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Er soll von Pfaffenhofen nach Scheyern verlagert werden. Der Stadtrat schlägt Alarm. 

(zel) Pfaffenhofen versteht die Welt nicht mehr. Der bislang hier stationierte Rettungswagen soll nach Scheyern verlegt werden. Im Stadtrat, der sich gestern mit dem drohenden Szenario befasst hat, herrscht blankes Unverständnis. Die Kommentare reichten von "nicht tragbar" über "Käse" bis "stinkt zum Himmel". Was da „technokratisch“ anvisiert werde, sei eine Watsch für 31 000 Menschen, schimpfte Bürgermeister Thomas Herker (SPD). Laut Stadtverwaltung würde die Situation nur für wenige besser, aber für viele schlechter. Markus Käser (SPD) spricht nicht bloß von einer „Milchmädchen-Rechnung“, sondern prangert Rechenspiele mit Menschenleben an. Man brauche keine Standort-Debatte, so die einhellige Meinung, sondern einen weiteren, fünften Sanka im Landkreis.

 

Gemunkelt worden war schon seit einiger Zeit über eine mögliche Standort-Änderung für den in Pfaffenhofen stationierten Rettungswagen. Doch was da gestern Abend im Stadtrat eilends noch auf die Tagesordnung der öffentlichen Sitzung gesetzt wurde, hat das Zeug zum handfesten Aufreger. Betroffen wären wohl Zigtausende von Menschen im südlichen Landkreis. „Ich will noch nicht von einem Skandal sprechen“, sagte Altbürgermeister Hans Prechter (CSU). Noch sei ja nichts umgesetzt. Doch laut Darstellung der Stadtverwaltung soll sich der Rettungszweckverband in seiner nächsten Sitzung am 23. Oktober bereits konkret mit einer Verlagerung des Rettungswagens von Pfaffenhofen nach Scheyern befassen.

„Das stinkt zum Himmel“, gab Rathauschef Herker die Stoßrichtung vor. Was da im Raum stehe, sei „nicht nachvollziehbar“, sagte Hans-Dieter Kappelmeier von der Stadtverwaltung, der eine umfangreiche, mit alarmierenden Zahlen gespickte Präsentation vorbereitet hatte und jede Menge Daten lieferte. Über die zeitliche Dimension der geplanten Rettungswagen-Verlagerung von Pfaffenhofen nach Scheyern lägen derzeit noch keine Angaben vor – sie werde, wenn, aber nur während der Besetzung des Standorts Rohrbach erfolgen. Das könnte maximal von 8 bis 20 Uhr sein. In Pfaffenhofen wäre dann in dieser Zeit kein Rettungswagen vor Ort, unterstrich Kappelmeier. 

Abzug auf Probe? 

Zunächst, so berichtete er, sei sogar eine Verlegung von Pfaffenhofen nach Euernbach im Raum gestanden. „Absolut unlogisch“, sei das gewesen. Auf der Grundlage einer neueren Detail-Analyse würden die Experten nun den Standort Scheyern empfehlen – zunächst „probeweise“ für sechs Monate. Das habe man inzwischen auch schriftlich. Damit hätte, so Kappelmeier, Pfaffenhofen praktisch als einzige Kreisstadt in ganz Bayern keinen Rettungswagen vor Ort. Die Stadt zählte mitsamt den Ortsteilen Anfang August rund 25 900 Einwohner.

Noch im Mai vergangenen Jahres, so verdeutlichte die Präsentation der Stadtverwaltung, habe ein Gutachten des Instituts für Notfallmedizin und Medizin-Management (INM) erklärt: „Es wird empfohlen, an der Rettungswache Pfaffenhofen weiterhin einen Rettungswagen rund um die Uhr vorzuhalten.“ Eine Detail-Analyse vom September dieses Jahres sei dann überraschenderweise zu einem anderen Ergebnis gelangt: „Während mit den vorhandenen bodengebundenen rettungsdienstlichen Strukturen einzelne Gemeindeteile im Südwesten des Landkreises Pfaffenhofen planerisch nicht innerhalb von zwölf Minuten Fahrtzeit erreicht werden können, wird durch eine potenzielle Verlagerung des Rettungswagens der Rettungswache Pfaffenhofen nach Scheyern beziehungsweise Euernbach eine größere planerische Flächendeckung innerhalb von zwölf Minuten Fahrtzeit erreicht.“

Durch eine zeitweise Verlegung des Rettungswagens nach Scheyern würden, führte Kappelmeier aus, Notfälle in den südwestlichen Landkreis-Gemeinden bis zu sechs Minuten schneller erreicht. Notfälle in der Stadt Pfaffenhofen würden dagegen bis zu sechs Minuten langsamer erreicht – jedoch noch innerhalb der Zwölf-Minuten-Frist. Mit einer Verlagerung nach Scheyern ließe sich die Anzahl der Überschreitungen dieser Zwölf-Minuten-Grenze im südlichen Landkreis jährlich um 151 auf 82 Notfälle reduzieren, hieß es auf Grundlage der jüngsten Daten. Das sei „technokratisch nachzuvollziehen“, räumte Bürgermeister Herker ein, praktisch aber „macht man mehr kaputt, als man gewinnt“. Er sprach von einer Watschn für 31 000 betroffene Menschen.

Denn, so wurde im Stadtrat ausgeführt: Die vorgeschlagene Verlegung des Rettungswagens von Pfaffenhofen nach Scheyern habe ausschließlich die Zwölf-Minuten-Frist im Blick – nicht aber die Gesamtzahl der Notfälle und auch nicht die Gesamtzahl der Einwohner. Nach Angaben der Stadtverwaltung ergäbe sich damit für gut 31 000 Menschen – nämlich die Einwohner von Pfaffenhofen und Schweitenkirchen – eine Verschlechterung. Für rund 9300 Menschen – in Hettenshausen, Ilmmünster und Reichertshausen – bliebe die Situation etwa gleich. Eine Verbesserung ergäbe sich für rund 11 300 Menschen; nämlich die Einwohner von Gerolsbach, Jetzendorf und Scheyern.

Trauriges Alleinstellungs-Merkmal?

Wobei in diesen Daten die Zahl der Ein- und Auspendler sowie die Schülerzahlen noch gar nicht berücksichtigt sind. Aus Scheyern pendeln demnach zum Beispiel täglich 1200 Menschen mehr aus als zum Arbeiten dorthin fahren. In Jetzendorf halten sich tagsüber 740 Menschen weniger auf als hier wohnen, in Gerolsbach sogar 930 weniger.

Betrachtet hat die Pfaffenhofener Stadtverwaltung auch die Notfall-Einsätze binnen eines Jahres – nämlich von 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2016. Legt man diesen Zahlen die nun geplante Verlagerung des Rettungswagens von der Kreisstadt nach Scheyern zugrunde, dann hätte sich die Situation bei gut 2070 Einsätzen (in Pfaffenhofen und Schweitenkirchen) verschlechtert und nur bei 500 (in Gerolsbach, Jetzendorf und Scheyern) verbessert. Bei rund 430 (in Hettenshausen, Ilmmünster und Reichertshausen) wäre sie etwa gleich geblieben.

Außerdem wird von Pfaffenhofener Seite darauf hingewiesen, dass die Verlegung des Sankas nach Scheyern genau für den Zeitraum vorgeschlagen werde, in dem statistisch gesehen die meisten Einsätze zu Buche stehen. Betrachte man die Landkreise in Bayern, sei praktisch jeweils die Kreisstadt auch Standort eines Rettungswagens. Damit wäre, so hieß es gestern sinngemäß im Stadtrat, die Verlegung des Rettungswagens von Pfaffenhofen nach Scheyern ein trauriges Alleinstellungs-Merkmal.

Kappelmeier & Co. kommen in ihrer Auswertung zu folgendem Fazit. Bei einer Verlegung des Rettungswagens nach Scheyern würden sich für 74 Prozent der  betroffenen Menschen die Hilfsfristen um vier bis sechs Minuten verschlechtern. Es würde also länger dauern, bis im Notfall der Sanka da ist. Für 26 Prozent der Bevölkerung in diesem Gebiet verbessere sich die Hilfsfrist um drei bis sechs Minuten. Betrachte man die Notfälle im genannten Zeitraum, dann hätte sich in 81 Prozent die Hilfsfrist um vier bis sechs Minuten verschlechtert sowie in 19 Prozent um drei bis sechs Minuten verbessert.

Auf dieser Grundlage hat man im Pfaffenhofener Rathaus eine Verlängerung der Hilfsfristen im genannten Zeitraum um 9415 Minuten errechnet. Um dieselbe Zahl an Notfällen abzudecken, wäre der Rettungswagen demnach diese Zeit länger „auf der Straße“ und somit nicht einsatzbereit. 9415 Minuten, das sind knapp 160 Stunden oder fast 20 Acht-Stunden-Tage. „Der Rettungswagen stünde für andere Notfall-Ereignisse in dieser Zeit nicht zur Verfügung – und zwar für alle Gemeinden“, wurde verdeutlicht.

Fragen über Fragen 

Aus Sicht der Pfaffenhofener Stadtverwaltung ergeben sich in Zusammenhang mit der geplanten Verlegung des Rettungswagens nach Scheyern unter anderem folgende Fragen: Ist dabei berücksichtigt, dass sich die Einsatzzeiten, bedingt durch die erhöhten Fahrzeiten, erhöhen? Wie wirken sich die erhöhten Einsatz- und Fahrtzeiten aus? Kann die Verlagerung des Rettungswagens zu einer Steigerung der Zahl von Fällen führen, in denen die Hilfsfrist von zwölf Minuten nicht eingehalten wird?

Außerdem will man wissen: Wurde die Erhöhung der gesamten Hilfsfristen für die südlichen Landkreis-Gemeinden für den Falle einer Rettungswagen-Verlegung nach Scheyern berechnet? Welche Auswirkungen hätte diese Verlagerung auf die gut 1750 Notfall-Ereignisse in Pfaffenhofen – neben der Verlängerung der Hilfsfrist von sechs Minuten? Nach welchen Kriterien soll die Verlagerungszeit nach Scheyern festgelegt werden? Und ist dabei berücksichtigt, dass zwischen 8 und 20 Uhr in den südlichen Gemeinden des Landkreises ein negatives (Berufs-) Pendlersaldo herrscht?

Basierend auf dem vorgeleten Zahlenmaterial hält der Stadtrat laut einstimmigem Beschluss die Verlagerung des Rettungswagens von Pfaffenhofen nach Scheyern „für nicht geboten, da sich die absoluten Hilfsfristen für etwa 31 000 Einwohner verschlechtern“. Die Liste der offenen Fragen wird an den Rettungs-Zweckverband mit der Bitte um Beantwortung weitergeleitet. Dem bayerischen Innenministerium will man nicht nur die Situation schildern – sondern dort zugleich „rechtliche Möglichkeiten“ in Erfahrung bringen, um diesen „Schmarrn“, wie Bürgermeister Herker es nennt, zu verhindern. Außerdem sollen die südlichen Landkreis-Kommunen von den Daten in Kenntnis gesetzt werden, die man im Pfaffenhofener Rathaus zusammengetragen hat.

In der Diskussion herrschte quer durch die Fraktionen Einigkeit im Stadtrat. Herker sprach von einer „Watschn für 31 000 Betroffene“, die eine Verlegung des Rettungswagens von Pfaffenhofen nach Scheyern bedeuten würde. Er könne sich nicht vorstellen, dass das so durchgehe, sagte Altbürgermeister Hans Prechter (CSU). Er sieht das „Risiko der wirklich effektiven Verschlechterung“ der Situation. „Wir müssen uns mit Nachdruck dagegen wehren“, betonte er und appellierte zugleich an die hiesigen Mitglieder in dem Zweckverband, notfalls „mit krachender Faust“ auf den Tisch zu hauen. 

"Der fünfte Rettungswagen muss her" 

Stadtrat und Kreisrat Thomas Röder (CSU), vom Landkreis als Mitglied in eben diesen Rettungs-Zweckverband entsandt, versicherte sinngemäß, er werde selbstverständlich gegen die Verlegung des Rettungswagens votieren, wenn sich die Situation so bestätigen sollte.

Die Sache „stinkt“ und „schreit zum Himmel“, befand der Dritte Bürgermeister Roland Dörfler (Grüne). Was da im Raum steht, ist für ihn „nicht nachvollziehbar“. Er regte schon jetzt an: Sollte der Landkreis einmal den inzwischen geforderten fünften Rettungswagen bekommen, dann müssten die künftigen fünf Standorte komplett neu ermittelt werden.

Für SPD-Chef Markus Käser steht außer Frage: „Der fünfte Rettungswagen muss her.“ Und der jetzt in Pfaffenhofen stationierte Sanka müsse auch hier bleiben. Die Planungen einer Verlegung nach Scheyern wies er im Namen seiner Fraktion klar zurück. Das sei nicht nur eine „Milchmädchen-Rechnung“, kritisierte er, sondern hier würden Rechenspiele mit Menschenleben betrieben.

Reinhard Haiplik (ÖDP) betonte, dass es um das Gemeinwohl gehe. Den Argumenten, die gegen die Verlegung des Rettungswagens nach Scheyern sprechen, könne sich niemand verschließen. Die Eltern, deren Kinder in Pfaffenhofen zur Schule gehen, müssten sicher sein können, dass ihre Söhne und Töchter im Notfall gut versorgt würden, sagte er sinngemäß.

Auch Peter Heinzlmair (Freie Wähler) stellte klar, dass man in Pfaffenhofen einen stationierten Rettungswagen brauche. Eine Verlagerung nach Scheyern mache die Situation für wenige besser, aber für viele schlechter. Außerdem wachse Pfaffenhofen weiter. Zudem verwies er auf die demografische Entwicklung sowie die vielen Senioren in den Einrichtungen der Kreisstadt.

„Wir können unseren Unmut kundtun, aber wir sind nicht zuständig“, bedauerte Martin Rohrmann (CSU). Auch er warb dafür, Antworten auf die offenen Fragen einzuholen. Zugleich betonte er grundsätzlich: Das Thema sei zu wichtig, um zu Politisieren. Peter Feßl (SPD) bezeichnete die Begründung für eine mögliche Verlegung des Sankas als „absurd“.

Es müsse darum gehen, „den Schmarrn“ mit der Verlagerung des Rettungswagens „bleiben zu lassen“, unterstrich Bürgermeister Herker – und darum, einen fünften Rettungswagen im Landkreis zu erhalten. So sah das auch Franz Niedermayr (FDP). „Nicht tragbar“ ist seiner Meinung nach, was da jetzt droht. Wenn Pfaffenhofen weiter wachse, werde die Situation praktisch noch schlechter. Man müsse jetzt ein Zeichen setzen. 

Bisherige Beiträge zum Thema:

Klare Forderung: Kreis Pfaffenhofen braucht fünften Rettungswagen

SPD fordert fünften Rettungswagen im Kreis Pfaffenhofen

Neue Rettungswache für Rohrbach

Kein vierter Rettungswagen für den Landkreis


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