Die Grünen küren die Pfaffenhofener Kreisvorsitzende Kerstin Schnapp (40) einhellig zur Direktkandidatin für den Bundestag
(ty) Kerstin Schnapp von den Grünen ist jetzt offiziell im Rennen um das Bundestags-Direktmandat im hiesigen Wahlkreis. Die 40-Jährige wurde gestern Abend im Reichertshausener Gasthof Fuchs von ihren Parteifreunden einhellig nominiert, erhielt 35 der 35 Delegierten-Stimmen. Schnapp, im Hauptberuf Gesellschafterin einer Firma für Filmproduktionen, ist Vorsitzende der Grünen im Landkreis Pfaffenhofen und Mitglied des Kreistags.
Der neu zusammengesetzte Bundestags-Wahlkreis umfasst die Landkreise Pfaffenhofen und Pfaffenhofen sowie die Stadt Schrobenhausen, die Verwaltungsgemeinschaft Schrobenhausen und die Gemeinde Aresing. Eigentlich hatten die Grünen bereits die stellvertretende Freisinger Landrätin Birgit Mooser-Niefanger zur Bundestags-Bewerberin gekürt. Doch die trat dann – wie berichtet – überraschend aus der Partei aus und legte in diesem Zusammenhang auch ihre Kandidatur nieder.
Nun tritt Schnapp an, um den amtierenden Bundestags-Abgeordneten Erich Irlstorfer (CSU) aus Freising vom Sockel zu stoßen. Dieses Ziel verfolgen unter anderem auch Andreas Mehltretter (SPD) aus Freising sowie der Wolnzacher Thomas Neudert (FDP) und Johannes Huber (AfD) aus Nandlstadt.
Der gestrigen Nominierung von Kerstin Schnapp gingen weder Wortmeldungen noch Diskussionsbeiträge der versammelten Grünen voraus. In ihrer Bewerbungsrede sprach die Pfaffenhofenerin von tiefsitzendem Misstrauen der Bürger gegenüber der Politik im Allgemeinen. „Das erodiert die Basis einer liberalen Demokratie“, befand sie. Es gehe nun darum, für Vertrauen zu kämpfen. An dieser „Vertrauensfrage“ wird ihrer Ansicht nach der Bundestags-Wahlkampf entschieden. „Es wird ein Kampf um nichts weniger als die Demokratie und unser Grundgesetz.“
Am Beispiel der Gleichberechtigung von Frau und Mann machte Schnapp deutlich, dass dies ein politisch langwieriger Prozess sein könne. „Ich komme mir langsam alt vor, aber es gab eine Zeit, als dieselben Nasen, die heute drei Mal am Tag das Frauenbild konservativer Moslems kritisieren, mit eben diesem Bild unter dem Deckmäntelchen ,christlich‘ durch die Lande gelaufen sind“, sagte sie. Die Grünen hätten „maßgeblich dazu beigetragen, eine Gesellschaft zu gestalten, in der jeder nach seiner Fasson leben, lieben und selig werden kann“. Diese Gesellschaft gelte es zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Anderes Thema: Aktuell bräuchte man nach Dafürhalten von Schnapp zweieinhalb Planeten, wenn alle so viele Ressourcen verbrauchen würden wie die Deutschen. „Die Herausforderung ist es, unsere Art des Wirtschaftens so zu organisieren, dass wir die Tragfähigkeitsgrenzen unseres Planeten nicht überschreiten“, proklamierte Schnapp. In mancherlei Hinsicht sieht sie die Grenzen ohnehin bereits überschritten – sie kannte als Stichworte den Klimawandel, den Verlust der Artenvielfalt, die Landnutzung und den Stickstoff-Eintrag in die Biosphäre.
Auch bei der Versauerung der Ozeane, der Nutzung von Süßwasser und beim Phosphor-Eintrag sei eine kritische Marke erreicht. „Deshalb stehen wir als hoch entwickelte, hoch technisierte Gesellschaft vor der Aufgabe, unseren Ressourcen-Verbrauch in Zukunft absolut zu mindern“, so Schnapp. Eine relative Reduktion, also weniger Verbrauch im Verhältnis zur steigenden Wirtschaftsleistung, reicht da ihrer Meinung nach nicht aus. Soziale Faktoren und Umwelt-Gesichtspunkte müssten Eingang in die Förderung finden, außerdem müssten schädliche Subventionen abgebaut werden. Die Grünen sagen deshalb „klimaschädlichen Subventionen“ den Kampf an. Erneuerbarer Strom sollte im Gegenzug günstiger werden – Kohle, Öl und Gas teurer.
Kerstin Schnapp nimmt Glückwünsche und Blumen von Waltraud Heinlein-Zischgl, Kreisvorsitzende der Freisinger Grünen, entgegen.
Mit einer Wende in der Agrarpolitik will sich Schnapp dafür einsetzen, öffentliches Geld für Tierwohl und Umweltschutz auszugeben, anstatt es für den reinen Bodenbesitz zu verwenden. „So profitieren auch unsere Bauern.“ Die Politik sollte ihrer Meinung nach die kleinteilige bayrische Landwirtschaft erhalten, statt auf ein schlichtes „Wachsen oder Weichen“ zu setzen. Nur so könne neben dem Boden auch Wasser als Lebensgrundlage erhalten werden.
„Wir Grüne stehen für eine Politik, in der sich artgerechte Tierhaltung und nicht Tierfabriken für die Landwirte rechnen“, so Schnapp weiter. Was die Politik des CSU-Landwirtschaftsministers Christian Schmidt anrichte, werde einem gerade im Wolnzacher Ortsteil Eschelbach vor Augen geführt. Dort soll bekanntlich ein bestehender Hähnchenmast-Betrieb auf rund 145 000 Tiere erweitert werden. Das Genehmigungsverfahren im zuständigen Pfaffenhofener Landratsamt läuft noch.
Das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium verweigere den Kommunen nach wie vor ein Mitspracherecht in der Frage, ob eine „Tierfabrik“ vor der Haustür entstehen solle, monierte Schnapp. Verbindliche Haltungsbedingungen, die sich am Tierwohl orientierten, stünden bei der CSU nicht auf der Agenda. Es bedürfe politischer Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, von einer umweltschonenden und am Tierwohl orientierten Landwirtschaft zu leben.
Ein drängendes Thema, gerade in der Region, sei die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Das kann nach Ansicht von Schnapp aber nicht nur Aufgabe der Kommunen sein. Ebenso sei der Erhalt kommunaler Krankenhäuser eine Angelegenheit, die auch vom Bund getragen werden müsse. Es gelte, „für den Erhalt der Versorgung der Patienten vor Ort zu kämpfen, statt immer drastischeren Sparmaßnahmen und Zentralisierungsbestrebungen den Weg zu ebnen“.
Dass die Grünen im Großen und Ganzen – und sozusagen von Reichertshausen bis Brüssel – an einen Strang zögen, schätzt Schnapp nach eigenen Worten sehr. Das sieht sie offenbar bei der CSU anders, wie sie mit Blick auf die Debatte über die geplante dritte Startbahn am Münchner Flughafen ausführte: „Seehofer zieht mal in die oder die Richtung, Irlstorfer ist dagegen und ansonsten macht die CSU eine Politik pro dritte Startbahn.“
Zur Person und Termine
Schnapp ist in Freising geboren, in Reichertshausen aufgewachsen und lebt in Pfaffenhofen. Ihren Lebensunterhalt verdient sie als Gesellschafterin einer Filmproduktionsfirma. Zu den Grünen kam sie 1997, war ein Jahr später bereits Schriftführerin im Kreisvorstand und in Arbeitskreisen aktiv. Seit 2010 steht sie dem Pfaffenhofener Kreisverbands der Grünen vor, den sie aktuell in Doppelspitze mit Norbert Ettenhuber aus Baar-Ebenhausen führt. Ettenhuber kandidiert für die Grünen bei der am 7. Mai stattfindenden Landrats-Wahl. Somit befindet sich ab sofort die Spitze der Landkreis-Grünen im Wahlkampf.
Einige Termine für ihren Bundestags-Wahlkampf hat Kerstin Schnapp bereits bekanntgegeben. Sie ist am 8. März um 19 Uhr in Goldach bei Hallbergmoos anlässlich einer Grünen-Ortsversammlung beim Alten Wirt zu Gast. Außerdem findet am 11. März ab 11 Uhr wieder der Grünen-Frühschoppen im Parteibüro am Riederweg in Pfaffenhofen statt. Zu Gast ist Schnapp auch am 13. März bei der Kreisversammlung der Freisinger Grünen (ab 20 Uhr im „EtCetera“, Freising). Und von 17. bis 19. März sind die Grünen mit einem Stand auf der Wolnzacher Messe vertreten.