschen dann hier bleiben, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist – bis zu drei Jahre –, besteht dann auch Schulpflicht für die Kinder sowie ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz.

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