Laut einem fast einhelligen Gemeinderats-Beschluss soll ein neues Rathaus errichtet werden – doch dagegen regt sich Widerstand.
(ty) Für den Erhalt des Rathauses am jetzigen Standort und gegen ein neues Rathaus am Unteren Markt in Reichertshofen setzt sich eine neu gegründete Interessen-Gemeinschaft ein, die am Dienstagabend eine erste Informations-Veranstaltung abhielt. Das Interesse bei den Bürgern war groß, sodass im Sportheim des TSV kaum mehr ein Platz zu ergattern war. Kritisiert wurde dabei auch das Verhalten des Marktgemeinderats in seiner oppositionellen Rolle.
Als Wortführer traten Jutta und Wolfgang Freudenberger – der auch örtlicher SPD-Ortsvereinsvorsitzender ist – auf, die zusammen mit Georg Hempel, Robert Klepmeir, Josef Meier und Elmar Schwarz die Initiative verantworten. Gemeinsam wollen sie verhindern, dass gemäß einem Gemeinderats-Beschluss vom Januar – nur eine Gegenstimme – ein neues Rathaus am Unteren Markt errichtet wird. „Die Seele kocht“, formulierte Freudenberger eingangs und stellte dann die Historie des jetzigen Rathauses und früheren Schlosses inklusive der politischen Entscheidungsdaten vor.
Mit den hohen Kosten, der ungünstigen Lage des Grundstücks sowie der Perspektive für den Gebäudekomplex am Schlossberg begründete Jutta Freudenberger das „Nein“ der Initiatoren zu einem Rathaus am vorgesehenen Standort. Und auch die ihrer Meinung nach vielleicht zehn Personen, die ein Rathaus am Unteren Markt besuchen würden, trügen dort nicht zur Belebung bei. Dagegen spräche für ein „Ja“ zum Beibehalt des jetzigen Rathauses die Aussicht auf zeitnahe Zuschüsse aus dem Denkmalschutz oder der Städtebauförderung. Überdies sei die ruhige Lage ohne Durchgangsverkehr sowie die räumliche Nähe von Verwaltung und Sitzungssaal hervorzuheben. „Und die Hochwasserproblematik gibt es dort auch nicht“, so Freudenberger. „Außerdem liegt mir die Verantwortung für das historische Erbe am Herzen.“
Wolfgang Freudenberger präsentierte als alternative Planung das Alte Schloss, in dem früher das Krankenhaus untergebracht war, und die Garagen sofort zu sanieren, parallel dazu sollte am Unteren Markt ein Neubau mit Bücherei, Gastronomie und Bürgersaal entstehen und die Freiflächengestaltung unter Einbeziehung der Paar mit dem Maibaum und mit Sitzgelegenheiten erfolgen. Im Neuen Schloss sollte das Rathaus verbleiben und nach dem Neubau am Unteren Markt saniert werden. Freudenberger rechnete den Gesamt-Raumbedarf mit 685 Quadratmeter weniger vor, der bei Realisierung des Alternativvorschlags zum Tragen käme.
Im Kostenvergleich kam er auf drei Millionen Euro, die im Vergleich mit der gemeindlichen Planung eingespart würden und die man dann in andere dringende Projekte investieren könnte. Seine Rechnung: Für den Neubau des Rathauses mit 1585 Quadratmetern Fläche seien sieben Millionen Euro zu investieren, für den Neubau einer Bücherei mit Bürgersaal und Bistro und einer Fläche von 900 Quadratmetern müsse man dagegen nur zwei Millionen Euro ausgeben. Nicht schlüssig blieb dabei, warum in dem einen Fall der Quadratmeterpreis bei etwa 2444 Euro und im anderen Fall jedoch fast doppelt so hoch, und zwar bei 4416 Euro liegt. Der Rest bezieht sich auf Umzugs- und Sanierungskosten unter Berücksichtigung von Zuschüssen, die dieser Rechnung nach der Gemeinde 2,2 Millionen Euro kosten würden, während die Interessengemeinschaft dafür 5,2 Millionen veranschlagt.
Der Ball liege jetzt beim Bürgermeister und Gemeinderat, so Freudenberger. Mit jenen wolle man gerne diskutieren. Freudenberger setzte mit der Juni-Gemeinderatssitzung gleich eine Frist, bis dahin Gespräche geführt werden könnten. Weitere Aktionen wolle man dann „zu gegebener Zeit planen und durchführen“. Ob er damit auf ein Bürgerbegehren anspielte, das bereits mit gleichem Tenor überraschend von der Bürgerinitiative „Bürger pro Paarhalle“ vor wenigen Tagen auf den Weg gebracht wurde (Mächtig Zündstoff in Reichertshofen: Gibt es bald zwei Bürgerentscheide?) blieb dabei offen.
Im Rahmen der regen Diskussion kam auch Bürgermeister Michael Franken (JWU) zu Wort: „Viele der Ideen, die Sie da aufgelegt haben, decken sich eins zu eins mit meinen Ideen, die ich vor zwölf Monaten dem Gemeinderat vorgestellt habe.“ Von daher freue er sich auf einen Dialog. Ein Wortmelder monierte die seiner Ansicht nach mangelhafte Informationspolitik des Rathauschefs: „Sie haben uns als Bürger nicht mit einbezogen!“ Dem konterte Franken mit einer Aufzählung einer ganzen Reihe öffentlicher Veranstaltungen zur Thematik, die bereits im Jahr 2015 mit dem „Integrierten städtebaulichen Konzept“ gestartet sei. Der Vorwurf sei deshalb nicht fair.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der gesamte Gemeinderat seine öffentliche Sitzung abgesagt hatte, um an der Veranstaltung teilnehmen zu können. Am Ende dieser schob Freudenberger in seinem Schlusswort noch deutliche Kritik am Gemeinderat nach: „Über 20 Jahre war hier nur Streit, permanent im Gemeinderat Streit", befand er. "Dann, seit ein paar Jahren auf einmal die Wende; ja bloß, was ist jetzt passiert? Jetzt haben wir einen Gemeinderat, da gibt’s keinen Streit mehr – Streit heißt ja hier Opposition, Alternative. Ich habe das Gefühl, nach jedem Beschluss umarmen und küssen sie sich.“ Freudenberger stellte schließlich die Frage in den Raum, ob es denn keine Opposition mehr im Reichertshofener Gemeinderat gebe.
Bisherige Beiträge zum Thema:
Reichertshofen: Aufregung um Zustand und Zukunft der Paarhalle
Mächtig Zündstoff in Reichertshofen: Gibt es bald zwei Bürgerentscheide?