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Unrühmliches Lehrstück der Pfaffenhofener Kreispolitik: Wie man sich beinahe um ein echtes Schnäppchen brachte

Von Tobias Zell

Diese Episode aus der Pfaffenhofener Landkreis-Politik ist ein Lehrstück dafür, wie man es durch schlechte Vorbereitung, ungeschickte Präsentation und mangelhafte Kommunikation schaffen kann, dass einem fast ein echtes Schnäppchen entgeht. Sie mag ein Zeichen dafür sein, dass Landrat Martin Wolf zwar zur CSU gehört, aber mitunter offenbar weit entfernt ist von seiner Fraktion. Sie dokumentiert jedenfalls, wie man sich das politische Leben schrecklich schwer machen kann. Und sie ist gerade noch einmal gut ausgegangen, wenngleich offensichtlich nicht alles gut.

Die blanke Nachricht ist ebenso schnell erzählt wie erfreulich. So wie es aussieht, kann der Landkreis dank 50 Prozent Zuschuss für wenig Geld auf drei Jahre befristet zwei Fachleute einstellen, die sich um Bildungsmonitoring und Bildungsmanagement kümmern. Und obendrauf gibt es eine weitere Person (zu 100 Prozent finanziert),  die Bildungsangebote für Flüchtlinge organisiert und koordiniert. Unterm Strich also drei Leute, die den Landkreis zusammen unterm Strich gerade einmal gute 40 000 Euro im Jahr kosten. 

Ein Schnäppchen

Ein echtes Schnäppchen, das darf man getrost sagen: Drei Stellen zum Preis von einer. Stellen, die man angesichts der politischen Weichenstellungen und mit Blick auf die aktuelle Lage wohl auch braucht. Denn zum einen hat sich der Landkreis erfolgreich um das Qualitäts-Siegel „Bildungsregion in Bayern“ beworben und wird dieses im Januar auch erhalten. Und der ganze Aufwand macht freilich nur dann Sinn, wenn man nun an der Sache dranbleibt – deshalb Bildungsmonitoring und  Bildungsmanagement. 

Zum anderen dürfte außer Frage stehen, dass angesichts des nicht abreißenden Zustroms von Asylbewerbern eine Fachkraft sinnvoll ist, die Bildungsangebote für Flüchtlinge organisiert und koordiniert. Wer von der Notwendigkeit letzter Stelle nicht überzeugt sein sollte, den mag beruhigen, dass deren Besetzung den Landkreis keinen Cent kostet, weil sie komplett über ein Förderprogramm des Bundesbildungsministeriums finanziert werden soll. Einzige Bedingung: Sie muss in ein Bildungsmanagement eingebunden sein – was durch die vorgenannten beiden Stellen gegeben wäre. 

Hat er aber nicht gesagt

Der Kreistag stimmte also in seiner Sitzung am Montag letztlich dafür, dass sich der Landkreis für das Förderprogramm „Bildung intergiert“ bewirbt, in dessen Rahmen laut Landratsamt allen Kreisen und kreisfreien Städten in der Republik eine solche Person gratis zugute kommen soll. Und außerdem will man im Pfaffenhofener Landratsamt Stellen für Bildungsmonitoring und -management  besetzen, sobald die Zusage über die 50-prozentige Förderung vorliegt.

Hier ist die blanke Nachricht zu Ende. Doch die Geschichte dahinter offenbart dramenhafte Züge. Fangen wir mal wie folgt an. Es wäre vermutlich nicht einmal zu einer Diskussion gekommen, hätte der Landrat sinngemäß gesagt: „Wir können für insgesamt sagenhaft günstige 40 000 Euro im Jahr drei Leute einstellen, die wir dringend brauchen.“ Hat er aber nicht gesagt. Stattdessen war unter Wolfs Regie im Kreistag die Verwirrung schließlich so komplett, dass seine eigene Fraktion eine Sitzungs-Unterbrechung beantragte, um sich zu sortieren. 

Der Anfang der Verwirrung

Ihren Anfang hat die ganze Verwirrung aber schon zwei Wochen zuvor im Kreisausschuss genommen. In diesem Gremium werden vor allem die Themen vorbehandelt, über die es dann im Kreistag abzustimmen gilt. Da war auch über dieses Thema gesprochen worden. Damals ging es allerdings nur um die beiden Stellen für Bildungsmanagement und -monitoring. Und das Problem dabei: So richtig konnten weder die Vertreter der Kreisverwaltung noch Wolf dem Gremium klarmachen, worum es hier eigentlich genau geht und was die Leute, die man da einstellen möchte, überhaupt konkret machen sollen. 

Mehr oder weniger deutlich wurde nur, dass man sich irgendwie erhofft, dass diese beiden Stellen einerseits das Thema „Bildungsregion“ beackern und sich andererseits aber auch irgendwie um die Integration von Flüchtlingen kümmern könnten. Im Raum stand jedenfalls die Einstellung von zwei hochbezahlten wissenschaftlichen Mitarbeitern. Zwar war da bereits von einem Zuschuss von 50 Prozent die Rede – den Landkreis würde das aber pro Jahr dennoch 120 000 bis 170 000 Euro kosten, hieß es.

Massive Skepsis schon vor zwei Wochen

Wolf schlug massive Skepsis entgegen. Es ging um viel Geld, man bekam aber wenig konkrete Infos. Der Landrat selbst wirkte, als hätte ihn die Sitzungsvorlage seiner eigenen Verwaltung überrascht. So richtig Bescheid wusste er jedenfalls nicht. Und auch keiner seiner Mitarbeiter vermochte so recht Licht ins Dunkel bringen. Wolf konnte deshalb auch wenig bis gar nicht Werbung machen für das, was man da so diffus beschlossen haben will. Die Mitglieder des Kreisausschusses ließen ihn deshalb abblitzen. Sie wollten nicht – wie sonst üblich – eine Empfehlung an den Kreistag aussprechen. 

Stattdessen wurde einstimmig gefordert, dass im Kreistag erst einmal detaillierte Informationen darüber vorgelegt werden sollen, was denn diese beiden hochbezahlten Leute konkret tun sollen. „Ich will niemanden einstellen, der nur beschreibt, was anderen arbeiten“, betonte zum Beispiel Jens Machold (CSU). „Wenn wir nicht aufpassen und die Verwaltung weiter aufblähen, werden wir das irgendwann nicht mehr finanzieren können“, prophezeite der Dritte Landrat Josef Finkenzeller (FW). „Wir sollten nicht auf jeden Zug aufspringen“, warnte auch Martin Schmid, der Chef der SPD-Fraktion.

"Weil wir doch viel diskutiert hatten"

Am Montag nun also, im Kreistag, stand das Thema zur Abstimmung. Und „weil wir doch viel diskutiert hatten“ im Vorfeld, verniedlichte Wolf, habe man nun eine Expertin eingeladen. Die hob zu einem langatmigen Referat an, in dem sie zwar massiv für das Bildungsmonitoring und -management warb, aber so theoretisch und unkonkret, dass sie die Skepsis eher noch schürte. „Wenn man ein Projekt nicht in fünf Minuten erklären kann, dann habe ich meine Zweifel“, attestierte Altlandrat Rudi Engelhard (CSU). 

„Wir sollen gelockt werden“, schwante es Max Hechinger (FW) gar. Ob man denn keine anderen Sorgen im Moment habe, meinte er mit Blick auf den nicht abreißenden Flüchtlingsstrom. Er kündigte jedenfalls an, nicht für diese beiden Stellen zu stimmen. Wohl auch deshalb, weil das Gremium zu diesem Zeitpunkt noch davon ausging, dass es sich um zwei sehr, sehr hochbezahlten Posten handelt – E13, wem das was sagt.

So gut bezahlte Stellen gebe es in den meisten Rathäusern nicht, betonte Manchings Bürgermeister Herbert Nerb (FW). Und das passe auch nicht mit den aktuellen Problemen zusammen. Abgesehen von der gehaltsmäßigen Eingruppierung signalisierte Markus Käser (SPD) grundsätzliche Zustimmung für die beiden zu beackernden Aufgabenfelder: Bildungsmonitoring und –management. Eine Mitarbeiterin des Landratsamts erinnerte indes noch einmal daran, dass man ja 50 Prozent Zuschuss bekommen würde – also zwei Kräfte zum Preis von einer. 

Schnapp liest und erkennt

Jetzt kam die dritte anvisierte Stelle ins Spiel, der Koordinator in Sachen Bildungsangebote für Flüchtlinge. Zu 100 Prozent finanziert vom Bund, wie erklärt wurde. Bedingung dafür sei aber: Eingliederung in ein Bildungsmanagement. Wobei man also wieder bei den anderen beiden Stellen war. „Ich habe mit dem Vorschlag kein Problem“, meldete sich Kerstin Schnapp (Grüne) zu Wort und offenbarte, dass sie die Vorlage zur Sitzung – anders als anscheinend viele andere – gelesen hatte. Da stand nämlich, dass diese zwei Stellen auch in E11 eingruppiert werden können – was bei einer 50-prozentigen Förderung nur mehr Kosten von jährlich gut 40 000 Euro für den Landkreis bedeutet. Und Schnapp war es dann auch, die es als erste auf den Punkt brachte: Man kriege hier unterm Strich für gut 40 000 Euro im Jahr drei Personen, die wichtige Stellen bekleiden.

Auch Werner Hammerschmid (SPD) wollte die Kritiker beruhigen: „Wir reden hier eine Sache schlecht, die wir noch gar nicht probiert haben“, sagte er. Zudem sind die beiden zu 50 Prozent geförderten Stellen auf drei Jahre befristet. Was genau es mit der komplett finanzierten Koordinator-Stelle für Flüchtlings-Bildungsangebote auf sich hat, wurde in der Sitzung des Kreistags indes nicht so recht klar – dazu lägen aber auch noch keine Förderrichtlinien vor, hieß es. Allerdings wurde darauf hingewiesen, dass die politische Entscheidung nicht mehr aufgeschoben werden kann, weil der Landkreis den Förderantrag bis 31. Oktober stellen müsste.

Bildungsregion und Bauchweh

Die CSU stehe zur „Bildungsregion“, betonte Fraktionschef Reinhard Heinrich, aber jetzt seien doch „massive Fragen aufgetaucht“.  Deshalb beantragte er eine Sitzungs-Unterbrechung, zu der es allerdings nicht kommen sollte. Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker (SPD) betonte, es sei der falsche Ansatz, an der Bildung zu sparen. Er kritisierte aber zugleich, dass am Landratsamt immer neue Tätigkeitsfelder erschlossen und immer neue Stellen geschaffen würden. Letztlich gehe das alles auf Kosten der Gemeinden, die bekanntlich über die Kreisumlage die Ausgaben des Landkreises zu einem großen Teil decken müssen. 

Ähnlich äußerte sich Kreisrat Manfred Russer (CSU), zugleich Bürgermeister von Hohenwart und Sprecher der Rathauschefs im Landkreis. Der „enorme Aufbau von Stellen“ am Landratsamt bereite ihm Bauchweh, diagnostizierte er und forderte hier eine Obergrenze – sonst werde man die Kosten nicht in den Griff bekommen. Es gebe außerdem auch enormen Personalbedarf in den Gemeinden.

Landrat Wolf, der sich für gewöhnlich in Sitzungen eher dadurch kennzeichnet, dass er den Moderator gibt und seine eigenen politischen Ziele eher im Verborgenen lässt, hob nun zu einem gerade deshalb so überraschenden Appell an. Nach dem Motto „Drei Personen zum Preis von einer“ warb er für seine Verhältnisse sehr emotional um die  Zustimmung des Kreistags. Und die sollte er dann auch bekommen – nur Altlandrat Engelhard votierte dagegen.

Was bleibt?

Viel Wirbel um wenig, könnte man sagen. Doch das trifft nicht den Kern. Was bleibt, ist neben der Frage, warum sich die Kreisverwaltung samt Wolf das Leben hier so unnötig schwer gemacht hat, vor allem eines: Die bemerkenswerte Tatsache, dass es gerade die Kreistags-Mehrheit von CSU und FW war, aus der die kritischen Stimmen kamen. Und ausgerechnet Wolfs Parteifreunde waren es, die eine Sitzungs-Unterbrechung wollten – sicher nicht, weil gerade alles so toll lief. Aus Insider-Kreisen heißt es sinngemäß: Wäre es hier nicht um eine fraglos gute und wichtige Sache gegangen, die CSU hätten Wolf auflaufen lassen und ihm die Zustimmung versagt.

Hinter vorgehaltener Hand meint einer: „Wenn jemand an diesem Tag zum ersten Mal in einer Sitzung gewesen wäre und die Leute und die politischen Verhältnisse nicht kennt, dann hätte er wahrscheinlich gemeint, die CSU ist die Opposition und die macht es dem Landrat nicht leicht.“ Zwischen Wolf und seiner Fraktion war dem Vernehmen nach die Stimmung jedenfalls schon mal deutlich besser. So mancher wäre gern besser informiert über das, was "sein" Landrat vorhat – und wofür er als Kreispolitiker die Hand heben soll. 

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