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Ein pädagogischer Lehrpfad über das Tier wird vom Landkreis nicht bezuschusst, weil die Nager so viel Schaden anrichten.

Von Tobias Zell 

„Hättest Du geschwiegen, wärest du ein Philosoph geblieben.“ So ist es sinngemäß vom römischen Gelehrten Boethius überliefert. Aber im vorliegenden Fall geht es halt eben um Politik; um Pfaffenhofener Landkreis-Politik in ihrer reinsten, naturnahen Form. Da kommt man mit Philosophie nicht weit. Vor allem, weil der Biber, die Sau, doch so viel Schaden anrichtet. Da kann man nicht einen Lehrpfad über dieses Untier mit 5000 Euro unterstützen. So entschied gestern der Kreisausschuss, wenngleich knapp, dass der Bund Naturschutz (BN) das Geld nicht kriegt. Lehrpfad hin oder her: Beim Biber hört offenbar die Pädagogik auf.

 

Die 1,4 Kilometer lange Spazier- und Radstrecke durch das Biotop entlang der Ilm bei Pfaffenhofen-Förnbach ist längst als „Biberweg“ ein Begriff. 1995 hatte ein junger Naturschützer den Biber als Thema seiner Biologie-Facharbeit am hiesigen Schyren-Gymnasium gewählt und daraus die Beschilderung des ersten „Biber-Lehrpfads“ entwickelt. 2012 war die Beschilderung erneuert worden, da die Tafeln kaum noch lesbar waren. Kürzlich wurde das gesamte Projekt  vom Naturpädagogen Robert Beringer aus Adlkofen neu konzipiert. Neue Tafeln, neue Stationen. Zugleich wurde an manchen Stellen der dichte Bewuchs gelichtet, um einen Bezug zwischen der Ilm und  den Schautafeln herzustellen sowie das Wasser beziehungsweise die Aktivitäten des Bibers sichtbar und zugänglich zu machen. 

Offiziell eröffnet wurde der neue Biber-Lehrpfad  – wie berichtet – Ende Juli vom Pfaffenhofener Bürgermeister Thomas Herker (SPD) zusammen mit Vize-Landrat Anton Westner (CSU) und der BN-Ortsvorsitzenden Christine Janicher-Buska im Beisein von Robert Beringer. Westner dankte seinerzeit Janicher-Buska, die sich für die Neugestaltung stark gemacht hatte. Er bezeichnete es als sehr wichtig, über den Biber zu informieren und ihn positiv darzustellen, da er ja längst nicht überall gern gesehen und vor allem für die Landwirtschaft „bisweilen problematisch“ sei.

 

Eröffnung des Biber-Lehrpfads: BN-Ortsvorsitzende Christiane Janicher-Buska (von links), BN-Wildnispädagoge Alfred Raths, Vize-Landrat Anton Westner, Naturpädagoge Robert Beringer und Pfaffenhofens Bürgermeister Thomas Herker.

Ja, genau! Problematisch. Da interessierte es die Mehrheit dann in der gestrigen Sitzung des Kreisausschusses auch nicht mehr, dass Landrat Martin Wolf (CSU) der Stadt bereits im November 2015 schriftlich in Aussicht gestellt hatte, dass sich der Landkreis – vorbehaltlich freilich der Entscheidung der zuständigen Gremien – mit bis zu 5000 Euro an dem neuen Lehrpfad beteiligten könnte. Weil die Vorbehalte gegen den bösen Biber waren halt am Ende bei der Abstimmung – sieben Stimmen dagegen, sechs dafür – größer als der Förderwille. 

Den Stein ins Rollen gebracht hatte Kreisrat Christian Staudter (AUL), zugleich Bürgermeister von Geisenfeld. Man dürfe den Biber nicht verklären, betonte er, sondern müsse auch auf die von ihm angerichteten Schäden hinweisen. Seiner Meinung nach sollte der Tierbestand sowieso reduziert werden. Kurzum: Der Biber „gehört von der Roten Liste runter“ und bejagd, weil er „nicht mehr schützenswert“ sei. Damit sollte die Stoßrichtung der Debatte vorgegeben sein:  „Feuer frei“ gegen den ungeliebten Biber. 

Kerstin Schnapp (Grüne) brach aber noch eine Lanze für den Nager. Es sei doch schön, wenn der Naturschutz so greife: Vor einigen Jahren sei der Biber noch fast ausgestorben gewesen, jetzt sei der Bestand offenbar schon wieder so groß, dass es nervt. Der Lehrpfad sei jedenfalls eine gute Sache, lobte sie, und „wirklich interessant“. Doch die Gegenseite wollte vom Lehrpfad offensichtlich nicht viel wissen, hätte stattdessen am liebsten sofort zur Biber-Jagd geblasen.

 

„Schäden ohne Ende“, richten die Viecher nämlich an, schimpfte Herbert Nerb (FW), der im Hauptberuf Bürgermeister von Manching ist. Er berichtete, dass das Treiben der Biber auch schon Menschen gefährdet und verletzt habe. Seinen Worten zufolge sei sogar schon mal ein Polizei-Auto eingebrochen. 

Martin Schmid, Chef der SPD-Fraktion im Kreistag und Rathauschef von Vohburg, konnte seinen Amtsbrüdern Staudter und Nerb a nur zustimmen. Fünf Ordner voll mit Unterlagen über Biber-Schäden an der Donau habe er. In seiner Gemeinde gebe es sozusagen einen kostenlosen Lehrpfad, der zeige, was der Biber anrichtet, schimpfte er sinngemäß und kündigte schon mal an: Er werde dem Zuschuss nicht zustimmen. 

Reinhard Haiplik (ÖDP), Gymnasial-Lehrer im Ruhestand, unterstrich, dass es wichtig sei, schon Kindern eine differenzierte Betrachtung zu vermitteln. Man könne Schülern nicht früh genug beide Seiten eines Aspekts vermitteln. Deshalb müsse man auch die „Schattenseiten“ des Bibers darstellen. Was der Lehrpfad übrigens macht, und zwar ausdrücklich. Aber dazu später noch.

 

Hier beginnt der Biber-Lehrpfad: Der Startpunkt liegt an der Joseph-Fraunhofer-Straße (B13), kurz nach der Abzweigung Raiffeisenstraße.

Es gehe ja gar nicht um die 5000 Euro, stellte Manfred Russer (CSU), Gemeinde-Chef von Hohenwart, klar. Aber „wir können hier nicht ein falsches Zeichen setzen“. Denn ihm fehle bei der Biber-Problematik die Unterstützung vor Ort. Das wollte er auch als Sprecher der 19 Bürgermeister im Kreis Pfaffenhofen gesagt wissen. 

Aber es gehe doch hier, hielt Schnapp dagegen, um ein pädagogisches Projekt und nicht um die Frage, ob der Biber gut oder schlecht sei. Außerdem ist es ihrer Meinung nach der falsche Weg, den Kindern die Möglichkeit zu nehmen, sich über den Biber zu informieren, nur weil es in den Kommunen Ärger mit den Tieren gibt. Was nicht ganz stimmt: Weil der Lehrpfad ja schon steht und man durch die Verweigerung des Zuschusses das Projekt nicht verhindert. Die Grünen-Kreischefin regte jedenfalls an, doch eine Führung durch den Lehrpfad zu machen. Damit man sozusagen weiß, wovon man spricht. 

Da war es aber schon zu spät. Man sah die Biber-Felle regelrecht davonschwimmen. Er hatte nicht die Absicht, den Lehrpfad beziehungsweise den Zuschuss zu torpedieren, schob Staudter angesichts der sich abzeichnenden Abstimmung hinterher. Reinhard Heinrich, Chef der CSU-Fraktion und Bürgermeister von Reichertshausen, schlug differenziertere Töne an: Der Schutz der Landwirtschaft sei sehr wichtig, erklärte er zu den Biber-Schäden. Wenn aber mit dem Lehrpfad auch auf die Nachteile und Schäden durch die Nagetiere hingewiesen werde, dann könne man über den Zuschuss reden.

 

Der Lehrpfad weist auch auf die Probleme hin, die der Biber macht: Sogar von einer möglichen Tötung ist die Rede.

Die Frage, ob beziehungsweise wie der Lehrpfad darauf hinweist, welche Probleme der Biber bereitet und welche Schäden er anrichtet, wurde übrigens in der Sitzung nicht gestellt. Kannte jeder der Anwesenden zum Zeitpunkt der Abstimmung die Tafeln und ihre Beschriftung – davon müsste man dann eigentlich ausgehen. Oder war das – man mag es nicht denken – ein politischer Blindflug? Zumindest wurde ein pädagogisches Projekt zum Opfer des Themas, das es behandelt. Der Biber hat halt keine gute Lobby. Es wirkt schon ein wenig, wie eine Provinz-Posse.

Fakt ist: Der Lehrpfad behandelt die "Schattenseiten" des Bibers explizit und deutlich. „Die Aktivität des Bibers inmitten der Kulturlandschaft verursacht häufig Probleme mit den Landnutzern“, heißt es etwa. „Das Fällen von Bäumen, Räubern von Nutzpflanzen, das Untergraben von Ufern und die Vernässung von Nutzland machen ihn vor allem bei Landwirten unbeliebt.“ Naturschutzbehörden helfen deshalb, so steht da, Biber-Konflikte mit den Betroffenen zu lösen. 

Ferner wird nicht nur auf vorbeugende Maßnahmen eingegangen, sondern auch auf „Möglichkeiten der Konfliktlösung“. Genannt werden zum Beispiel der Aufbau von Elektrozäunen zum Schutz von Feldfrüchten, Baumschutz mit Drahtgittern, das Lenken des Bibers in naturnahe Gebiete, „in Sonderfällen Uferschutzmaßnahmen mit Schutzmatten oder Versteinerung“.

 

Und es wird noch deutlicher: „Bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wenn erhebliche Schäden entstehen und vorbeugende Maßnahmen nicht greifen, können Biber mit Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde – vor allem mit Lebendfallen – abgefangen werden. Anschließend erfolgt in der Regel eine Tötung der Tiere durch bestellte Personen.“ 

Das alles steht auf einer dieser Tafeln. Dennoch: Die Mehrheit im Kreisausschuss vertrat gestern die Meinung, dieser Lehrpfad soll nicht mit 5000 Euro aus der Landkreis-Kasse gefördert werden. Die Stadt hat laut Landratsamt rund 32 000 Euro für den Lehrpfad ausgegeben; der Bund Naturschutz habe sich als Projektträger mit bislang 2500 Euro an den Kosten beteiligt und hätte einen möglichen Landkreis-Zuschuss an die Stadt weitergeleitet. Doch dazu kommt es nicht. Weil „Castor Fiber“ – so der lateinische Name – mächtig an den Nerven so mancher Kreisräte nagt. 

Weitere Berichte zur Sitzung:

Zweiter Anlauf für neuen Umwelt-Zweig an der FOS in Scheyern

Klare Forderung: Kreis Pfaffenhofen braucht fünften Rettungswagen


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