SPD-Kreischef bedauert Bestand der 10H-Regelung und kontert die Schelte des CSU-Nachwuchses – dem er rät, man müsse schon fachlich und sachlich im Bilde sein
Update: "Windkraft-Pseudoprophet", "Nebelkerzen-Werfer", "Ankündigungs-Meister"
(ty/zel) Der bayerische Verfassungsgerichtshof in München hat heute verkündet, dass die 10H-Regelung zum Abstand von Windrändern vor Wohnhäusern verfassungsgemäß ist. Aus baurechtlicher Sicht geht 10H somit voll in Ordnung. Energiepolitisch betrachtet allerdings attestiert der Pfaffenhofener SPD-Kreischef Markus Käser dem Gesetz „eine fatale Wirkung“ – und zwar sowohl für Bayern als auch für den Umstieg auf erneuerbare Energien.
Dass Käser von 10H wenig bis nichts hält, ist kein Geheimnis. Dass er die Daumen dafür gedrückt hat, dass die umstrittene Regelung gekippt wird, brachte ihm – wie berichtet – heute schon harsche Kritik vom Pfaffenhofener Kreisverband der Jungen Union (JU) ein. Lesen Sie dazu: "Käser zeigt sein wahres Gesicht aufs Neue". Diese Schelte lässt Käser aber offenbar eher kalt; sie hat ihn nach eigenen Worten gar zum Schmunzeln gebracht.
"JU-Mitteilung schon im Grundsatz sachlich falsch"
Die beiden JU-Frontmänner Christian Moser und Fabian Flössler „wissen offenbar vor lauter Geifer und Schaum vorm Mund nicht, wer die Windkraft-Planung im Landkreis tatsächlich erarbeitet hat“, stellt Käser fest. Damit sei die JU-Mitteilung „schon im Grundsatz sachlich falsch“. Und das zeugt, so findet der Sozialdemokrat, „von wenig Kenntnis der kommunalpolitischen Abläufe“ sowie „von wenig Respekt gegenüber den handelnden Kommunen oder gar den eigenen CSU-Parteifreunden“.
Moser und Flössler hatten gemutmaßt, Käser könne sich seine Abneigung gegen 10H nur leisten, weil es Landrat Martin Wolf (CSU) geschafft habe, eine gemeinsame Windkraft-Planung im Kreis Pfaffenhofen durchzusetzen. Diesbezüglich müssen sich die beiden CSU-Nachwuchspolitiker jetzt aber von Käser korrigieren lassen. „Die Windkraftplanung ist ein Projekt aller 19 Gemeinden und nicht des Kreistags“, erinnert er und verweist zudem darauf, dass der gewählte Vorsitzende dieses Planungsverbunds der Hohenwarter Bürgermeister Manfred Russer (CSU) war – „und nicht, wie fälschlicher Weise dargestellt, Landrat Martin Wolf“.
Markus Käser (SPD).
Zudem war es laut Käser der hiesige Energie- und Solarverein, der bereits 2010 eine landkreisweite Windkraft-Planung gefordert sowie dann die Bürgermeister und Kommunen bei einem entsprechenden Gutachten beraten hat. „In der Folge haben sich dann alle 19 Gemeinden des Landkreises zu einem Zweckverband zusammengeschlossen und einen gemeinsamen Teilflächen-Nutzungsplan für Windkraft entwickelt, welcher dann von der Regierung von Oberbayern genehmigt wurde.“ Herausgekommen ist bekanntlich eine so genannte Positiv-Planung, die genau die Flächen im Landkreis ausweist, auf denen Windräder möglich sind.
Angesichts dieser Hintergründe fragt sich nun Käser mit Blick auf die JU: „Wollten die Jungs nun Martin Wolf die Windkraft-Planung elegant in die Schuhe schieben oder Manfred Russer und den Landkreis-Gemeinden ihren Erfolg zur Unterschreitung der 10H-Regel um mehr als 50 Prozent nicht gönnen?“
"Man sollte zumindest fachlich und sachlich im Bilde sein"
Fakt ist jedenfalls: Während Wolf die Positiv-Planung für den Landkreis bei jeder sich bietenden Gelegenheit grundsätzlich verteidigt, hat die Pfaffenhofener JU – insbesondere in Person von Moser – kürzlich den Gegnern des geplanten Windparks im Förnbacher Forst ihre volle Unterstützung dabei zugesagt, das Projekt möglichst zu verhindern. Lesen Sie dazu auch: Es kommt drauf an, was man draus macht
Unabhängig davon, so erklärt Käser an die Adresse der Jungen Union, „sollte man, wenn man in der Öffentlichkeit kegelt und ernst genommen werden möchte, zumindest fachlich und sachlich ausreichend im Bilde sein“. Denn „Bürgerbeteiligung heißt nicht nur Diskussion, sondern auch saubere und umfassende Informationen weiterzugeben“.
"Kein Besonders guter Tag für die regionale Energiewende"
Insofern muss man den Bürgern seiner Ansicht nach nämlich auch mitteilen, „dass, wenn wir die dezentrale Energiewende nicht aus eigener Kraft schaffen, weil wir beispielsweise Windkraft-Projekte vor Ort massiv ausbremsen, dann irgendwann das Geld aus der Energie-Produktion hier vor Ort nicht in unsere kommunalen Einrichtungen, sondern in die Yachten von Konzernvorständen fließt“. Flössler, Moser & Co. sollte sich deshalb nach Meinung von Käser „besser für die Umsetzung einer sozial gerechten, regionalen und dezentralen Energiewende im Landkreis einsetzen, anstatt den Leuten falsche Informationen unterzujubeln oder sich auf Kosten der regionalen Energiewende in Szene zu setzen“.
Zur Sache selbst kommt Käser angesichts der Entscheidung des Verfassungsgerichtshof zugunsten von 10H für sich zu dem Schluss, dass heute „kein besonders guter Tag für die regionale Energiewende“ war. Er verweist aber zugleich darauf, dass sich im Landkreis Pfaffenhofen durch die Rechtmäßigkeit von 10H wenig ändert. „Der Flächennutzungsplan ist gültig und es bleibt dabei, dass Gemeinden mit eigenen Bebauungsplänen Windkraft mit geringeren Abständen entwickeln können.“
Die beiden JU-Politiker und CSU-Kreisgeschäftsführer Fabian Flössler (links) und Christian Moser.
Aus energiepolitischer Sicht bescheinigt Käser, der auch Vorsitzender des Landesnetzwerks für bayerische Bürgerenergie ist, der 10H-Regelung „eine fatale Wirkung für Bayern und den konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien“. Denn generell werde durch 10H der Ausbau der Windkraft im Freistaat „extrem verlangsamt und erschwert“. Angesichts dessen müsse man die Staatsregierung „schon fragen, wie sie die eigenen Ausbau-Ziele von sechs bis zehn Prozent Windkraft – das sind rund 1000 bis 1500 neue Windkraft-Anlagen – und generell die Energiewende ohne große Stromtrassen nun schaffen möchte“.
In seiner Funktion als Chef des Landesnetzwerks versichert Käser: „Die bayerischen Genossenschaften werden den Kopf nicht in den Sand stecken und weiter den dezentralen und regionalen Ausbau der erneuerbaren Energien gestalten und dafür werben.“ Dazu gehörten auch die Aufklärung über sowie die Akzeptanz-Förderung für die Windkraft, sagt er. Energie solle schließlich dort erzeugt werden, wo sie auch verbraucht werde.
Kritik an Landes- und Bundesgesetzgebung
„Eine weitere Erschwernis, wenn nicht sogar ein letzter Sarg-Nagel für die regionale Wertschöpfung von erneuerbaren Energien, folgt allerdings schon im Jahr 2017“, gibt Käser zu bedenken. „Dann gelten die im Koalitionsvertrag geplanten europaweiten Ausschreibungen für Windenergie-Anlagen.“ Sollten diese ohne Ausnahmen für regionale Projekte eingeführt werden, haben lokale Energie-Gesellschaften – wie Genossenschaften oder Stadtwerke – nach seiner Einschätzung „kaum mehr eine Chance, im Wettbewerb gegen Großkonzerne und Großinvestoren zu bestehen“.
In der Gesamtbetrachtung der Landes- und Bundesgesetzgebung kommt Käser zu dem Schluss, dass hierzulande eine „zentralistische Energiepolitik für Großkonzerne und gegen energie-aktive Kommunen“ gemacht wird. Die Folge sei: „Energie-Erzeugung ohne regionale Wertschöpfung und auf Kosten des Klimaschutzes.“
Inzwischen hat die JU erneut reagiert: "Windkraft-Pseudoprophet", "Nebelkerzen-Werfer", "Ankündigungs-Meister"
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