Warum der Pfaffenhofener Rettungswagen in nächster Zeit oft in der Nachbar-Gemeinde stationiert sein wird.
Von Alfred Raths
Zunächst einmal für sechs Monate ist ab dem gestrigen Vormittag der Rettungswagen von der Rettungswache am Pfaffenhofener Krankenhaus – wie angekündigt – probeweise nach Scheyern ans dortige Feuerwehrhaus verlegt worden. Mit dieser temporären Verlagerung soll auch die Grundlage für einen weiteren, fünften Rettungswagen im Landkreis geschaffen sowie diese einhellige Forderung aus der Lokapolitik mit belastbaren Argumenten untermauert werden. "Unberührt davon bleibt der Notarzt-Standort in Pfaffenhofen bestehen", betont Günther Griesche, der Geschäftsführer des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehr-Alarmierung in der Region Ingolstadt.
Die Verlegung des Rettungswagens erfolgt den Angaben zufolge begrenzt auf den Zeitraum von 9 bis 17 Uhr und wird nur dann gemacht, wenn sichergestellt ist, dass der in Rohrbach stationierte Rettungswagen die Kreisstadt im Bedarfsfall versorgen kann. Dieses Vorgehen erläuterte Griesche am gestrigen Nachmittag bei einem Pressetermin. Mit der Verlagerung wolle man Erfahrungswerte dazu generieren, wie es unter gewissen Voraussetzungen um die rettungsdienstliche Versorgung des südlichen Landkreises Pfaffenhofen bestellt sei.
Grundlage ist die angestrebte Zwölf-Minuten-Hilfsfrist – eine Planungsgröße aus dem bayerischen Rettungsdienst-Gesetz –, innerhalb der ein Patient nach einem Notruf qualifizierte Hilfe des Rettungsdiensts erfahren soll. Damit wird etwa auch der Zuschnitt des Versorgungsbereichs einer Rettungswache bestimmt. Bislang konnte diese Frist jedoch nicht überall im südlichen Landkreis eingehalten werden. Konkret in den Kommunen Gerolsbach und Jetzendorf sowie in Ortsteilen der Gemeinden Scheyern und Reichertshausen. Darum war Handlungsbedarf gegeben. "Der Bedarf wurde vom Zweckverband schon frühzeitig erkannt und durch das Trust-Gutachten bestätigt", sagte Griesche gegenüber unserer Zeitung.
Günther Griesche, Geschäftsführer des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehr-Alarmierung in der Region Ingolstadt.
Wesentlich mit eingebunden ist das Institut für Notfallmedizin und Medizin-Management (INM) der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), das bekanntlich im Jahr 2016 das dritte so genannte Trust-Gutachten vorlegt hatte. Es handelt sich dabei um eine Struktur- und Einsatzdatenbank zur Durchführung von Trendanalysen im bayerischen Rettungsdienst, die jedoch die Situation nicht aus prospektiver, sondern aus retrospektiver Sicht betrachtet. Zukünftige Entwicklungen, wie etwa jene der regionalen Demographie, fließen aber ein.
Das INM habe errechnet, so hieß es nach der Zweckverbands-Sitzung im Dezember vergangenen Jahres aus dem Landratsamt, dass die Zwölf-Minuten-Hilfsfrist in den Gemeinden Gerolsbach und Jetzendorf sowie in den Ortsteilen von Reichertshausen und Scheyern überwiegend eingehalten werden könnten, sofern der Rettungswagen von der Ilmtalklinik in Pfaffenhofen für den Zeitraum, in dem die Rettungswache in Rohrbach besetzt ist, nach Scheyern verlegt werde. Griesche bestätigt dies und ergänzt, dass seitens des Zweckverbands Daten nachgesteuert worden seien, womit die Grundlage für die Aussicht auf einen fünften Rettungswagen geschaffen worden sei.
"Unberührt davon bleibt der Notarzt-Standort in Pfaffenhofen bestehen", betont Griesche. Ob es nach einer möglichen späteren Genehmigung des fünften Rettungswagens beim Standort Scheyern bleibt, ist indes ungewiss. Auch die Einsatzgebiete würden sich natürlich verändern. Wie genau das alles dann aussehen könnte, das kann zum jetzigen Zeitpunkt wohl niemand sagen. Das müsse die Auswertung des Datenmaterials zeigen, sagt auch Griesche und erläutert: "Wir brauchen jetzt die Praxis, um zu sehen, ob diese auch den theoretischen Erkenntnissen entspricht."
Nach etwa fünf Wochen werde es eine erste Auswertung zu der nun angestoßenen temporären Verlagerung geben. Unabhängig von der Testphase werde nach einem "Rochade-System" darauf geachtet, dass eine Gebietsabdeckung im Hinblick auf die Zwölf-Minuten-Hilfsfrist mit einsatzbereiten Rettungswagen gesichert sei. "Unser Ziel bleibt auf alle Fälle der fünfte Rettungswagen", hob Griesche hervor. Außerdem weist der Zweckverband darauf hin: "Der Standort der Rettungswache Pfaffenhofen bleibt an der Ilmtalklinik bestehen." Im Pfaffenhofener Stadtrat hatten die Pläne vom zeitweiligen Abzug des Rettungswagens im Vorfeld für Empörung und Unverständnis gesorgt.
Auch Scheyerns Bürgermeister Manfred Sterz (rechts) und BRK-Kreisgeschäftsführer Herbert Werner (2. v. l.) waren gestern zum Pressetermin gekommen.
Vize-Landrat Anton Westner (CSU) hatte indes zu den Auswirkungen auf Pfaffenhofen erklärt: "Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass sich die Hilfsfrist im Stadtgebiet Pfaffenhofen im Verlagerungszeitraum zwar verlängert, aber innerhalb von zwölf Minuten bleibt." Hintergrund ist, dass der in Rohrbach stationierte Rettungswagen auch Teile der nördlichen Kreisstadt in der Versorgung abdeckt und damit jenen in Pfaffenhofen entlastet. Damit könnte der nun zeitweise in Scheyern stationierte Rettungswagen womöglich die Hilfsfrist der betroffenen Orte im südlichen Landkreis verbessern, während sie sich in der Kreisstadt – zumindest theoretisch – um einige Minuten verlängert. Kompliziert wird die Angelegenheit dadurch, dass Notrufe aus einem bestimmten Vorwahl-Bereich nicht in der Rettungsleitstelle Ingolstadt, sondern in der in Fürstenfeldbruck landen, weshalb eine Weiterleitung erforderlich wird, die mutmaßlich Zeit kostet.
Ein fünfter Rettungswagen für den Süden des Landkreises Pfaffenhofen war im vergangenen Jahr von den Kreispolitikern gefordert worden. Der Zweckverband soll nun für die weiteren Schritte sorgen. Bezahlt werden Anschaffung und Unterhalt von Rettungswagen übrigens aus dem Beitragsaufkommen der gesetzlich Krankenversicherten. Nach Angaben von Herbert Werner, dem Kreisgeschäftsführer des Pfaffenhofener BRK, kostet ein solcher in der Anschaffung etwa 150 000 Euro sowie im Betrieb jährlich ungefähr 600 000 Euro.
Bislang gibt es im Landkreis vier Rettungswachen: in Rohrbach, Reichertshofen, Geisenfeld und am Krankenhaus in Pfaffenhofen. Nach Angaben des Landratsamts hat sich seit der Inbetriebnahme des Stützpunktes Rohrbach – im Juli vergangenen Jahres – der Erreichungsgrad der Zwölf-Minuten-Hilfsfrist im Versorgungsbereich Geisenfeld von 78,5 auf 86,9 Prozent, im Versorgungsbereich Pfaffenhofen von 84,7 auf 93,6 Prozent und im Versorgungsbereich Reichertshofen von 87,0 auf 92,4 Prozent verbessert.
Pfaffenhofen hatte sich nach Bekanntwerden der Pläne gegen den zeitweiligen Abzug des Rettungswagens gewehrt. Im Stadtrat, der sich Mitte Oktober mit der anvisierten Verlagerung nach Scheyern befasst hatte, herrschte Unverständnis. Die Kommentare reichten von "nicht tragbar" über "Käse" bis "stinkt zum Himmel". Wie die Stadtverwaltung anhand von Daten und Zahlen veranschaulicht hatte, werde die Situation nur für wenige besser, aber für viele schlechter. Konkret wollte man illustrieren, dass sich die Lage für 11 300 Menschen verbessern, aber für 31 000 verschlechtern werde. Was da "technokratisch" anvisiert werde, sei eine Watsch für 31 000 Leute, schimpfte Bürgermeister Thomas Herker (SPD). Markus Käser, Chef der SPD-Fraktion, sprach von einer "Milchmädchen-Rechnung" und prangerte Rechenspiele mit Menschenleben an. Man brauche keine Standort-Debatte, sondern einen weiteren, fünften Rettungswagen im Landkreis.
Die Räume für den nun in Betrieb genommenen Probestandort in Scheyern stellt die örtliche Feuerwehr zur Verfügung. Neben einem Aufenthaltsraum für die Besatzung des Rettungswagens wurde extra ein Hallenteil für das Fahrzeug geräumt. Bürgermeister Manfred Sterz (Freie Wähler) bedankte sich bei den Floriansjüngern für die Unterstützung; zudem sprach er die günstige Lage an der Staatsstraße sowie die Nähe zum Pfaffenhofener Ortsteil Niederscheyern an. Bereits um 12.33 Uhr hatte es gestern dann auch gleich den ersten von an diesem Tag mehreren Einsätzen gegeben, die von Scheyern aus absolviert wurden.
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