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Unterbringung von Asylbewerbern im Kreis Pfaffenhofen: Landrat erwartet Verschärfung der Situation – Vohburgs Bürgermeister Schmid fordert: Turnhallen komplett außen vor lassen – Geisenfelds Stadtoberhaupt Staudter kritisiert Reichertshausener Weg als "unsolidarisch" – Reichertshofens Rathauschef Franken regt Ausgleichs-Zahlungen an Kommunen an, die mehr Flüchtlinge aufnehmen

Von Tobias Zell

Dass die Unterbringung des nicht abreißenden Zustroms von Asylbewerbern im Landkreis Pfaffenhofen zunehmend zur Herausforderung wird, ist wahrlich nichts Neues. Neu ist dagegen, dass Landrat Martin Wolf (CSU) die Einquartierung einer größeren Zahl an Flüchtlingen in Containern jetzt ausdrücklich als Alternative in Betracht zieht. Er erwarte „ganz, ganz schwierige Zeiten bis Weihnachten“ und eine „Verschärfung der Situation“, erklärte er heute in der Sitzung des Kreistags mit Blick auf die weitere Entwicklung. Deshalb denkt er über „Miet-Container im großen Stil“ nach. Wolf signalisierte, dass es wohl im November eine Sondersitzung des Kreistags geben wird, in der es dann wohl auch um eine umfangreichere Container-Bestellung geht. 

Nach den heute vorgelegten Zahlen leben aktuell im Landkreis gut 1100 Asylbewerber. Damit ist noch nicht einmal ein Prozent der Einwohnerzahl des Kreises erreicht. Derweil plant man längst mit der Aufnahme von zwei Prozent, das wären 2412 Flüchtlinge – demnach müsste der Kreis noch über 1300 Asylbewerber aufnehmen.

"Herr der Situation bleiben"

Mit Blick auf den Verteilungsschlüssel sagte Wolf heute, der Kreis Pfaffenhofen liege bei der Aufnahme von Flüchtlingen aktuell zwar noch im Soll. Man wolle aber auch weiterhin „die Handlungsfähigkeit nicht verlieren“ und „Herr der Situation bleiben“. Die dauerhafte Belegung von Turnhallen will der Landrat bekanntlich vermeiden. Auch deshalb hat sich der Kreis zusammen mit seinen 19 Gemeinden auf ein Konzept verständigt, wonach alle Kommunen zwei Prozent ihrer Einwohnerzahl an Flüchtlingen aufnehmen sollen. 

Im Rahmen einer Art freiwilligen Selbstverpflichtung haben sich die Gemeinden bereit erklärt, die nötigen Wohnungen zu akquirieren oder notfalls auf eigene Kosten und auf eigenem Grund entsprechende Gebäude zu errichten. Für den Fall, dass es auf dem Weg dorthin zu Engpässen kommt, sollen laut Wolf übergangsweise Turnhallen belegt werden – aber nicht dauerhaft, wie er heute erneut betonte.

Nun ist es aber so, dass die meisten Gemeinden bezüglich eines Engagements als potenzielle Bauherren eher zurückhaltend agieren – auch wenn Wolf heute nochmals für eine zügige Umsetzung des Konzepts warb. Außerdem könnten – selbst, wenn man schnell aktiv werden würde – die Gebäude einfach nicht rechtzeitig fertig werden. Für diesen Fall hat der Landrat die Anschaffung von „Miet-Containern im großen Stil“ ins Auge gefasst, wie er heute darlegte. Die könnten, so ließ er durchblicken, in den Gemeinden verteilt werden, die bei der Aufnahme von Flüchtlingen noch Nachholbedarf haben. Und das sind fast alle. 

Aktuelle Grafik zur Unterbringung von Flüchtlingen in den Landkreis-Gemeinden. "Fehlbeleger" sind Flüchtlinge, die eigentlich aus der ihnen gestellten Unterkunft ausziehen müssten, um sich selbst eine Wohnung zu suchen. Die Abkürzung "umF" steht für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. (Quelle: Landratsamt)

Nur Geisenfeld, Manching, Münchmünster und Pfaffenhofen erfüllen momentan überhaupt die Ein-Prozent-Quote. Bei der Zwei-Prozent-Marke sieht es folglich für alle Kommunen – bis auf Geisenfeld – zappenduster aus. Pfaffenhofen müsste zum Beispiel weitere 216 Leute aufnehmen, Rohrbach noch 104, Manching 107, Vohburg 129, Wolnzach 134, Reichertshausen 96, Scheyern 82 – und diese Liste lässt sich fortsetzen bis zur kleinsten Gemeinde Ernsgaden, wo noch 22 Flüchtlinge aufgenommen werden müssten. 

Im Landratsamt wird viel gerechnet in diesen Tagen. Denn was Wolf mit „ganz, ganz schwierige Zeiten bis Weihnachten“ und „Verschärfung der Situation“ meint, lässt sich auch an Zahlen festmachen. Die jüngste offizielle Prognose geht davon aus, dass heuer 800 000 Asylbewerber nach Deutschland kommen. Allein diese Zahl, die für manche längst als völlig überholt gilt, würde bedeuten, dass bis zum Ende des Jahres nun jede Woche 67 Flüchtlinge im Kreis Pfaffenhofen aufgenommen werden müssten. Bei einer Million wären es schon wöchentlich 108 Personen – und bei 1,5 Millionen würde das dem Kreis Pfaffenhofen ab sofort 211 Flüchtlingen pro Woche bescheren. 

"Lassen Sie Turnhallen außen vor"

Martin Schmid, SPD-Fraktionschef im Kreistag und Bürgermeister von Vohburg, kommt angesichts dieser Aussichten zu der Prognose: „Die Grenze der Belastbarkeit wird wohl noch in diesem Jahr erreicht.“ Er warnte aber dennoch den Landrat ausdrücklich davor, Sporthallen zu nutzen. „Lassen Sie die Turnhallen außen vor – auch wenn’s nur kurz ist“, appellierte er an Wolf. Das schüre Ängste und Sorgen bei den Einheimischen – und die müsse man ernst nehmen. 

In Vohburg sind die Weichen für die Errichtung eines Gebäudes zur Unterbringung von Asylbewerbern bereits gestellt. Hier baut man ein Massivhaus, das später auch für Sozialwohnungen genutzt werden soll. Das Geld kommt aus städtischem Stiftungsvermögen. Schmid aber ärgern in diesem Zusammenhang „bürokratische Hürden“. Hier nahm er Wolf in die Pflicht. „Sonst, lieber Landrat, behalt den schwarzen Peter bei dir“, sagte er – denn die Unterbringung von Asylbewerbern ist bekanntlich keine Aufgabe der Gemeinden.

Franken regt Ausgleichs-Zahlungen an

AUL-Kreisrat Michael Franken, der Bürgermeister von Reichertshofen, lobte den Schulterschluss der Gemeinden bei der Aufnahme von Flüchtlingen und betonte, man habe seine Sache im Landkreis bislang sehr gut gemacht. Er bemerke aber nun, dass die Schere auseinandergehe. Es gibt, wie gesagt, einige Gemeinden, die noch gehörigen Nachholbedarf bei der Aufnahme von Flüchtlingen haben. Franken regte deshalb an, über einen finanziellen Ausgleich für die Kommunen nachzudenken, die mehr Asylbewerber aufnehmen. Über die Kreisumlage könne man diese Zahlungen refinanzieren.

Staudter: Reichertshausener Weg "unsolidarisch"

Christian Staudter (AUL), Bürgermeister von Geisenfeld, verwies darauf, dass seine Kommune bei der Aufnahme von Flüchtlingen an der Spitze liegt, und blickte kritisch nach Reichertshausen. Dort hat der Gemeinderat – wie berichtet – zwar beschlossen, auf die Suche nach einem Grundstück für die Errichtung eines Gebäudes zur Unterbringung von Flüchtlingen zu gehen, aber zugleich einen Kriterien-Katalog aufgestellt. Dass der die Suche nach einem geeigneten Areal nicht gerade vereinfacht, liegt auf der Hand. Staudter zeigte sich jedenfalls sehr skeptisch sei, ob man unter diesen Bedingungen überhaupt Erfolg haben könne, und kritisierte diese Vorgehensweise als „unsolidarisch“.

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