Neue Spanner-Vowürfe gegen Scheyerner Bürgermeister: Landesanwaltschaft prüft disziplinarische Konsequenzen – Staatsanwaltschaft ermittelt
(ty) In Zusammenhang mit den neuerlichen Spanner-Vorwürfen gegen den Scheyerner Bürgermeister Albert Müller hat die Landesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Zudem wird die vorläufige Dienstenthebung von Müller geprüft. Das teilte Oberlandesanwältin Simone Widman heute im Gespräch mit unserer Zeitung mit.
Die Landesanwaltschaft ist die zuständige Disziplinarbehörde für die meisten Staatsbeamten. Sie führt das Disziplinarverfahren, wenn die Ahndungsmöglichkeiten des Dienstvorgesetzten nicht ausreichen und erkennt selbst auf bestimmte Disziplinarmaßnahmen (zum Beispiel Kürzung von Dienstbezügen oder Ruhegehalt, vorläufige Dienstenthebung) oder erhebt Disziplinarklage zum Verwaltungsgericht. Aber nicht nur disziplinarrechtlich droht Müller Ungemach. Auch die Staatsanwaltschaft München I ermittelt wegen mehrerer Vorwürfe.
Albert Müller (55) soll am Vormittag des 20. Juni in München auf einer Rolltreppe am Stachus Frauen mit einer Kamera unter den Rock fotografiert haben. Ein Zeuge habe das beobachtet und die Polizei verständigt. Die Beamten rückten an und erwischten Müller „bei der Tatausführung“, wie Thomas Steinkraus-Koch von der Staatsanwaltschaft München I auf Anfrage unserer Zeitung erklärte. Auf frischer Tat ertappt also.
Bei seiner Festnahme soll sich Müller dann heftig widersetzt haben. Damit steht der Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte im Raum – obwohl die Beamten, so zitiert Steinkraus-Koch die Aktenlage, sich als Polizisten zu erkennen gegeben haben und auch ihren Dienstausweis vorgezeigt haben. Doch Müller habe „um sich geschlagen“ und dabei auch einen Polizeibeamten getroffen. Deshalb geht es unter Umständen zusätzlich um den Vorwurf der Körperverletzung.
Und noch etwas wird Müller nicht gerade zum Vorteil gereicht: Er soll, als er von der Polizei gestellt worden war, versucht haben, seine Kamera zu zerstören. Das bedeutet nicht weniger als den Vorwurf der versuchten Vernichtung von Beweismitteln. Allerdings konnte die gesamte Kamera samt Speicherkarte von den Beamten sichergestellt werden, so Steinkraus-Koch. Die Bilder, die sich darauf befinden, werden sicher eine wichtige Rolle in den Ermittlungen spielen.
Hinzu kommt, dass eine 25-jährige Frau Strafanzeige gegen Müller gestellt hat. Sie war offenbar eines der mutmaßlichen Opfer. Müller selbst hat bei der polizeilichen Vernehmung nach seiner Festnahme keine Angaben zu den Vorwürfen gegen ihn gemacht. Die Vorwürfe sind handfest: Eine solch unzüchtige Foto-Attacke wäre als Beleidigung zu werten; darauf steht bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe. Für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte können bis zu drei Jahre Haft verhängt werden. Und auf Körperverletzung stehen bis zu fünf Jahre.
Außerdem können die Spanner-Vorwürfe auch dienstrechtliche beziehungsweise disziplinarische Konsequenzen für den Bürgermeister haben. „Aus unserer Sicht rechtfertigt der Vorfall ein Verfahren zur Amtsenthebung“, erklärte vergangene Woche bereits Karl Huber, der Sprecher des Landratsamts Pfaffenhofen. Ein entsprechendes Verfahren warda bereits eingeleitet worden. Zugleich wurde der Fall an die Landesanwaltschaft abgegeben. Und die ist bereits an der Sache dran. Das Disziplinarverfahren gegen Müller ist, wie gesagt eingeleitet; die vorläufige Dienstenthebung wird geprüft. Müller selbst hat sich, wie berichtet, krank gemeldet.
Erinnerungen an den Fall von 2009
Die aktuellen Vorwürfe gegen den Scheyerer Bürgermeister Albert Müller rufen die Erinnerungen an den Fall von 2009 wieder wach. Damals sah sich der heute 55-Jährige schon einmal mit Spanner-Vorwürfen konfrontiert. Ihm wurde vorgehalten, sich in einer Damentoilette auf einem Parkplatz an der A9 bei Paunzhausen als Spanner verdingt zu haben. Verkleidet mit einer blonden Perücke soll er mit Hilfe eines Spiegels versucht haben, in eine WC-Kabine zu spähen. Das angebliche Opfer, eine 26-jährige russische Studentin, soll daraufhin schreiend aus dem Toiletten-Gebäude gelaufen sein. Ihre beiden Begleiter haben sich, so hieß es weiter, das Autokennzeichen des Unholds notiert – und das führte die Beamten zu Alfred Müller. Bei ihm zu Hause, wo die Polizisten wenig später vorstellig wurden, fand man dann eine Videokamera sowie offenbar heimlich gemachte Aufnahmen von einer spärlich bekleideten Frau.
Müller indes hatte damals für alles eine Erklärung: Auf dem Rastplatz gewesen zu sein, bestritt er ohnehin nie. Aber nicht er sei auf dem Frauen-WC gewesen, sondern eine Anhalterin, die er mitgenommen habe. Ausfindig gemacht wurde die allerdings ebenso wenig wie die russische Studentin. Dass Zeugen aussagten, die blonde Person – ihrer Meinung nach ein Mann mit Perücke – sei nach dem Vorfall ins Auto gestiegen und weggefahren, begründete Müller sinngemäß so: Ihm sei es an dem Tag nicht so gut gegangen, deshalb habe er die Anhalterin ans Steuer gelassen und sich selbst auf die Rückbank zurückgezogen. Die Spanner-Aufnahmen auf der Videokamera erklärte er einmal damit, dass er das Gerät seinem inzwischen gestorbenen Bruder geliehen habe. Ein anderes mal teilte er mit, er habe die Kamera einem Bekannten geborgt.
Gehaltskürzung wurde aufgehoben
Die Ermittlungen wurden damals in beiden Fällen eingestellt. Dass Müller das pikante Video gemacht habe, war nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Und auch die angebliche Spiegel-Aktion blieb ohne Folgen. Die Staatsanwaltschaft fand keinen Straftatbestand, den sie hätte verfolgen können – einen Spanner-Paragrafen gibt es nicht. Strafrechtlich war der Fall damit erledigt. Nicht aber dienstrechtlich. Denn die Landesanwaltschaft als oberste Disziplinarbehörde für Beamte bewertete die Lage anders und legte den Fall nicht zu den Akten. Folge: Die Disziplinarkammer am Verwaltungsgericht befand Müller für schuldig und brummte ihm drei Jahre lang eine Gehaltskürzung um 20 Prozent auf.
Doch Müller zog vor den Verwaltungsgerichtshof – und bekam im Dezember vergangenen Jahres Recht. „Die Geschichte mit der Anhalterin wirkt konstruiert“, so der Richter laut SZ, aber es sei nicht „völlig ausgeschlossen“, dass sie stimme. Und dass es, wie Müller behauptete, sein inzwischen verstorbener Bruder war, der das besagte Filmchen gedreht hatte, sei auch nicht „widerlegbar“. Da es „im Zweifel für den Angeklagten“ heißt, war die Gehaltskürzung vom Tisch.
Gut sechs Monate nach dem für Müller erleichternden Urteil stehen nun erneut Spanner-Vorwürfe gegen ihn im Raum.
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